»Dassler will alles kontrollieren«
Er fehlte zwischen all den Ehrengästen aus Politik, Wirtschaft und Showgeschäft, die sich nach den Kameras reckten. Den Anpfiff zum größten Fernseh-Spektakel der Erde erlebte der stämmige Franke wie eine Milliarde anderer Menschen nur daheim vor dem TV-Gerät.
Horst Dassler brauchte gar nicht leibhaftig dabeizusein. Als am vergangenen Samstagmittag elf Italiener und elf Bulgaren zum Eröffnungsspiel der Fußball-Weltmeisterschaft in das Azteken-Stadion von Mexiko-Stadt trabten, war er auch ohne persönliche Anwesenheit allgegenwärtig.
Unübersehbar trugen die Fußballer die Zeichen seiner Firma, die drei adidas-Streifen, an Füßen und Leib auf den Rasen. Die Italiener jagten mit gestreiften Tretern hinter dem Ball her. Die Bulgaren führten der Welt den Herzogenauracher Schick sogar an Armen und Hosenbeinen vor. Der Schiedsrichter achtete auf die Regeln in adidas-Kluft. Und selbstverständlich stammte auch der Ball, Marke »Azteca«, aus dem Hause adidas.
Alle Werbung in der 110000-Menschen-Arena haben der 49jährige Franke und seine Leute verkauft. Der offizielle Film, die World-Cup-Musik bis hin zu den Uhren der Schiedsrichter: Horst Dassler hat nahezu auf allem die Hand, womit im Azteken-Stadion und in den elf anderen Fußball-Stätten in Mexiko Geld zu verdienen ist.
Und Mexiko ist nur der Anfang. Wenn in zwei Jahren in Südkoreas Hauptstadt Seoul die 24. Olympischen Sommerspiele beginnen, werden wieder mindestens drei Viertel der Sportler für Dassler Reklame laufen, und wieder wird das gigantische Werbegeschäft nach der Regie des Franken abgewickelt.
Der Aufstieg Dasslers zum »wirklichen Boß des Sports« in der Welt, wie die ehemalige olympische Spitzenfunktionärin Monique Berlioux sagt, steht im auffälligen Gegensatz zu seinem Gehabe. Glanzvolle öffentliche Auftritte sind ihm fremd; in Gesprächen hört er lieber zu, als selbst zu reden, und wer ihn nicht kennt, kann die mittelgroße Erscheinung im schlecht sitzenden Konfektionsanzug leicht für den Leiter eines Vorort-Schuhgeschäfts halten.
Seine wahren Talente entfaltet Dassler besser hinter den Kulissen. Nach Ansicht von Kritikern wie dem Chef der italienischen Sportkleider-Firma Ellesse, Leonardo Servadio, hängt das mit der »adidas-Philosophie« zusammen: »Die besteht darin, die ganze Welt zu kaufen.«
Ebenso grob beschreibt der britische Geschäftsmann und Ex-Dassler-Partner Patrick Nally die Geschäftspolitik seines ehemaligen Kompagnons: »Horst hat immer und von Anfang an Leute gekauft.«
Tatsache ist, daß der adidas-Chef quer über den Globus Sportler, Verbände und Funktionäre in ein Beziehungsgeflecht eingebunden hat, das auf subtile Weise seinen Geschäften dient. Dieses Netz läßt sich der »Zucker-Papi« der Sportszene, wie das US-Finanzblatt »Wall Street Journal« Dassler genannt hat, eine Menge Geld kosten: 150 bis 200 Millionen Mark gibt adidas jährlich aus, um zum Nutzen der eigenen Firma in aller Welt Sportler zu fördern und Gutes zu tun.
In adidas-Kluft rudert Ex-Weltmeister Peter-Michael Kolbe und schmettern die Tennis-Stars Steffi Graf und Ivan Lendl. In adidas-Schuhen setzt Olympia-Sieger Edwin Moses über Hürden und der frühere Hochsprung-Weltrekordler Carlo Thränhardt über die Latte. Der Namenszug adidas prangt auf der Hose, in der Ex-Box-Europameister Rene Weller in den Ring klettert, und auf dem Hemd, mit dem Olympia-Sieger Daley Thompson zum Zehnkampf antritt. In adidas-Schuhen bringt der frühere Automobil-Weltmeister Nelson Piquet seinen Formel-1-Renner auf Touren.
