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SERIE Das Ende der Ölzeit

aus DER SPIEGEL 31/1979

Für den stets etwas unfrohen SPD-Politiker Erhard Eppler findet heute schon statt, was morgen sein muß.

In seinem Haus bei Freudenstadt hat Eppler ein gemischtes System von Sonnenkollektoren und Wärmepumpen installiert, das Heizung und Warmwassererzeugung direkt von der Sonne und aus der Erde holt.

In seinem Garten zieht der schwäbische SPD-Chef sogenannte biologische Nahrung, also Gemüse ohne chemischen Dung. Wenn er in die Stadt will, steigt er in den Linienbus, und für längere Fahrten über Land spannt Eppler nun statt des bisher benutzten Benzinrenners eine bescheidene Diesel-Kalesche ein.

»Viele stimmen dem weiteren Ausbau der Energieversorgung zu, in der Hoffnung, sich damit eine gesunde, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung erkaufen zu können«, schreibt Eppler in seinem kürzlich erschienenen Alternativszenarium zur Energiepolitik: »Es wird Zeit, aus diesem vermeintlich naturgesetzlichen Teufelskreis auszubrechen.«

Der Schweizer Technologie-Professor Pierre Fornallaz faßt den Umstand, der bei Eppler Teufelskreis genannt wird, in die zwei Sätze zusammen: »Eine Energiemenge, welche behagliches Wohnen, gesicherte, befriedigende Arbeit und genügende Mobilität garantiert, erhöht die Lebensqualität. Ein Übermaß an Energieeinsatz zerstört sie wieder durch künstliches Wohnklima, entseelte Arbeit und verstopfte Straßen.« Der unvermeidbare Zuwachs an Energiebedarf sei »ein Mythos«.

Der Mythos kommt aus dem flotten Wachstumsdenken der vergangenen 30 Jahre. 1960 noch lief die europäische Wirtschaft, mitten im Wiederaufbau, zur Hauptsache mit der Grundenergie Kohle. Seit den großen Ölfunden im Nahen Osten läuft sie so, wie Amerika schon seit dem Ersten Weltkrieg läuft: auf Öl.

Das billige Öl aus Nahost brachte die Wachstumskräfte von Wirtschaft und Gesellschaft gewaltig in Schwung. Die Traditionen der Aufklärung und des Freihandels, der technischen Erfindungen und der industriellen Revolution verbanden sich mit dem Zwang zum Wiederaufbau kriegszerstörter Wirtschaften zu nie erlebter Potenz. Das billige Öl schmierte diesen Prozeß und gab ihm zusätzlichen Schub.

Ein Feuerwerk an wirtschaftlicher Aktivität, ein Zahlengigantismus von imperialem Zuschnitt ließen die Vollzugsbeamten dieses Prozesses immer steilere Fortschrittskurven malen. Energie war dank der Ausbeutung arabischer Quellen so billig, daß niemand an Knappheit dachte. Denn kann etwas knapp sein, das billig ist?

Das System des Wiederaufbaus und des technischen Fortschritts, das System des Wohlstands und der Sorglosigkeit, der Vollbeschäftigung und der Freizeitqualität, der schnittigen Autos und der schnellen Jets. dieses Traumparadies der Menschheit war für die weitgeschichtliche Sekunde eines knappen Jahrzehnts Wirklichkeit geworden. Es verwirrte die Geister auch jener, deren Lebensinhalt die Rationalität ist.

Rational sind betriebswirtschaftliche Entscheidungen von Unternehmen, die Energie als nicht vorhandenen Kostenfaktor betrachten, weil sie billig ist. Rational sind Schleudertarife von Stromversorgungsunternehmen, die den Verkauf überschüssigen Stroms anheizen sollen. Rational ist eine Architektur, die Billigbauten mit schlecht isolierten Wänden hinstellt, weil die Kälte von draußen durch billige Wärme von drinnen bekämpft wird.

Rational auch sind die Prognosen der Energiepolitiker gewesen, die dem System der Trendfortschreibung folgten. Der Energieverbrauch von 1950, sagten sie voraus, werde sich bis zum Jahre 2000 vervierfachen und dann immer so weiter.

Eine solche Verbrauchskurve indessen verläuft nach den Gesetzen der Logik ins Unendliche. Die Unendlichkeit aber gibt es nur in der Mathematik und beim lieben Gott. Folglich muß die Kurve irgendwo ihren Knick nach unten bekommen.

Der Knick in diese aufs Unendliche angelegten Kurve wird ausgelöst durch die Endlichkeit aller Vorräte, die gegenwärtig den Energieverbrauch tragen: Öl, Erdgas, Uran und Kohle. Über Nacht wird sich zeigen, daß bei den Bedarfsprognosen der Ausdruck »Bedarf« falsch war. Die Menschheit hat keinen unendlichen Bedarf an Energieverschwendung, wohl aber einen vernünftigen Bedarf an Energiedienstleistung.

»Kein Mensch wird behaupten wollen«, so Fornallaz, »daß der Bürger der USA, der zwei- bis dreimal mehr Energie beansprucht als der Deutsche, auch eine zwei- bis dreimal höhere Lebensqualität genießt.« Der Schweizer Technologe meint dabei bereits die »Schwelle der Kontraproduktivität« erkannt zu haben, die durch biologische Grenzen -Ökologie, Gesundheit gesetzt sei.

