JUSTIZ Das Dollste los
Als der Berufskraftfahrer Rolf, 28, an einer Düsseldorfer Straßenecke in eine Routinekontrolle der Polizei geriet, trat er durch: Mit Vollgas steuerte er auf den Beamten mit der Kelle zu, der sich gerade noch durch einen Sprung retten konnte.
Dann brauste Rolf, der nach dem Konsum einiger Stangen Altbier Blastüte und Blutprobe vermeiden wollte, mit seinem Mercedes durch die nächtliche Stadt davon und die Polizeistreife im VW Passat hinterher.
Die Jagd ging quer durch die City. Mal mit Tempo 80, mal mit 140 raste Rolf beim Ampel-Rot über Kreuzungen und Stoppschilder hinweg. »Der Querverkehr«, räumte sein Rechtsanwalt Josef Pallenbach ein, »mußte ordentlich in die Bremsen latschen.«
Rolf kam durch. Der alkoholisierte Lenkrad-Profi, der sogar die Scheinwerfer und damit auch die Rückleuchten abgeschaltet hatte, hängte das Streifenfahrzeug bald ab und erreichte unfallfrei die heimische Tiefgarage. Die Beamten hatten jedoch inzwischen das Mercedes-Kennzeichen über Funk an den Bereitschaftsdienst der Zulassungsbehörde gemeldet und den Fahrzeughalter ermittelt.
So wurde der Gehetzte, der sich in der Garage unter einem anderen Auto verkrochen hatte, schon wenig später festgenommen: 1,06 Promille, vorläufige Einbehaltung der Fahrerlaubnis, Anklage wegen Trunkenheit am Steuer. Straßenverkehrsgefährdung und Nötigung. Jedoch -- seinen Führerschein hat er schon wieder.
Vorletzte Woche war die Verhandlung vor einem Einzelrichter des Amtsgerichts Düsseldorf. Und da »hat mein Mandant unwahrscheinlich Schwein gehabt«, freut sich Verteidiger Pallenbach: Zwar wurde Rolf mit 1800 Mark Geldstrafe wegen Nötigung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verurteilt, der Vorwurf der Trunkenheit am Steuer -- mit der Folge »relativer Fahruntüchtigkeit« (Pallenbach) und Führerscheinentzug -- aber wurde fallengelassen. Noch im Sitzungssaal bekam er den lebenswichtigen Lappen wieder ausgehändigt.
Anwalt Pallenbach hatte vorgetragen, daß Rolf »gerade durch seine Fahrweise bewiesen hat, daß er trotz Alkoholgenusses in der Lage war, sein Fahrzeug zu beherrschen« -- sonst hätte er der gewiß gut und sicher fahrenden Verkehrsstreife nicht entkommen und zielstrebig seine Garage erreichen können.
Damit, daß der junge Richter Wehmeyer sich dieser Argumentation anschließen könnte, hatte der Anwalt gar nicht erst gerechnet. Doch der Richter folgte vollauf: In der Tat habe der Angeklagte durch das nächtliche Rennen seine Fahrtauglichkeit selbst unter Beweis gestellt. Relative Fahruntüchtigkeit sie ihm daher nicht nachzuweisen.
Obwohl Jurist Pallenbach auch noch die anklagende Staatsanwältin Szumilowski zum Verzicht auf Rechtsmittel bewogen hatte, möchte er nun den inzwischen rechtskräftigen Spruch »lieber nicht als Präzedenzfall« eingeschätzt wissen: »Da könnte ja jeder kommen und denken, hältste nicht an, sondern fährste mit 140 los, wenn du alkoholisiert bist -- was da alles passieren könnte.«
Unterdessen beschäftigen sich die vorgesetzten Behörden des Richters und der Staatsanwältin mit dem Urteil -- das gleichwohl unumstößlich ist und bei künftigen Promille-Plädoyers nicht einfach vom Tisch gefegt werden kann. Rechtsanwalt Pallenbach ("Mein Mandant ist einsichtig, der macht so was nicht noch einmal") hofft auf mindere Beachtung: »Sonst haben wir ja nachher das Dollste auf den Straßen los.«