Doch adidas kümmert sich nicht nur um die Stars, sondern denkt auch an den Unterbau. Der britische Schwimmverband etwa durfte sich über eine freundliche Unterstützung von 200000 Pfund freuen. In Mexiko wirbt Dassler nicht nur zur Fußballweltmeisterschaft. Da bezahlt adidas beispielsweise die Auslandsreise von 32 jungen Tennisspielern, sponsort die heimische Fechtmannschaft und sorgt für ein Stipendium des Handball-Trainers.
Den Fußballern aus Algerien wird ein Trainingslager im Elsaß finanziert. Deren Kollegen aus Kamerun dürfen sich bei adidas France frisch einkleiden. Da das nicht so schnell geht, wird auch die Hotel-Rechnung erledigt.
50 Rugby-Spielern aus Wales, England und Schottland steckten adidas-Abgesandte
Geld zu, wie Dassler Finanzbehörden gegenüber einräumte. Die deutschen Fußballer treten selbstverständlich mit den drei Streifen auf den Schuhen und dem Dreiblatt auf dem Dress an. Etwa zwei Millionen Mark für den Fußball-Bund im Jahr läßt sich Dassler die lebenden Werbeträger kosten.
Mit Hilfe von Geld, Schuhen und Trainingsanzügen hat Dassler inzwischen nahezu den gesamten Ostblock, angeführt von der Sowjet-Union, unter Vertrag. Mit geringem Aufwand hat er auch Afrikas Sportler und Funktionäre fest in seinen Griff genommen.
Etwas teurer ist lediglich eine in Paris erscheinende Zeitschrift namens »Champion d''Afrique«, die von Dassler finanziert wird. Mit seinem sicheren Gespür für menschliche Eitelkeiten läßt er dort afrikanische Sportfunktionäre in Bild und Schrift feiern. Wenn sein guter Freund aus Spanien, der oberste Olympia-Funktionär Juan Antonio Samaranch, den rätselhaften Kontinent bereist, platzt das Blatt nahezu vor Begeisterung und staatstragenden Kommuniques sowie Photos.
Durch die Erfolge der mit adidas-Produkten ausgestatteten Sportler wurde die fränkische Marke auch bei Prominenten anderer Sparten so populär, daß sie adidas-Artikel tragen und damit kostenlos für Dassler Reklame laufen. Frankreichs Regierungschef Jacques Chirac trägt adidas, wenn er sich mit Liegestütz-Übungen fit hält. Sein spanischer Kollege Felipe Gonzalez spielt in dreigestreiften Tretern Fußball.
Monacos Fürstenkind Caroline läßt sich in adidas-Joggingjacke interviewen. »Denver«-Darsteller John Forsythe tritt in adidas-Socken zum Tennis an, und Rock-Sängerin Tina Turner ist beim Tennis gar komplett mit adidas-Produkten ausgerüstet.
Zum Ruhme der adidas-Streifen trägt es auch bei, wenn sich über hundert aus israelischer Haft entlassene schiitische Extremisten bei der Rückkehr in den Libanon in Drei-Streifen-Anzügen präsentieren.
Horst Dasslers weltweites Imperium steht auf zwei Pfeilern: Die Verbindung zu den Sportlern garantiert, daß bei Fußball-Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen mehr als drei Viertel der Akteure adidas-Werber sind; die Zuneigung der Funktionäre sorgt dafür, daß die Sportereignisse ganz nach Dasslers Wünschen angesetzt und vermarktet werden.
Der Erfolg der Doppelstrategie ist an imposanten Zahlen abzulesen. Horst Dassler führt inzwischen die größte Sportartikelfirma der Welt. Mehr als 10000 Beschäftigte erwirtschaften weltweit über vier Milliarden Mark Umsatz. In 37 Ländern werden adidas-Produkte in Lohnfertigung oder Lizenz hergestellt.
Nach welch ausgeklügelter Strategie der adidas-Chef seine Lizenzen vergibt, wird am Beispiel der Sowjet-Union deutlich. Kurz vor der Olympiade 1980 in Moskau unterschrieb Dassler in Herzogenaurach unter beträchtlichem Pomp den Vertrag. Kurz darauf gelangte der Dassler-Spezi Samaranch mit Hilfe des von den Russen angeführten Ostblocks auf den Chefstuhl im Internationalen Olympischen Komitee (IOC).