Die Rationalität der Ölzeit beruhte in diesem Sinne auf einer Illusion. Vernünftige Entscheidungen einer hochausgebildeten Elite geschahen millionenfach auf der falschen Grundlage eines allzeit billigen Energieangebots. Und selbst als die Grenzen der Ölreserven erkennbar wurden, befahl es die Rationalität der Ölzeit, durch einseitigen Ausbau der Kernkraft auf dem gleichen Weg weiterzugehen.

Sie befahl es in der Hoffnung, den eingeleiteten Prozeß, jenen sogenannten Menschheitstraum, noch zwei oder drei Jahrzehnte fortsetzen zu können. Bis die Menschheit mit einer neuen noch gewaltigeren Erfindung beglückt sein könne.

Der Leichtsinn einer solchen Konzeption ist bodenlos. Er führt zur Bindung ungeheurer Kapitalmittel in wirtschaftlichen und öffentlichen Großorganisationen und schließlich zu politischen Abhängigkeiten, für die es bislang keine Beispiele gibt. Der Zwang des einmal eingeschlagenen Weges führt zum Zwang, ihn fortzusetzen, ohne Gewißheit darüber, daß er sich fortsetzen läßt.

Die Entscheidung für eine atomare Großtechnologie vom Leichtwasserreaktor über den Schnellen Brüter bis zur Kernfusion, ist die einzige Entscheidung, die eine echte Energiekrise hervorrufen könnte: durch ihren möglichen Fehlschlag.

Der Zürcher Klimatologe Theo Ginsburg, aber auch der einstige deutsche Atom-Manager Klaus Traube sehen diesen Fehlschlag schon für die neunziger Jahre voraus. Für sie ist der Atom-Zug ohnehin verspätet abgefahren und kann sein Ziel rechtzeitig nicht mehr erreichen. Ginsburg: »In der kritischen Zeit werden Investitionsmittel und Forschungskapazitäten in einem Maße gebunden, welches sinnvolle Maßnahmen auf anderen Sektoren verhindert, ohne (laß zusätzliche Energie aus Atomkraftwerken zur Verfügung steht.« Denn zwischen Planung und Anlauf eines Atomkraftwerkes liegen mehr als zehn Jahre.

Wie weit es mit der Ölzeit-Philosophie gekommen ist, verriet der Esso-Technik-Vorstand Eckart Edye im Juni 1977 in einem Referat vor leitenden Angestellten seines Unternehmens. Darin wird die Endlichkeit der fossilen Energiereserven Öl, Gas und Kohle, aber auch die Unsicherheit des atomaren Weges deutlich beschrieben. Und am Ende steht der fatale Satz: »Wir können ferner nur hoffen, daß es den Menschen in der Zukunft gelingt, neue, heute noch nicht bekannte Techniken der Energiedarbietung zu entwickeln.« Ende der Ölzeit?

Das nahe Ende der Ölzeit erklärt sich nicht aus dem Versiegen der Ölreserven allein. Sie sind noch nicht verbraucht. Es erklärt sich vor allem aus der Einsicht in ihre Endlichkeit und aus den Zweifeln am Wachstums- und Verschwendungsdenken der früheren Jahre. Und es wird eingeläutet durch einen politisch-marktwirtschaftlichen Prozeß, der bisher übliche Kalkulationsformen über den Haufen wirft.

Bis 1973, der ersten Ölkrise, war der Ölpreis eine koloniale Größe. Er wurde von den Ölgesellschaften gesetzt und durch die Macht ihrer Heimatländer politisch abgesichert. Seit 1973 das Gegenkartell der Opec mit zunehmender Macht auftrat, begann sich der Ölpreis nach dem Kriterium einzupendeln, die Arbeitsweise des westlichen Systems nicht zu stören. Er wurde damit so etwas wie ein Gleichgewichtspreis -- und der lag immer noch unterhalb des Preises der meisten Alternativen.

Die Wirtschaftlichkeitsrechnung für Alternativenergien blieb damit falsch. Denn noch immer drückte der Rohölpreis nicht aus, daß er sich auf eine unwiederbringliche Ware bezieht, eine Ware, die nicht nachwächst und die nicht reproduzierbar ist. Eine Bewertung der Lagerstätten, ein Zins für ihre Ausbeutung steckt im Ölpreis allenfalls seit der letzten Opec-Preiserhöhung.

Jede Alternativenergie, die auf unendliche Quellen zurückgeht, wird deshalb auf lange Sicht billig sein. Und bis zu einer gewissen Grenze wird jede Energieeinsparung preiswerter sein als der Kapitaleinsatz für eine noch so raffinierte Ausbeutung fossiler Quellen.

Die Chancen, eine Ölwirtschaft im gegenwärtigen Umfang zu finanzieren und zu beliefern, sind allenfalls bis kurz vor der Jahrtausendwende noch offen. Denn zwischen 1990 und 2000, so die übereinstimmenden Aussagen der Fachleute, wird der Höhepunkt der Ölerzeugung erreicht. Danach geht's bergab. Was aber sind die Alternativen?

