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Briefe

Christliche Musik
aus DER SPIEGEL 33/1971

Christliche Musik

(Nr. 30/1971, Wagner-Verbot in Israel) Nicht weil Hitler Wagner mochte, ist Wagner-Musik in Israel verboten, sonst wären es auch seine Lieblingsautoren oder gar seine Leibspeise. Die Israelis meinen nur (und da steht eine überraschend große Mehrheit hinter dem Verbot), daß sie auch ohne die Gefühls- und Gedankenwelt eines Antisemiten oder eines Nazi-Mitläufers ihr kulturelles Bedürfnis stillen können. Auch »Mein Kampf« werden sie nicht über den staatlichen Rundfunk hören, sondern muß zu Hause gelesen werden -- der Vergleich hinkt? Auch der von Levin: Mendelssohn zu verbieten, weil er Jude, und Wagner, weil er Antisemit war, ist denn doch nicht eins.

Wien JULIUS ROSENBLATT

Ich bin dafür, daß Richard Wagner und Richard Strauss hier gespielt werden sollen. Es werden ja andere antisemitische Komponisten auch gespielt. Unter anderem Sibelius, Strawinsky, Pfitzner, Chopin und so weiter.

Ramat-Gan (Israel) RUDOLF BAEUML

Ist es vielleicht »ein Stück Scheinheiligkeit«, daß Sie so gerne Juden negative Kritik an Israel üben lassen?

Rüsselsheim (Hessen) MAXIMILIAN BRAUMANN

Kein bundesdeutscher Journalist der anspruchsvolleren Presse würde es wagen, diesen Artikel aus der Feder fließen zu lassen, ohne seine Existenz aufs Spiel zu setzen. Die renommierte »Times« und ihr jüdischer Journalist können es. Soll man der »Times« das Niveau einer »deutschen Nationalzeitung« bescheinigen oder ist unsere Wiedergutmachungsarbeit auch nur »ein Stuck Scheinheiligkeit«?

München VOLKER LASSER

Wagner und Strauss sind tot, doch ihr Geist ist unauslöschbar: dies dürfte der jüdische Sender bewiesen haben, als er einige Takte Wagner und Strauss brachte.

Darmstadt GÜNTER WILLARED

Als ein alter Wagnerianer muß ich Ihren Artikel »Ein Stück Scheinheiligkeit« insofern berichtigen, als durch die Frage: »Sind aber Furtwängler-Schallplatten in Israel verboten?« ein falscher Eindruck entstehen kann. Auch der Verkauf von Schallplatten der Werke Wagners und Richard Strauss« ist hier völlig frei, sie sind in fast jeder Musik- oder Schallplattenhandlung zu kaufen. »Nur« das öffentliche Spielen dieser Komponisten ist verboten. Durch dieses »nur« wird allerdings das Stück Scheinheiligkeit unseres Musiklebens nicht kleiner.

Tel-Aviv (Israel) JAMES APPEL

Wagner ist ein Antisemit, aber er verpflichtete immerhin einen jüdischen Dirigenten, seine Musik zu dirigieren. Fein, somit wäre Wagner also rehabilitiert, und somit wäre er auch quitt mit dem jüdischen Komponisten Meyerbeer, der Wagner in seinen Anfängen stark unterstützte.

Erkennt Herr Levin nicht, daß es darum gar nicht geht? Es geht um den ideelichen Leitfaden, der sich durch fast sämtliche Wagner-Opern zieht: jene schwulstigen Gedanken um das überragend-Absolute, um die theatralische Unzerstörbarkeit der Begriffe von »Treue« und »eiserner Liebe«, um die Glorifizierung von heldisch-blonden Kraftprotzen, um die Herrschaft der säbelrasselnden Obermenschen, um rachelüsterne, fette Mannsweiber (recht unchristlicher Gedanke übrigens), um Menschen also, die einerseits so ziemlich viel niedermachen, andererseits so fürchterlich »treu« sind.

Tel-Aviv (Israel) MOSCHE ZUCKERMANN

Nicht nur Wagner und Strauss werden diskriminiert, sondern sogar christliche liturgische Musik: Den Musikfestspielen Abu Gosh-Kiryat Yearim wurde in diesem Jahr die finanzielle Unterstützung durch das Kultur- und Erziehungsministerium mit der Begründung verweigert. daß Festspiele« die zum großen Teil Aufführungen christlicher Musik bringen, keine Unterstützung dieses Ministeriums erwarten könnten!

Ramat Gan (Israel) SIGI STADERMANN

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