Über zahllose Spitzensportler und nahezu jeden besseren Funktionär dieser Erde hat der adidas-Chef schon vor Jahren eine Kartei angelegt. Verzeichnet sind da die Körpermaße, so daß die passende Ausstattung mit Sportkleidung garantiert ist, aber auch besondere Vorlieben und Abneigungen der Kundschaft. In speziellen Fällen ist in der Kartei, die der adidas-Chef gegenüber Vertrauten »als besser als beim KGB« rühmte, sogar der bevorzugte Frauentyp notiert.
Die Sorgfalt, mit der sich Dassler und seine Helfer um das persönliche Wohlergehen der Freunde des Hauses kümmern, wird besonders bei wichtigen Funktionären deutlich. Wenn das chinesische Mitglied des IOC, He Schangliang, in Frankfurt landet, um an einer Sitzung teilzunehmen, steht selbstverständlich ein adidas-Daimler am Flughafen. Auch für ein Hotelzimmer ist gesorgt, wenn der Gast aus dem Fernen Osten nicht gleich ins firmeneigene Hotel nach Herzogenaurach transportiert wird - schließlich leiden chinesische Reisende ständig unter Mangel an Devisen.
Das gleiche Ritual wiederholt sich, wenn der Schwiegersohn des brasilianischen Welt-Fußballverbands-Präsidenten Joao Havelange in Paris einfliegt, um seinen europäischen Geschäften nachzugehen. _(Nach der Verleihung des Olympischen ) _(Ordens an Dassler. )
Wieder wartet der Daimler, wieder ist das Hotel gebucht.
Es gibt zwei Plätze, wo die große adidas-Familie so richtig zur Ruhe kommen und sich der deutschen Gemütlichkeit behaglich hingeben kann: das firmeneigene Sporthotel in Herzogenaurach und die »Auberge du Kochersberg« im elsässischen Landersheim, die direkt neben einer adidas-Fabrik liegt.
In Herzogenaurach kann der Gast im Schwimmbad oder in der Sauna entspannen, Tennis spielen oder sich den tadellosen Weinen hingeben. Das Schönste aber ist, wie Bill Abrams im »Wall Street Journal« vermerkt hat, daß bei der Abreise nur »selten eine Rechnung zu bezahlen ist«.
In Landersheim ist der fränkischen Gemütlichkeit noch französische Lebensart aufgepfropft. Die »Auberge« hat für ihre Küche einen Michelin-Stern erhalten und zwei Kochmützen der Geschmacksexperten Gault und Millau. Die Herberge diente Horst Dassler während seiner Tätigkeit bei adidas France für die Behandlung diskreter Fälle.
»Hier hat er sie alle abgefüttert und nachts dann die Verträge gemacht«, beschreibt ein Dassler-Kenner die Bedeutung des elsässischen Freßtempels für den Aufstieg des Sportindustriellen.
Dasslers übermächtige Stellung im Weltsport ist nur zu erklären durch das leichte Spiel, das er mit den Sportfunktionären hatte. Der ehrgeizige und tatkräftige Manager, der ohne Schwierigkeiten mit drei Stunden Schlaf auskommt und »die Macht liebt«, wie Monique Berlioux sagt, traf auf eine Ansammlung von freundlichen älteren Herren, die von der Elf-Freunde-müßt-ihrsein-Ideologie des Amateursports geprägt waren.
Der klassische Sportfunktionär der jüngeren Vergangenheit war ein Mann, der irgendwann einem Ball nachgejagt oder um eine Laufbahn geeilt war und im bürgerlichen Leben nicht so recht zum Ziel gekommen war. Nun versuchte er sich im Sport, wo öffentliches Ansehen winkte, wenn auch die harschen Amateurregeln wenig Geld versprachen. Ihm mußte Horst Dassler, der hier mal einen Flug und dort das Hotel bezahlte, wie ein Goldesel vorkommen. Um so besser, wenn er noch dem Verband die Sportausrüstungen schenkte und aus lauter Freundlichkeit auch Bares gab.
Kein Funktionär kann so dumm sein, bei der nächsten Abstimmung nicht im Sinne des Mäzens zu entscheiden. Denn tatsächlich konnten alle zufrieden sein: Die Sportler hatten Schuhe, Trainingsanzüge plus Geld; der Verband leistete sich auf einmal neben der Sekretärin noch einen Mitarbeiter; Horst Dassler hatte ein paar Reklameträger mehr.
Die adidas-Familie wäre nicht komplett ohne die Sportjournalisten. Schließlich würde die Ausrüstung der Sportler ohne Wirkung bleiben, wenn die laufenden Litfaßsäulen mit den drei Streifen nicht permanent via Fernsehen und Zeitung der Kundschaft nahegebracht würden.