Die ersten kommen vom Öl selbst. Mit den gegenwärtig bestätigten Ölmengen nämlich ist es nicht getan. Sie alle werden nur mäßig ausgebeutet -- im Durchschnitt zu 30 Prozent. 70 Prozent also bleiben im Boden. Eine eiserne Reserve für die Chemiker kommender Generationen?

Durch Nachdrücken von Gas und durch Aufhitzen mit Dampf lassen sich die bislang bekannten Quellen in sekundärer und tertiärer Förderung bis zu 50 Prozent ausbeuten. Doch immer noch bleibt die Hälfte unten -- ein mögliches Reservoir von übermorgen, wenn es nochmals verfeinerte Fördertechniken gibt.

Teuer wie die sekundäre und die tertiäre Ölausbeute ist auch die Ölerschließung in exotischen Gebieten, im Wasser und in großer Tiefe. Als die deutsche Esso 1972 ihre Esso-Motor-Hotelkette verkaufte, bezifferte der damalige Esso-Vize Berthold Harneit den dafür erzielten Preis als so hoch wie die Kosten »von drei Versuchsbohrungen in der Nordsee«.

Entsprechend teuer wird auch die Förderung. Die großen Förder-Ungetüme über den Ölfeldern der Nordsee, hergestellt in norwegischen und schottischen Tiefwasserhäfen, kosten über zwei Milliarden Mark und arbeiten, bis der Meeresgrund der Briten und der Norweger leergepumpt ist -- 25 Jahre.

Die von einem Konsortium mehrerer Ölfirmen, an der Spitze die britische BP, hergestellte Alaska-Pipeline kostete den horrenden Herstellungspreis von neun Milliarden Dollar und wurde zur größten privatwirtschaftlichen

Investition der bisherigen Menschheitsgeschichte. Die New Yorker Chase Manhattan Bank, Zentrum des großen westlichen Ölgeschäfts, geht mit Berechnungen um, die binnen 15 Jahren 1200 Milliarden Dollar Investion für die Bereitstellung des Welt-Energieangebots ansetzen.

Neue Ölländer wie Mexiko oder Peru, neue Vorkommen in alten Ländern wie Venezuela, aber auch in Nordamerika, kosten einen wahnwitzigen Kapitaleinsatz und bringen die Menschheit mit ihren zusätzlichen Reserven nur wenige Jahre weiter.

Je komplizierter die Ölsuche wird, desto mehr auch treten neben den finanzwirtschaftlichen energiewirtschaftliche Zweifel auf: Wieviel bleibt bei Bohrungen in zehn Kilometer Tiefe an Nettoenergie noch übrig, wenn die darin investierte Energie von der Gesamtausbeute abgezogen wird?

Erfahrungswerte für solche Zweifel sind auf begrenzten Gebieten schon lange da. Hoch im Norden Kanadas, in den Tundren des Mackenzie-Deltas, versucht die Ölindustrie zu Wasser und zu Lande seit 20 Jahren auf große Vorkommen zu stoßen. Der Einsatz von Hubschraubern, Schwertransportern. Wohnbiwaks, frostsicherem Bohrwerkzeug und Brennstoffen, die gesamte in diesen Aufwand investierte Energiemenge hat zu bisher nichts anderem geführt als zur Selbstversorgung der

* Oben: Neben Brauchwasserkessel seiner Solaranlage; unten: in Leverkusen.

Bohrkolonien mit Brenn- und Heizstoffen

Von den vermuteten Ölreserven auf der Welt ist folglich nicht sehr viel mehr auszubeuten als gegenwärtig bekannt und mit Sekundär- oder Tertiärtechnik zu erschließen ist. Alles andere -- in kleinen Ölblasen, in unwegsamen Gebieten oder gähnender Tiefe wird darauf zu prüfen sein, ob am Ende überhaupt noch ein paar Tonnen Netto-Energie übrigbleiben.

Die technisch gewinnbaren Weltreserven an fossiler Energie, auch die wirtschaftlich noch nicht abhaubaren, werden gegenwärtig auf 3400 Milliarden Tonnen Steinkohleneinheiten (SKE) geschätzt Daran sind > Öl mit 400 Milliarden Tonnen,

* Erdgas mit 300 Milliarden Tonnen, > Ölsand und Ölschiefer mit 700 Milliarden Tonnen,

* Kohle mit 20000 Milliarden Tonnen SKE beteiligt.

Bei dem gegenwärtigen Verbrauch von neun Milliarden Tonnen Steinkohleneinheiten im Jahr würde diese Reserve theoretisch fast 400 Jahre reichen. Doch längst nicht alles wird sich unter Berücksichtigung der Netto-Energie-Rechnung abbauen lassen.

Die Ölvorräte allein würden schon unter den Bedingungen gleichbleibenden Verbrauchs keine fünfzig Jahre mehr halten. Die Manager der Energiewirtschaft, deren Mehrheit immer noch von einem bis zum Jahre 2000 mehr als verdoppelten Energieaufwand träumt, setzen den Höhepunkt der Förderung fossiler Energiegrundstoffe deshalb > beim Öl im Jahre 1995 > beim Gas im Jahre 2010 > bei der Kohle im Jahre 2050 an.

