Spahn entschuldigt sich bei Ärzten »Die persönlichen Nachrichten zeigen mir, wie groß der Frust und der Unmut ist«
Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat sich in einem Brief an die Ärzteschaft für seine Kommunikation rund um die Kontingentierung von Biontech-Dosen entschuldigt. »Diese zu kurzfristige Kommunikation, den entstandenen zusätzlichen Aufwand sowie Ihre verständliche Verärgerung bedauere ich ausdrücklich«, schrieb Spahn in einem Brief, der am Montagabend an die Vertragsärzte geschickt wurde. »Ich möchte mich dafür bei Ihnen und Ihren Teams entschuldigen.« Der Brief liegt dem SPIEGEL vor, zuvor hatte »Die Welt« über ihn berichtet.
Jens Spahn über Biontech-Impfungen
In dem Schreiben heißt es weiter: »Durch unsere zu kurzfristige Mitteilung, dass wir geplante Biontech-Bestellungen Ihrerseits ab nächster Woche nicht vollständig werden bedienen können und auch der Impfstoff von Moderna zum Einsatz kommen muss, sind viele von Ihnen nachvollziehbarerweise verärgert«, so Spahn. »Die persönlichen Nachrichten, die mich erreichen, zeigen mir, wie groß der Frust und der Unmut ist.«
»Bestellungen nahezu vervierfacht«
Hintergrund sei, dass sich das zentrale Biontech-Lager schneller leere als erwartet. »Innerhalb von zwei Wochen haben sich die wöchentlichen Bestellungen von Biontech-Impfstoff nahezu vervierfacht«, so der Minister. »Kommunikativ ist dabei nun der Eindruck entstanden, wir würden nur deshalb stärker auf den Impfstoff von Moderna setzen, weil wir einen möglichen Verfall dieser Impfstoffe im ersten Quartal 2022 vermeiden wollen. Das ist zwar ein gewichtiger Aspekt, aber nicht der entscheidende.«
Entscheidend sei, dass man ab der nächsten Woche vorübergehend nicht mehr als zwei bis drei Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffs pro Woche zur Verfügung haben werde. »Selbstverständlich halten wir nicht unnötig Dosen dieses Impfstoffs seitens des Bundes zurück«, erklärte Spahn.
Angesichts der steigenden Corona-Infektionszahlen sollen möglichst alle geimpften Erwachsenen in Deutschland eine Auffrischungsimpfung bekommen. Spahns Gesundheitsministerium hatte am Freitag in einem Schreiben an die Länder für die nächsten Wochen Begrenzungen bei den Bestellmengen für den Biontech-Impfstoff angekündigt. Praxen sollen vorerst maximal 30 Dosen Biontech pro Woche bestellen können, Impfzentren und mobile Impfteams 1020 Dosen. Für Bestellungen von Moderna soll es keine Höchstgrenzen geben. Bis Jahresende soll es insgesamt rund 24 Millionen Dosen von Biontech und 26 Millionen von Moderna geben – laut Spahn genug Impfstoff für alle.
Moderna der »Rolls-Royce« unter den Impfstoffen
Spahn versucht seit Tagen, die offenkundige Kommunikationspanne zu korrigieren. Erstmals hatte er die kurzfristige Umstellung am Samstag bedauert: »Ich weiß, dass diese kurzfristige Umstellung für viele engagierte Helferinnen und Helfer vor Ort in den Arztpraxen und Impfzentren viel zusätzlichen Stress bedeutet.« Seitdem wies der Minister immer wieder darauf hin, dass der primäre Grund für die Begrenzung die Knappheit des Biontech-Impfstoffs sei. Am Montag lobte Spahn ausdrücklich die Moderna-Vakzine: Nach Meinung mancher Ärzte sei Biontech der Mercedes, Moderna der Rolls-Royce unter den Impfstoffen.
Die Kritik an Spahn ist trotzdem groß. Viele Ärzte sind wütend, weil sie schon viele Termine für eine Boosterimpfung vergeben haben und nun ihren Patienten einen anderen Impfstoff schmackhaft machen müssen – auch wenn Moderna Studien zufolge noch etwas länger gegen eine Infektion mit Covid-19 schützt.
Auch Spahns Amtskollegen in den Bundesländern sind nicht glücklich mit dem Krisenmanagement des Ministers. Sie forderten ihn in der Konferenz der Gesundheitsminister (GMK) auf, die Kontingentierung schnellstmöglich zu beenden und wenn möglich zusätzlichen Biontech-Impfstoff zu beschaffen. In der Sitzung war die Stimmung nach SPIEGEL-Informationen angespannt. Laut Teilnehmenden soll der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) zu Spahn gesagt haben: »Ich habe auf den Mist keinen Bock mehr: Jetzt ist Schicht im Schacht!«
Wenigstens einen Erfolg konnte Spahn am Montag dennoch verbuchen. Das Mainzer Unternehmen Biontech will ihm in der kommenden Woche drei statt zwei Millionen Dosen liefern. Das verkündete Spahn in der Gesundheitsministerkonferenz.