Um den Familiensinn der Sportberichterstatter zu entwickeln, bedient sich Horst Dassler wiederum einer wirkungsvollen Doppelstrategie.
Zum einen hat seine Firma bei jedem halbwegs wichtigen deutschen Sportjournalisten Maß genommen. Die Sportschuhe und der Trainingsanzug gehören also zur Standardausrüstung.
Zum anderen ist adidas für Sportjournalisten ein unentbehrlicher Helfer in der täglichen Arbeit. Wer eine Geschichte über einen Sportstar oder eine Mannschaft drehen oder schreiben will, tut gut daran, erst mal in Herzogenaurach anzurufen. Die bei adidas unter Vertrag stehenden Athleten - und das sind schließlich die meisten Top-Leute - werden dem Journalisten freundlich-bereitwillig zugeführt. Für einen Redakteur freilich, der mit adidas schiefliegt, kann es zumindest zu Unbequemlichkeiten kommen.
Seine ganze väterliche Fürsorgepflicht bietet der Herzogenauracher Konzern
dann auf, wenn große Sportereignisse in fremden Ländern anstehen. Zur Olympiade in Los Angeles war eine Hotel-Halle angemietet, in der den Journalisten die Sportler und Funktionäre zum Interview zugetrieben wurden. Klar, daß das dabei zischende Pils auf Kosten des Hauses geht.
Folgerichtig wurde den Fernsehzuschauern in der Bundesrepublik, die den ausgedehnten Olympia-Berichten zuschauten, vor lauter Streifen ganz flimmerig vor Augen. Nahezu jeder Olympionike, den ARD und ZDF ins Studio schleppten, trat in adidas-Kluft an. Hätte das Unternehmen diese Reklame in den üblichen 30-Sekunden-Spots des Werbefernsehens bezahlen müssen, wäre der Bankrott nahe gewesen.
Einige der Sportmoderatoren des Fernsehens gehören zum engsten Familienkreis. Der Platitüden-König von der Saar, Werner Zimmer, der stets bemüht ist, seine Sendungen mit einem Minimum an gedanklichem Aufwand über den Schirm zu bringen, ist ein langjähriger Dassler-Intimus. Wenn in München die Sportartikel-Messe Ispo veranstaltet wird, kann der stellvertretende Chefredakteur des Saarländischen Rundfunks ein bißchen dazuverdienen. Weit über 10000 Mark sind dafür drin, daß Zimmer auf dem adidas-Stand mit den Alt-Internationalen Uwe Seeler und Paul Breitner öffentlich die quälende Frage erörtert, ob der Hamburger Felix Magath nun nach Mexiko soll oder nicht.
Zu den zahlreichen adidas-Freunden zählt auch Bernd Heller, der mit dem samstäglichen ZDF-Sport-Studio öfter eine der populärsten Fernsehsendungen moderieren darf. Der ehemalige Stabhochspringer nutzt seine Popularität auch in Herzogenaurach. Als adidas zum Marketing-Unternehmen des Jahres 1985 gewählt wurde, moderierte Heller die Feierlichkeiten im Firmen-Hemd.
Eng liiert mit dem Hause adidas ist auch Karl-Heinz Huba aus München, der mit dem Branchendienst »sport intern« als Meinungsmacher in der Sportszene fungiert. Bei Huba kann man lesen, wann welcher Funktionär irgendwo der Welt gerade gekippt oder befördert worden ist. Dassler versorgt Huba mit exklusiven Informationen und kauft ihm zugleich einen stattlichen Teil seiner Auflage ab, um den Dienst weltweit unter seine Familie zu verteilen.
Daß Horst Dassler und seine Firma im globalen Sportgeschäft den Rhythmus des Gebens und Nehmens bestimmen, beruht auf einem einzigartigen System. Seit mehr als 30 Jahren betreibt der adidas-Clan Werbung im Sport, obwohl dies offiziell bis vor wenigen Jahren höchst verpönt war.
Der langjährige amerikanische IOC-Präsident Avery Brundage, der überaus penibel auf die reine olympische Lehre achtete, spazierte noch 1972 mit Argusaugen in München durch das olympische Dorf und beschlagnahmte bei den Athleten jene praktischen Tragetaschen mit dem Lufthansa-Schriftzug. An den allgegenwärtigen drei Streifen der Herzogenauracher blickte er vorbei.