»Wie der Energiebedarf des 21. Jahrhunderts gedeckt werden soll«, so Essos Edye, »läßt sich aus heutiger Sicht nicht übersehen.«

Das labile Gleichgewicht in der zu 92 Prozent auf fossile Stoffe gebauten westlichen Energieversorgung wird durch politische Unwägbarkeiten noch weiter gestört. Wo schon eine Fehlmenge von fünf Prozent den Preis um 50 Prozent treiben konnte, wird jeder politische Umsturz in den Opec-Ländern zum Geschäft für die anderen Ölproduzenten -- und zum Groggy-Schlag für die westliche Kundschaft.

Bei ihrer Suche nach sicheren, weil westlichen Quellen sind die Energie-Konzerne außer auf Ölsand, Ölschiefer und Kohle vor allem auf Erdgas gekommen. Mit ihm besitzen die Industrieländer eine noch 30 Jahre ziemlich sicher fließende Energiequelle, die vor allem für die Wärmeerzeugung in den Privathaushalten wichtig ist -- vorausgesetzt, es liegen genügend Rohrleitungen.

Georg Düwel, bis vor kurzem Cheftechniker der im Erdgasgeschäft besonders munteren Hamburger Gaswerke, gibt dem Gas allerdings noch viel längere Fristen, weil »mit den Tiefbohrungen noch gar nicht begonnen worden ist«.

Beruhigendes ist -- siehe Teil II der Serie -- einstweilen auch noch von der Kohle zu hören. Die Angaben über ihre Reserven schwanken zwischen 300 und 1000 Jahren. Die Möglichkeiten, sie überall, wo es nötig ist, an die Stelle des Öls zu setzen, sind groß.

Aber wie Teersande und Ölschiefer verlangt auch die Kohleausheute riesige Geldmittel und sehr viel zusätzliche Arbeitskräfte. Wenn immer Kohle überhastet das Öl ersetzen soll, gibt es Rückschläge und Engpässe. Dennoch bleibt die Kohle als Ersatzenergie eine berechenbare Größe.

Unbekannt dagegen sind die Möglichkeiten der als besonders ergiebige Ersatzenergie gepriesenen Kernkraft. Sie scheint deswegen attraktiv, weil ihr Brennstoff Uran in sogenannten sicheren Zonen liegt und deswegen für das westliche System voll verfügbar ist. Die größten Uranvorkommen nämlich liegen mit 2,735 Millionen Tonnen in den USA. Kanada schätzt seine Reserven auf 1,028 Millionen, Südafrika auf 456 000 und Australien auf 353 000 Tonnen.

Die Europäer verfügen über gut 660 000 Tonnen, vor allem in Schweden, Spanien und Frankreich. Damit steht eine Reserve von rund fünf Millionen Tonnen zur Verfügung, die ausschließlich in den Industrieländern liegt. Aber die als gesichert angesehenen Reserven werden einstweilen nur knapp über zwei Millionen Tonnen liegen, und das ist wenig: Bis zum Jahre 2000 werden die gegenwärtig betriebenen und geplanten Leichtwasserreaktoren 3,5 Millionen Tonnen Uran beanspruchen.

Damit kommt die Ersatzenergie Kernkraft in Zeitverzug. Rettung aus ler Uranlücke nämlich würde allein der Schnelle Brüter bringen, durch den die Uranvorräte sich von 300 auf 20 300 Milliarden Tonnen Steinkohleneinheiten potenzieren würden, was in die Gegend unendlicher Werte geriete.

Vollends aus dem Schneider wäre die Menschheit nach Ansicht der Atom-Planer mit dem Fusionsreaktor. Er bedient -- so die Optimisten -- sämtliche folgenden Menschheitsgenerationen so perfekt, daß nie wieder eine Energielücke aufkommen könnte. Mögliche Nebenerscheinungen der noch völlig unbekannten Fusionstechnologie md in diesem Szenario natürlich nicht enthalten.

Das ist auch nicht nötig, denn die Nebenerscheinungen der Leichtwasserreaktoren gängigen Typs bremsen den Zug ins nukleare Nirwana schon lange vorher. Mit der Entsorgung und Wiederaufbereitung nämlich will es nicht vorankommen. Wenn diese Probleme aber nicht gelöst werden, dann st das atomare Rennen schon kurz ach dem Start verloren.

1970 noch, als die Atomwelt heil rar, wurden 700 Tonnen Brennelenente wiederaufbereitet. 1975 waren es ach Unfällen, Streiks und Betriebsstörungen nur noch 50 Tonnen -- nicht einmal soviel wie zwei 1000-Megawattkraftwerke ausbringen.

1980 aber könnten die dann betriebenen hundert Kernkraftwerke 3000 Tonnen abgebrannte Stäbe freisetzen. Bis 1990 werden dann 80 000 Tonnen Abbrand herumliegen, zwischen 1990 und 2000 -- so jedenfalls Ginsburg -- werden weitere 350 000 Tonnen hinzukommen. Die Wiederaufbereitung setzte 20 störungsfrei arbeitende Superanlagen des. für Gorleben geplanten Typs voraus. Vorhanden sein aber wird allenfalls eine Jahreskapazität von 5000 bis 8000 Tonnen.

