Antrittsbesuch der neuen Verteidigungsministerin Lambrecht sichert dem Baltikum Solidarität zu

»Die Lage in der Ukraine ist sehr ernst« – so lautet die Einschätzung der neuen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht. Ihre erste Reise unternahm sie nach Litauen, wo man sich ebenfalls von Russland bedroht sieht.
Lambrecht beim Antrittsbesuch in Litauen

Lambrecht beim Antrittsbesuch in Litauen

Foto: Kay Nietfeld / dpa

Die Wahl des Ortes für die erste Auslandsreise ist für einen Politiker oder eine Politikerin ein Statement, welche Prioritäten er oder sie setzen will. Paris, Brüssel, Warschau – in diese Metropolen haben Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock ihre ersten Besuche im neuen Amt geführt. Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) dagegen entschied sich für einen Antrittsbesuch in Litauen. Angesichts der aktuellen Spannungen mit Russland kann das als klare Ansage verstanden werden.

»Wir stehen ganz fest an der Seite unserer Partner und Freunde«, sagte Lambrecht bei einer Pressekonferenz mit ihrem litauischen Kollegen Arvydas Anušauskas am Sonntag. »Die Lage in der Ukraine ist sehr ernst, und ich kann die Sorgen unserer baltischen Verbündeten nachvollziehen und verstehe, wenn man sich bedroht fühlt.«

Die angespannte Lage angesichts der Konfrontation zwischen Russland und der Ukraine müsse diplomatisch gelöst werden, zugleich bedürfe es aber »der glaubhaften Abschreckung« gegenüber Russland, forderte Lambrecht. Zwei der drei Staaten des Baltikums – Lettland und Estland – grenzen direkt an Russland, Litauen zudem an die russische Exklave Kaliningrad.

Die dortigen Regierungen sahen nach der Annexion der Krim durch Moskau auch ihre Sicherheit bedroht, weshalb vor knapp fünf Jahren die sogenannte Enhanced Forward Presence (eFP) der Nato geschaffen wurde. Anfang 2017 begann das Verteidigungsbündnis mit der Verlegung von Soldatinnen und Soldaten in die baltischen Staaten und nach Polen.

Litauen würde Ukraine Waffen liefern

Lambrecht besuchte nun im litauischen Rukla die Angehörigen der Bundeswehr, die in der eFP-Mission im Einsatz sind. Die sogenannten Battlegroups in den vier Nato-Staaten bestehen aus jeweils rund tausend Soldaten. Deutschland hat dabei die Führung über den Verband in Litauen übernommen, dem auch Einsatzkräfte aus Belgien, Island, den Niederlanden, Norwegen und Tschechien angehören. Aktuell befinden sich rund 500 Bundeswehrangehörige bei der Truppe.

Lambrechts litauischer Kollege Anušauskas sagte, es dürfe Russland nicht erlaubt werden, rote Linien zu ziehen. Es sei auch nicht akzeptabel, wenn die Führung in Moskau über Einflusszonen in Europa verhandeln wolle oder einen Rückzug der Nato-Partner aus östlichen Mitgliedstaaten des Bündnisses als Verhandlungsziel auf den Tisch lege. Er sagte, sein Land sei bereit zu Waffenlieferungen an die Ukraine.

Vor ihrer Abreise nach Litauen hatte sich Lambrecht im Ukrainekonflikt auch für härtere Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin ausgesprochen. »Aktuell müssen wir Putin und sein Umfeld ins Visier nehmen«, sagte Lambrecht der »Bild am Sonntag« . Die »für die Aggression Verantwortlichen« müssten »persönliche Konsequenzen« spüren, »zum Beispiel dass sie nicht mehr zum Shoppen auf die Pariser Champs-Élysées reisen können«.

Nato denkt über stärkere Präsenz in Rumänien und Bulgarien nach

Angesichts eines massiven russischen Truppenaufmarsches  an der Grenze zur Ukraine gibt es Befürchtungen, Moskau könnte das Nachbarland angreifen. Die G7 und die EU drohen Russland im Falle eines Angriffs mit »massiven Konsequenzen«. Russland wiederum sieht sich zu Unrecht als »Aggressor« dargestellt. Kremlsprecher Dmitrij Peskow kritisierte »das Anheizen der gespannten Nachrichtenlage«.

Die Nato erwägt derweil wegen der russischen Truppenbewegungen einem Medienbericht zufolge eine Verstärkung der eigenen Truppen im Osten des Bündnisgebiets. Nach SPIEGEL-Informationen schlug der oberste Befehlshaber der Nato kürzlich bei einer Videoschalte vor, ähnlich wie im Baltikum und in Polen im Zuge der Mission Enhanced Forward Presence auch die Nato-Präsenz in Rumänien und Bulgarien deutlich zu verstärken.

Der US-General Tod Wolters forderte demnach, die Nato solle wie im Baltikum auch in Bulgarien und Rumänien eigene Kontingente von gut 1500 Mann aufbauen, um mit den dortigen Armeen zu üben und im Ernstfall als »Brückenkopf« für weitere Verstärkung zu dienen.

Von mehreren Nato-Diplomaten erfuhr der SPIEGEL, der Vorschlag werde beim nächsten Treffen der Nato-Verteidigungsminister diskutiert und könne im Fall einer Einigung beim Nato-Gipfel Ende Juni in Madrid beschlossen werden. Offiziell wollte die Nato die internen Überlegungen auf Anfrage nicht bestätigen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hieß es zwei der drei Staaten des Baltikums – Lettland und Estland – grenzten direkt an Russland. Der dritte baltische Staat Litauen grenzt zwar nicht direkt an Russland, aber an die Exklave Kaliningrad. Wir haben die Stelle präzisiert.

chs/AFP
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