Während der kürzlich ausgetragenen Eishockey-Weltmeisterschaft in Moskau wehrten sich die russischen Gastgeber zunächst vehement dagegen, daß die Photofirma Agfa auf Grund eines Vertrages mit dem Internationalen Eishockey-Verband gegen ein paar hunderttausend Dollar ihren Namen an die Ärmel der Spieler heftete. Daß die Sowjets wie manche andere Teams schon seit Jahren in den drei Streifen über das Eis kurven, stand nicht zur Debatte.
Warum auch: Horst Dassler ist mit Moskaus Sportminister Marat Gramow bestens bekannt. Bei Reisen in die Sowjet-Union darf er geschwind wie ein hochgestellter Diplomat alle Zollschranken passieren - adidas gehört eben dazu wie die Sonne zur Erde.
Seit Horst Dasslers Vater Adolf, genannt Adi, vor 32 Jahren der deutschen Fußballmannschaft bei der Weltmeisterschaft in der Schweiz die Stollen unter die Schuhe schraubte, hat adidas den Nimbus, stets Gutes zu tun. Adi Dassler, der Gründer von adidas, war der »Schuster der Nation«, der Uwe Seelers zusammengeflickte Achillessehne in einen Spezialschuh packte und damit »unseren Jungs« zur Weltmeisterschaftsteilnahme 1966 in England verhalf.
Daß dabei, ganz nebenbei, über die Jahre ein Welt-Konzern entstand, erscheint in der Sportszenerie gewissermaßen als Gotteslohn für die freigebigen Herzogenauracher. Daß inzwischen »die multinationale adidas-Gruppe mit den kommerziellen und organisatorischen Angelegenheiten des Welt-Sports einzigartig verquickt ist«, wie der britische Ex-Sportminister Denis Howell in einer Untersuchung moniert, erregt nur Puristen oder neidische Konkurrenten.
Schuster Adi und seine geschäftstüchtige Frau Käthe, die allerorten Katharina die Große genannt wurde, wären kaum an die Spitze gelangt ohne ihren tatkräftigen Sohn. Schon im Alter von 19 Jahren legte Horst Dassler, dem der Münchner Graphologe Kurt-Ingolf Meyer neben »kräftiger Ichhaftigkeit« und »begrenzter Gemütsfähigkeit« einen »Schuß Genialität« bescheinigt, eine eindrucksvolle Talentprobe ab.
Zu den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne reiste Dassler mit einer reichhaltigen adidas-Kollektion an. Er plauderte mit Funktionären und verteilte
kostenlos Schuhe unter die Athleten, die natürlich ganz begeistert von dem freundlichen und freigebigen jungen Mann waren.
Noch bemerkenswertere Dinge freilich taten sich außerhalb des olympischen Dorfs. Wie die adidas-Dasslers war nämlich auch der verfeindete Familienzweig der Puma-Dasslers auf die Idee gekommen, sein Schuhzeug unter die Olympia-Kämpfer aus aller Welt zu streuen.
Doch die Puma-Besitzer waren den Verwandten von der anderen Seite des fränkischen Aurach-Flüßchens schon damals nicht gewachsen. Die Puma-Ausrüstung dümpelte im Hafen von Melbourne im Laderaum eines Schiffes. Die örtlichen Hafenbehörden machten aus rätselhaften Gründen bürokratische Schwierigkeiten und entluden die Puma-Schuhe, wie Horst Dassler später voll diebischer Freude erzählte, erst nach dem Ende der Spiele.
Mit dem genial-einfachen Gedanken, Amateure, die nicht werben durften, zu Werbeträgern umzugestalten, kamen die adidas-Streifen weltweit ins Fernsehen und die Firma ins Geschäft. So preiswert freilich wie in Melbourne ging es künftig nicht mehr.