Nicht die radioaktiven Gefahren, sondern der Kapitaleinsatz für die Kernenergie setzt der Nuklearstrategie ernsthaft zu. Zudem, so der Schweizer Ginsburg, verbietet die zentralisierte Atomtechnik mit ihrem Zwang zu jahrhundertelangem expansiven Abbau- und Wiederaufbereitungsmanagement jede andere Gesellschaftsform als die des zentralen Atomstaats.

»Die Auswirkungen eines zivilisatorischen Zusammenbruchs«, so Ginsburg, »der sich über Jahre hinwegziehen könnte, sind in einer derart hochgezüchteten Technologie unabsehbar... Riesige Mengen radioaktiver Abfalle geraten außer Kontrolle.« Und unablässig müßte ein brüchig gewordenes System Energie erzeugen, allein um die Entsorgung zu vollziehen. Welcher Art Menschheit ist das zuzumuten?

Die Energiewirtschaft, so der Philosoph und Atomphysiker Carl Friedrich von Weizsäcker, ist »ein modernes und weltweites Pendant zur Forstwirtschaft. Was wir heute in ihr tun, werden unsere Enkel preisen oder verfluchen«.

Pierre Fornallaz drückt seine Warnung vor der Nuklearwelt deutlicher aus: »Anstelle der heutigen Durchlaufwirtschaft soll eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft verwirklicht werden. Wir müssen langfristig unseren Energiebedarf mit regenerierbaren oder für menschliche Maßstäbe unerschöpflichen Energiequellen in Einklang bringen.«

Öl, Teersande, Ölschiefer' Erdgas taugen als Ersatzenergien einer Übergangszeit von der Durchlauf- in die Kreislaufwirtschaft. Die Kernkraft ist, ihren weiteren Ausbau vorausgesetzt, nach Meinung ihrer Kritiker als Übergangsenergie schon nicht mehr geeignet, weil sie einem grundsätzlich anderen Denkansatz entspricht. Sämtlichen endlichen Ersatzenergien aber ist die Eigenschaft gemeinsam, daß sie in regelmäßigen Schritten sehr viel teurer werden.

»Unter den Technologien zur Energiegewinnung, die uns heute zur Verfügung stehen, scheinen jene am attraktivsten zu sein, die mit Sonne, Wind, Wasser und Biomasse arbeiten«, resümiert der US-Energiewissenschaftler Denis Hayes vom Washingtoner Worldwatch Institute. »Die größte Chance für die kommenden Jahre«, fährt er fort, »aber liegt auf der Erde in der Energieerhaltung und -Einsparung.«

Gegen diese Wahrheit stehen Denkweisen, die unter Soziologen als Verhaltenskonstanten gelten. Da ist zunächst der Erfahrungswert, daß der Wohlstand, ausgewiesen durch das Bruttosozialprodukt, im gleichen Maße wächst wie der Energieverbrauch. Aber das Bruttosozialprodukt drückt die Höhe des. Lebensstandards nicht voll aus, sondern nur dessen Veränderung bei im übrigen unveränderten Verhältnissen.

Mit jeder verbrauchten Kilowattstunde und jedem verbrauchten Liter Heizöl im Eigenheim wächst das Bruttosozialprodukt, denn irgend jemand hat dafür Geld kassiert. Wenn indessen das Haus, in dem dieser Verbrauch stattfindet, in Eigenhilfe isoliert wird und deshalb in sämtlichen folgenden Jahren weniger Energie verbraucht, dann sinkt das Bruttosozialprodukt, obwohl der Lebensstandard seiner Bewohner, was das Heizen betrifft, gleich bleibt oder sogar wächst.

In dem künftig vom einstigen Shell-Chef Johannes Welbergen mitvertretenen US-Forschungsinstitut Conference Board wurde schon errechnet, daß Brennstoffeinsatz und Bruttosozialprodukt sich jedes Jahr um zwei Prozent voneinander entfernen können, ohne daß die Wirtschaft es spürt. Sparen und alternative Energie bedeuten mithin nicht sinkenden Lebensstandard, sondern andere Mittel, ihn zu sichern.

Ähnlich wie mit dem Bruttosozialprodukt verlangt eine Kreislaufwirtschaft die Auseinandersetzung mit der herkömmlichen Kostenrechnung. Fossile Stoffe und schon gar die Kernkraft werden mit ihrem nackten Kaufpreis und den Veredelungskosten bewertet. Gegen diese Kostenrechnung sind die unendlichen Energien zumeist machtlos.

Öl, Kohle und Kernkraft aber verursachen zunehmend gesellschaftliche Kosten, die im Bereich der Umwelt und der Gesundheit liegen. Diese Kosten haben steigende Tendenz. Unendliche Energien bedeuten -- von brechenden Staudämmen einmal abgesehen -- kaum irgendwelche Umweltbelastungen. Und sie verursachen auch keine laufend höheren Rohstoffkosten. Folglich muß die Rentabilitätsschwelle unendlicher Ersatzenergien sehr viel näher liegen als bislang vermutet.

