SCHWEDEN Dank dem Volke
Der Kodex einer Brautwahl am schwedischen Hof ist streng und merkwürdig: Er gilt nur für Prinzen, für Könige nicht.
Falls nämlich ein Prinz eine Dame seines Herzens, aber nichtfürstlichen Standes heimführt, bringt er sich um Titel und Erbfolgerecht. Ist er dagegen schon König, darf er in den unteren Schichten so tief wählen wie sein Uralt-Vorgänger Erik XIV: Der machte im Jahre 1568 die Tochter eines schlichten Domestiken zur Königin von Schweden.
Doch einfach abzuwarten mit der Heirat bis zur Thronbesteigung empfiehlt sich auch nicht. Während der letzten 100 Jahre hätte ein Thronfolger, der durch Warten die sogenannte Mesalliance anstrebte, lange auf die Trauung warten müssen.
Denn als Schwedens Oscar II. im Jahre 1872 das Zepter ergriff, war er 43. Weil Oscar 78 wurde, kam Gustaf V. (Tennis-»Mr. G.") erst mit 49 auf den Thron. Er wurde 92, deshalb konnte Gustaf VI. Adolf erst mit 67 König werden.
90 Jahre wurde er alt. Bei dieser Erbgesundheit hätte sein Sohn Gustaf Adolf wahrscheinlich ebenfalls 67 Jahre lang auf die Krone warten müssen, wäre er nicht 1947 nach einem Flugzeugabsturz gestorben. So war der Sohn des Verunglückten erst 27 Jahre alt, als er -- Carl XVI. Gustaf -- 1973 König wurde.
Ein Jahr zuvor hatte er, noch Kronprinz, an den Olympischen Spielen in München teilgenommen, als Ehrengast. Wie Bundespräsident Heinemann, Monaco-Fürst Rainier und Griechenlands Ex-König Konstantin war er dabei von einer ausgesuchten Hostess betreut worden: Silvia Sommerlath, Tochter eines Industriekaufmanns aus Heidelberg am Neckar.
Auch Carl Gustafs Mutter war Deutsche (Sibylla von Sachsen-Coburg-Gotha), und seine weibliche Ahnenreihe entstammt fast völlig deutschen Fürstenhäusern. Seine deutschen Sprachkenntnisse sind jedoch (wie sein Reifezeugnis) miserabel. Fräulein Sommerlath aber spricht sechs Sprachen. mit ihrem Prinzen sprach sie englisch.
Seit er sie in Münchens Kinki-Bar ausfuhren durfte, war er entschlossen. sie zu heiraten und die Stockholmer Brautwahl-Vorschrift zu umgehen: durch Warten auf das Ableben des Großvaters.
Und als Silvia Sommerlaths Auserwählter dann so rasch Ende 1973 König wurde, hatte er viel Zeit für sie: Außer seinen Küchenzettel und dergleichen hat ein Monarch in Schweden nichts mehr zu bestimmen, nur noch zu repräsentieren. Das Paar sah sich immer fleißiger in aller Welt um.
Weihnachten 1974 feierten sie bei des Königs Schwester Désirée noch in Schweden, Silvester dann bei Schwester Birgitta in München-Grünwald, anschließend liefen sie in der Schweiz und zu Ostern in Norwegen Ski.
Im Sommer flitzten sie mit Carl Gustafs Super-Wasserkreuzer wieder durch Schwedens Schären, kampierten danach auf den finnischen Åland-Inseln, begingen auf Schloß Solliden (Insel Öland) das schwedische Mittsommerfest und segelten hernach bei Sardinien im Mittelmeer.
Die erfolgreiche Dolmetscherin avancierte zwischendurch zur stellvertretenden Chef -Hostess und wirkte in Innsbruck für die Vorbereitung der Olympischen Winterspiele. Doch um Silvester 1975 flog das Paar für zehn Tage nach Mauritius im Indischen Ozean, traf sich gelegentlich in Innsbruck und erholte sich nach den Spielen in Zermatt (Schweiz). Die Trauung ist für Anfang Juni geplant, mit Flitter-Safari in Ostafrika.
Weil Schwedens Könige zumeist heirateten, bevor sie es wurden, wird diese Königshochzeit die erste seit 179 Jahren sein, vom Volk goutiert: Rund 80 Prozent aller Schweden billigen ihre landeseigene Version der Monarchie. Und vor kurzem wurde die Regierung vom Reichstag mit drei Stimmen Mehrheit beauftragt, das Thronfolgerecht auch auf Prinzessinnen auszudehnen.
Den Pflichten einer Königin getreu und ihrem Carl XVI. Gustaf, 29, zuliebe lernt die Prinzeß, 32, nun auch ihre siebte Sprache. Das Sterntaler-Mädchen auf die Frage, was sie ihrem neuen Volk sagen möchte, akzentfrei: »Tack sa mycket!« (Vielen Dank).