Vier Jahre später in Rom verlangten die Athleten neben der Ausrüstung gleich noch eine Urlaubsreise oder Flugtickets für Verwandte. Und 1964 in Tokio stapelten sich a la Flick »Geldumschläge in der Cafeteria des olympischen Dorfes«, wie die französische Zeitung »Liberation« schrieb. »Eines Tages begannen Konkurrenten von uns«, sagt Horst Dassler, gemünzt auf die Puma-Verwandtschaft, »Geld zu bezahlen.«
Wer von beiden anfing, wird sich wohl schwerlich klären lassen. Als die Athleten 1968 in Mexiko zwischen Puma- und adidas-Abgesandten hin- und hereilten, um den Preis hochzutreiben, schien dem altgedienten holländischen Sportfunktionär Adriaan Paulen nur noch ein Ausweg möglich: »Ruhe wird erst sein, wenn die Brüder Dassler nach Sibirien verbannt werden.«
Daraus wurde nichts. Statt dessen kam Horst Dassler auf eine Idee, mit der er die Puma-Verwandtschaft auf überzeugende Weise abhängte. Er kaufte bald nicht mehr nur einzelne Sportler ein, sondern ganze Sport-Fachverbände und Ländermannschaften. Der zielstrebige Franke konzentrierte sich fortan auf die Sportfunktionäre. Statt »die Sache im Umkleideraum auszufechten«, wie sein Ex-Kompagnon Nally sagt, verlegte Dassler sein Aktionsfeld nun in Hotel-Suiten und seine gastfreundliche »Auberge du Kochersberg« im Elsaß.
Nach Frankreich hatte es ihn Jahre vorher gezogen. Eingeklemmt zwischen
seine vier Schwestern und die geschäftsführenden Eltern, war Dassler nach Landersheim gegangen und hatte dort adidas France aufgebaut.
Die Geschichte von Horst Dassler in Frankreich trägt märchenhafte Züge. Einerseits errichtet der Aufsteiger 300 Kilometer von zu Hause ein Imperium, das in seinen internationalen Verflechtungen beim Tode des Vaters größer ist als die Stammfirma in Herzogenaurach. Andererseits tarnt Dassler seinen Tätigkeitsdrang durch ständig neue Strohmänner, weil er fürchtet, daß seine Eltern das waghalsige Spiel verbieten.
Nach und nach legt er sich eine stattliche Reihe von Firmenbeteiligungen zu: den inzwischen größten Hersteller von Badeanzügen und -hosen für Schwimmsportler, Arena; den US-Sportschuh-Konkurrenten Pony; die französischen Freizeit- und Sportmodefirmen Le Coq Sportif und Facconable. Zunächst murmeln nur Insider, daß alles zum Dassler-Reich gehört.
Die Fäden laufen in der Schweiz zusammen. Dort steht Dasslers Partner Andre Guelfi als Besitzer einer Dachgesellschaft in den Büchern.
Guelfi ist der Mann, der Dasslers Aufstieg finanziert. Es läßt sich vorstellen, daß Vater Adi, dem Schuster, diese Partnerschaft mißfallen hätte.
Schon 1973 erscheint in Paris unter dem Titel »D wie Droge« ein Buch des französischen Journalisten und Schriftstellers Alain Jaubert. Unter dem Untertitel »Die französische Mafia« führt Jaubert die seltsamen wie ertragreichen Geschäfte einer Crew von rechtsgerichteten Geschäftsleuten vor. Guelfi, einst in Algier für den gaullistischen Geheimdienst tätig, gehört laut Jaubert dazu.
Neben Guelfi ist es vor allem ein ganz anders gearteter quicklebendiger Brite, der Horst Dassler ungewollt beim Aufstieg zum Herrscher im Weltsport hilft: Patrick Nally, ein Werbefachmann aus London.
Nally verkauft großen Firmen wie Coca-Cola Werbekonzepte, um deren Produkte mit dem jugendlich-erfolgreichen Image großer Sportereignisse zu koppeln und damit besser zu verkaufen. Er ist Mitte der siebziger Jahre mit dem Welt-Fußballverband Fifa ins Geschäft gekommen. Dem gerade frisch gewählten Präsidenten Joao Havelange sind die Coke-Dollar-Millionen hoch willkommen. Er braucht das Geld, um den Fußball in der Dritten Welt zu fördern. Nur mit den Stimmen der jungen Fußballnationen und allerlei Versprechungen hat Havelange den Briten Sir Stanley Rous vom Fifa-Chefstuhl kippen können.
Die Konstellation ist ganz nach Horst Dasslers Geschmack. Mit Havelange kann er ohnehin gut. Die Länder aus der Dritten Welt, die den Brasilianer gewählt haben, gehören fast ausnahmslos zur Drei-Streifen-Familie. Daß mit Patrick Nally nun auch noch die Verbindung zu wohlhabenden Multis zu knüpfen ist, kann der Mehrung des Familien-Silbers nur zuträglich sein.
1977 gründen Nally und Dassler im diskreten und steuerfreundlichen Monaco eine Firma, die fortan vor allem die Bandenwerbung großer Sportereignisse verkaufen soll. Horst Dassler hat sein zweites finanzielles Bein gefunden. Künftig wird der Herr über die Streifen auch Werbung verkaufen.