Sie lag gegenüber den fossilen Energien schon früher einmal wesentlich besser. Um die Jahrhundertwende noch wurden 60 Prozent der Weltenergie aus den regenerierbaren Quellen Wasser, Wind, Biomasse und Sonne gewonnen.

Am besten überlebte dabei die Energie aus Wasser. Die sogenannte hydroelektrische Kapazität der Welt liegt gegenwärtig hei 340 000 Megawatt. 80 Prozent davon werden in den Industrieländern erzeugt. die nur etwa 30 Prozent der ausbaufähigen Wasserkraft besitzen. USA, Schweden, die Schweiz und Österreich beziehen einen großen Anteil ihres Stroms aus Wasser. Die Alpenrepubliken Österreich und Schweiz könnten sich bei der Stromererzeugung mit Wasserkraft nahezu autark halten. Ägypten zieht 70 Prozent seiner Elektrizität aus dem Assuan-Staudamm.

Ginge beim Überlandtransport von Elektrizität nicht zuviel Energie verloren, könnte selbst das 115-Millionen-Volk der Brasilianer von den Wassermassen des Amazonas leben. Die Chancen, sich im kleinen Maßstab aus dem Wasser zu versorgen, lassen sich nicht berechnen, sind aber erheblich: Staudämme setzen 85 Prozent der einfließenden Energie um mehr als fast jedes andere System der Kraftumwandlung.

1966 setzten die Franzosen ein 240-Megawatt-Kraftwerk an der Rance bei Samt Malo in Betrieb, das von den Gezeiten lebt. Wenn das Wasser steigt und wenn es sinkt, werden Turbinen in Bewegung gesetzt, die Strom erzeugen. In einer anderen Bucht planen die Franzosen gar ein 6000-Megawatt-Gezeiten-Kraftwerk -- Strom wie von fünf Kernkraftwerken.

Doch Fluß-, Gebirgs- und Gezeitenwasser allein können es nicht schaffen. Die zweite natürliche Energiequelle, der Wind, jedoch kann die Wirkung von Wasserkraftwerken verbessern. Nach Schätzungen der World Metereological Organization könnten an den bevorzugten Windecken der Erde zusammen rund 20 Millionen Megawatt Elektrizität kommerziell hergestellt werden -- gut das Zehnfache der gegenwärtigen Stromerzeugung.

»In vielen Analysen kommt zum Ausdruck«. so der Amerikaner Hayes, daß die periodische Stromerzeugung mit Hilfe des Windes heute wesentlich weniger kosten würde als -- im Falle konventioneller Kraftwerke -- allein die Brennstoffe.«

Nach Berechnungen der Stuttgarter Universität wehen in Westeuropa genügend Winde, um fünfmal soviel Strom zu erzeugen, wie gegenwärtig verbraucht wird. In der Bundesrepublik mit ihren kurzen Küsten allerdings würde Windenergie nur 14 Prozent des Verbrauchs schaffen.

In Dänemark arbeiteten 1900 rund 100 000 Windmühlen. Sie zerkleinerten nicht nur Korn, sie pumpten Wasser und trieben -- 1916 -- mehr als 1300 Generatoren. In den USA wo im 19. Jahrhundert sechs Millionen Windräder betrieben wurden, drehen sieb noch jetzt 150 000.

Die Stromausbeute der einzelnen Mühle freilich bleibt gering -- nie wird Windenergie in die Nähe (ler Großtechnik geraten. Aber sie kann vom mittleren Gewerbe hergestellt und an Kleinverbraucher verkauft werden -- wogegen in Deutschland allein noch das Monopol der Stromversorgungsunternehmen steht.

Dagegen steht allerdings auch die Frage des Energiespeicherns bei Flaute. Die totale Autarkie der Haushalte setzt die gewohnte Bequemlichkeit der Steckdosengesellschaft außer Kraft. Allenfalls Notaggregate oder die Verbindung mit dem öffentlichen Versorgungsnetz helfen aus dem Dilemma.

Mangelnde Speicherfähigkeit belastet auch den Ausbau der Sonnenenergie, obwohl Untersuchungen wie die des Club of Rome und des Massacbusetts Institute of Technology sie zur zentralen Größe eines künftigen Kreislaufmodells erheben, das im 22. Jahrhundert verwirklicht sein muß.

Die Sonne sendet 28 000 mal soviel Energie auf die Erde, wie gegenwärtig kommerziell genutzt wird. Sie ist in diesem Sinne unendlich (SPIEGEL-Titel 47/1978). 35 Prozent davon werden in den Raum reflektiert, 18 Prozent von der Atmosphäre aufgenommen, wo sie unter anderem die Ersatzenergie Wind erzeugen, und 47 Prozent erreichen die Erde.

Die bislang als exotisch geltende Energieform soll, so US-Präsident Carter in seinem neuen Anlauf zur Lösung der heimischen Energiekrise, im Jahre 2000 rund 20 Prozent des amerikanischen Energiehungers stillen.