Das ist, wie sich bald zeigen wird, ein erstklassiges Geschäft. Denn weltweit machen sich die großen Firmen Sorgen um ihre Werbestrategien. Die herkömmliche Fernseh-Werbung vergrätzt die Zuschauer. In Ländern wie der Bundesrepublik, wo die Werbung den Betrachtern en bloc präsentiert wird, sacken die Zuschauerzahlen drastisch ab, wenn die Mainzelmännchen kommen.
Mit der um sich greifenden Fernbedienung können auch Amerikas TV-Seher den Werbeeinblendungen entgehen. Unter den Werbefachleuten wird »zapping« zum Schreckenswort: Die Zuschauer drücken einfach einen anderen Kanal, wenn die Sendung durch einen Werbespot unterbrochen wird.
Die Reklame-Strategen finden natürlich einen Ausweg: Die Werbung muß direkt ins Programm. Dafür eignet sich aber nichts so gut wie Sportveranstaltungen, die dann auch noch weltweit übertragen werden.
Horst Dassler ist der Igel, der den hechelnden Hasen schon erwartet.
Das erste Millionen-Dollar-Geschäft landen Dassler und Nally bei der Fußball-WM 1978 in Argentinien. Die Freude wird lediglich etwas beeinträchtigt, als später französische Steuerfahnder herausfinden, daß die beiden Partner ihren _(Oben: mit Fußball-Bundestrainer Sepp ) _(Herberger und ) _(Nationalmannschafts-Kapitän Fritz Walter ) _(nach Gewinn der Fußball-WM in Bern; ) _(unten: mit dem US-amerikanischen ) _(Hochsprung-Olympiasieger Charles Dumas, ) _(dem Australier Charles Porter (l.) und ) _(dem Russen Igor Katschkarow. )
Gewinn quer über den Globus durch ein paar Briefkastenfirmen geschleust haben, um störenden Steuer- und Devisenbestimmungen zu entgehen.
Den nächsten Coup bereiten die beiden zunächst noch gemeinsam vor. Auf dem Plan steht die Vermarktung der Fußball-WM 1982. Zwei Hindernisse gilt es zu überwinden: Zum einen muß der Welt-Fußballverband den beiden die Rechte geben; zum anderen müssen 36 Millionen Schweizer Franken her, die der Gastgeber Spanien verlangt.
Dassler besucht Havelange in Rio und kommt mit einer guten Botschaft nach Landersheim zurück, wo Nally auf ihn wartet: Würde man den Brasilianer mit einer Million Dollar schmieren, wären die Rechte zu bekommen. Daß die Million geflossen ist, bestreitet Havelange später heftig. Fest steht, daß die Million in die Finanzrechnung übernommen wird und daß die Vermarktungsrechte an Dassler gehen.
Die zweite Hürde mit den 36 Millionen Franken scheint schwerer zu nehmen. So flüssig ist Dassler nicht und Nally schon gar nicht. Da macht eine glänzende Idee die Runde. Sind nicht in der Bundesrepublik gerade Abschreibungsmodelle aller Art in Mode?
Mit Hilfe eines Schweizer Treuhänders gründen Dassler und Nally rasch eine neue Firma. Die Rofa, wie die bald aufblühende Unternehmung heißt, weist für den Eingeweihten auf zwei frische Teilhaber hin. Ro steht für Robert und fa für Franz.
Franz Beckenbauer, dem Hause adidas quasi lebenslänglich verbunden, und sein Manager Robert Schwan leisten Hilfestellung. Wenn nämlich in der Bundesrepublik bei Zahnärzten und Hausfrauen die Abschreibungs-Millionen lockergemacht werden sollen, kann der Siegercharme von Kaiser Franz nur von Nutzen sein.
Unglücklicherweise geraten die kreativen Unternehmer an ein Finanzamt, das die Vermarktung einer Fußball-WM steuerlich nicht begünstigen will. Doch letztlich gelingt das Spanien-Geschäft. Schwan und Beckenbauer steigen zwar wieder aus. Aber mit Hilfe von Coca-Cola und anderen Firmen bringt Dassler die 36 Millionen Franken zusammen. Mit dem Geld kann auch der eitle Havelange seine höfischen Zeremoniells besser abhalten. Zur WM 1978 hatte er nach Buenos Aires nur 40 Freunde mitnehmen können. Als die Fifa ihr 75jähriges Jubiläum in Zürich feiert, meldet er auf einer Liste die Ankunft von 120 Companheros. Am Ende werden es nur 70. Aber der Welt-Fußballverband lädt die Havelange-Kamarilla zu Hotel und Schweizer Uhr ein.