»Im Jahre 2000«, so Energiefachmann Hayes, könnten die »sich erneuernden Energiequellen 40 Prozent des globalen Energiebudgets aufbringen, und im Jahre 2025 könnte die Menschheit 75 Prozent der Energie aus solchen Ressourcen beziehen.«

Kanada und die USA, so behauptet Hayes, könnten mit bereits jetzt bekannten Solartechniken den größten Teil des Energiehaushalts, zumindest wohl die gängige Haus- und Warmwasserheizung bestreiten. Dagegen stehen allein die gegenwärtigen Kosten. Um die Wettbewerbsfähigkeit der Solarenergie zu fördern, bedarf es folglich öffentlicher Hilfe, wie sie bislang im reichen Maß der Militär-, Nuklear- und Luftfahrttechnik gewährt worden ist.

Sonnenenergie gibt es schon jetzt in Form von Kollektoren, die ihre eingefangene Hitze in Speicher geben, in Form von Spiegelanordnungen, die Wärme bis zu 3300 Grad erzeugen wie etwa im Sonnenofen von Odeillo in Frankreich. Temperaturen bis zu 2500 Grad schaffen solare Turmkraftwerke wie in Albuquerque im US-Bundesstaat New Mexico. Schon längst sind zudem Kleingeräte, wie etwa Solarkocher oder von einer Sonnenzelle gespeiste Rechner, bekannt. Die Anwendungsmöglichkeiten sind breit, wenn auch nicht immer ebenso praktisch.

Als auf die Dauer beste Sonnentechnologie zur Stromerzeugung gelten Solarzellen aus Silicium, die durch Lichtumwandlung Gleichstrom erzeugen. In der Raumfahrt sind sie längst erprobt. Bis 1985 sollen die ersten Photozellen wirtschaftlich werden,

Ähnlich den anderen unendlichen Ersatzenergien eignen sich die Solaranlagen vor allem für dezentralisierte Energieerzeugung. Damit wiederum sind sie geeignet zur Kombination mit anderen dezentralen Versorgungstechniken.

Bei raffinierter -- und öffentlich geförderter -- Anwendung können solche Kombinationen selbst in den Industriegesellschaften nahe an die Vollversorgung führen. Ausgenommen allerdings im Verkehrswesen. Autos fahren weder mit Kernkraft noch mit Wind oder Sonne. Für Autos, die vermutlich als letzte Verbrenner von Mineralöl in die Menschheitsgeschichte eingehen, aber haben die Strategen der Kreislaufwirtschaft dennoch etwas entdeckt. Das Stichwort dafür heißt biologische Energiequellen ("Biomasse"). Sie entstehen aus Abfällen, aus Bäumen und aus planvoller Pflanzenzucht.

Biomasse läßt sich als. fester Stoff (Holz), Flüssigkeit (Öle, Alkohol), Gas (Methan, Wasserstoff) oder als Baustoff für die Chemie (Zellulose) verwenden. Sie erfüllt damit viele Voraussetzungen, die auch das Öl bietet, doch sie findet ihre Grenzen in der agrarischen Nutzung der Erde. Sie wird mithin sowenig eine absolute Ersatzenergie wie alle anderen auch.

Für den Autoverkehr, der im Ersatz-Energie-Szeniarium immer das große Fragezeichen bot, liefert Biomasse die oktanreichen Stoffe Methanol und Äthanol. Diese Stoffe wurden schon vor dem Ausbruch der großen Ölzeit in Europa dem normalen Benzin mit Anteilen von 15 bis 25 Prozent beigegeben. Mit einem 500-Millionen-Dollar-Programm will das finanziell überlastete Schwellenland Brasilien jetzt das gleich Ziel anpeilen.

Zum System sanfter Ersatzenergien, wie der Amerikaner Amory Lovins dies alles nennt, gehören Voraussetzungen, die verkürzt »Energiesparen« genannt werden und deshalb den Eindruck erwecken, es gehe dabei um Konsumverzicht. Denn Sparen, so die alte volkswirtschaftliche Grundlehre, heiße Verzicht auf Konsum.

Energiesparen aber bedeutet nicht Verzicht auf Komfort, sondern Ersatz von Verschwendung durch Kapitalbildung. Schon jetzt, so Hayes, »kann ein in die Energieerhaltung investierter Dollar mehr Energie zur Verfügung stellen, als wenn er zur Entwicklung neuer Energiequellen verwandt worden ware

US-Berechnungen zeigen, daß eine 500-Milliarden-Dollar-Investition zur Energieerhaltung doppelt soviel Energie spart, wie eine gleich große Summe an neuer Energie hervorbringen kann. Der tiefere Grund dafür liegt in der unterentwickelten Technik rationaler Energienutzung, die einer exzessiven Verschwendungstechnik gegenübersteht. Die Chancen des Energiesparens sind folglich noch sehr lange sehr groß.

In seinem Alternativ-Szenarium hat Erhard Eppler -- sicherlich nicht mit freudiger Unterstützung der Industrie -- selbst für Westdeutschland erhebliche Einsparungsraten auf jeder Stufe des Energieverbrauchs beschrieben.

So kann durch wirtschaftlichere Fahrzeuge der spezifische Kraftstoffverbrauch der Personenwagen um 50, der Lastwagen -- nach einer Berechnung der Deutschen Shell um 15 Prozent gedrosselt werden. Die Einführung nordischer Bauprinzipien hei der Gebäude-Isolierung würde drei Viertel der Raumheizenergie sparen. Eine elektronische Heizungssteuerung vor allem in öffentlichen Gebäuden brächte 20 bis 30 Prozent. Durch Wärmerückgewinnung aus dem Abwasser lassen sich 33 bis 50 Prozent des Warmwassers in neuen Gebäuden einsparen.

Bei industriellen Elektromotoren gehen 50 bis 70 Prozent der abgegebenen Energie durch schlechte Kraftübertragung verloren. Elektrische Haushaltsgeräte können durch einfache technische Verbesserungen auf ein Drittel ihres Stromverbrauchs reduziert werden. Die Kraft-Wärme-Kopplung -- industrielle Abwärme in Heizsysteme eingegeben -- würde allein in Westdeutschland im Jahre 2000 etwa 34 Millionen Tonnen SKE an Heizkraft bringen -- die Hälfte des gegenwärtig für die Raumheizung verpulverten Heizöls.

Da sämtliche technischen Geräte im Durchschnitt nur zehn Jahre leben, würde ein großer Teil dieser Sparmöglichkeiten schon im Laufe des nächsten Jahrzehnts erreichbar sein Andere Autoren wie etwa der SPD-Politiker Frank Haenschke und der von Forschungsminister Volker Hauff öfter herangezogene Energiewissenschaftler Florentin Krause rechnen vor, daß die Bundesrepublik sich durch Mischung aller Systeme eines Tages ohne Abstriche am Lebensstandard selbst versorgen könnte.

Bei angenommenen 200 Millionen Tonnen SKE Endenergiebedarf der Bundesrepublik im Jahre 2030, rechnet Krause vor, würde der Niedrigtemperaturbedarf der Nation aus der Sonnenenergie und der Wärmepumpe zu decken sein. Hochwertige Elektrizität ließe sich voll aus Wind, Wasser, aus Solarzellen und der Kraft-Wärme-Kopplung erzeugen. Treibstoffe und Prozeßwärme ließen sich überwiegend aus Biokonversion herstellen, ein ungedeckter Rest -- vor allem bei der Prozeßwärme -- bleibe freilich der heimischen Kohle oder dem Energieimport.

Alternativszenarien dieser Art bedeuten die Abkehr von der großtechnischen Konzeption mit großen zentralen Einheiten. Zentrale Großtechnik, versucht eine neue Untersuchung aus der Schweiz nachzuweisen müsse mit den Raumordnungszielen des engen Mitteleuropa scharf kollidieren.

Aber die Übergänge zu einem neuen System sind schwer. Sie werden nicht gehen, ohne die wirtschaftlichen Groß-Organisationen in sie einzubeziehen. Sie werden nicht gelingen, ohne das Volk davon zu überzeugen, daß es sich um etwas anderes handelt als um eine Rückkehr in die Leberecht-Hühnchen-Gesellschaft. Und sie werden nicht gehen ohne die gesicherte Gewißheit, daß auch die gigantischen Lösungen wie Fusionsreaktoren oder Kraftwerke im All stets ganz teuer sein werden, daß Massenproduktion an Energie nicht mehr wie einst zum Preisverfall führt.

Die Übergänge zu einem neuen System allerdings müssen auch nicht abrupt geschehen. Die Reserven an fossilen Energieträgern sind noch in ausreichendem Maße vorhanden, um für Jahrzehnte, um noch das ganze nächste Jahrhundert hindurch eine Pufferfunktion zu übernehmen.

Das Management dabei werden weiterhin die multinationalen Großorganisationen betreiben. Sie haben sich durch die Verdrängung der Kohle und die Umstellung der westlichen Gesellschaften auf das billige Öl zu einer unentbehrlichen Größe erhoben, zu staatenähnlichen Organisationen, die nur noch mit Staaten verhandeln. Aber sie sind eine Gefahr: Ihr Anspruch weltweiter Verantwortung wird durch den Anspruch der Aktionäre auf Dividende gebremst.

Eine Schlüsselstellung im System der Energieeinsparung und der unendlichen Energieträger werden deshalb die mittelständischen Unternehmen gewinnen müssen. Mit ihnen wiederum werden kreative Kräfte mobilisiert, die in der Ölzeit von den Gurus der Großindustrie lahmgelegt worden sind. Für einen Atomstaat gilt diese Lähmung der Kräfte um so mehr. Die Entscheidung über die Richtlinien einer künftigen Energiepolitik ist nicht nur technisch bedingt, sie hat gesellschaftliche Dimensionen, denn sie fordert eine andere Denkweise.

Wie rasch sich Phantasie und dezentralisierte Systeme in Mark und Pfennig umsetzen lassen, hat der Essener Professor Klaus Meyer-Abich, Verfasser einer sorgfältigen Studie über das Energiesparen, ausgerechnet. Meyer-Abich: »Der Anteil der »Energiequelle Energieeinsparung' an der Energieversorgung der Bundesrepublik kann in den achtziger und neunziger Jahren durchaus die Größenordnung des Einsatzes von Steinkohle und Kernenergie erreichen und den der Braunkohle übersteigen.«

Sparen ist Kapital, Verschwendung Untergang: Ende der Ölzeit. Ende

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