Dassler und seiner Rofa gelingt es, auch die Vermarktung der diesjährigen Fußball-WM in Mexiko zu übernehmen, obwohl sich der adidas-Chef mit seinem fachkundigen Kompagnon Patrick Nally verkracht. Der Brite verläßt die adidas-Familie ebenso wie Andre Guelfi, der Finanzier der frühen Jahre: Horst Dassler weiß jetzt allein, wie es geht.
Dies jedenfalls beweist eindrucksvoll das Geschäft um die Mexiko-WM. 45 Millionen Schweizer Franken garantierte Dasslers Rofa für die Erlaubnis zur Vermarktung an Havelanges Fifa. Für insgesamt über 200 Millionen Franken verkaufte Dassler dann die Rechte an zwölf multinationale Firmen weiter. Dafür dürfen die Unternehmen, darunter Opel, ihre Namen auf den Banden der zwölf mexikanischen Stadien ausstellen und sich »offizieller Sponsor« nennen.
Da Horst Dassler für Geschäfte dieser Art schon sehr viele adidas-Schuhe verkaufen müßte, leuchtet ein, daß ein Großteil seiner Arbeitskraft inzwischen für die Pflege der Sportfunktionäre und die Sportpolitik draufgeht.
Anfang der achtziger Jahre, als Dasslers Fußball-Geschäfte gerade in Schwung kamen, winkt dem tüchtigen Franken auch noch das Glück: An die Spitze der olympischen Bewegung gerät
im Sommer 1980 ein Mann, der alle Voraussetzungen für eine flexible Geschäftspartnerschaft mit sich bringt: Juan Antonio Samaranch versteht das Olympia-Motto (citius, altius, fortius) als Aufforderung, schneller, höher und kräftiger Geld in den Sport zu pumpen.
Der Spanier hat einen wechselvollen Lebenslauf hinter sich, der ihn als trefflichen Diplomaten ausweist. 1920 in Barcelona geboren, vertrat er im spanischen Bürgerkrieg zunächst die republikanische Sache. Als freilich der Generalissimus Franco gewinnt, ist er auf der Seite des Siegers zu finden und steigt in hohe staatliche Ämter auf. Kaum ist der Diktator tot, präsentiert sich Samaranch als tadelloser Demokrat und wird spanischer Botschafter in Moskau.
Als drei Jahre später, während der Olympischen Spiele 1980 in Moskau, ein neuer IOC-Präsident gewählt wird, kommt Samaranch an das Ziel seiner Wünsche.
Im Hotel Moskwa herrscht eine hektisch-aufgeregte Stimmung. Um die Nachfolge des Iren Lord Michael Killanin bewerben sich neben Samaranch vor allem der Schweizer Skifunktionär Marc Hodler und der deutsche NOK-Präsident Willi Daume. Dessen Chancen freilich werden schlecht eingeschätzt, weil die Deutschen die Olympischen Spiele boykottieren.
In der Suite des Fifa-Chefs Havelange, der schon seit 1963 IOC-Mitglied ist, gehen die Vertreter wankelmütiger Nationen ein und aus. Auch Dassler pflegt regen Gedankenaustausch. Am Ende wird Samaranch zur allgemeinen Überraschung im ersten Wahlgang gekürt.
Dassler bestreitet, dem Spanier bei seiner Wahl geholfen zu haben. Doch vor allem Monique Berlioux, die IOC-Direktorin, die von Samaranch kurze Zeit später gegen eine siebenstellige Abfindungssumme ausgebootet wird, ist sich ganz sicher, daß auch Dasslers Unterstützung den Spanier Samaranch an die Spitze der olympischen Bewegung beförderte.
Der Ire Killanin läßt später zu den Moskauer Ereignissen einen düsteren Satz fallen, bevor er sich in seine Heimat zum geliebten Whiskey zurückzieht: »Ich war der Überzeugung, daß der Posten des IOC-Präsidenten nicht käuflich sein sollte.«
Mit der Wahl des Spaniers begann im olympischen Sport eine neue Zeit. Das IOC änderte bald seine Regularien in wichtigen Punkten. Samaranchs Lausanner Zentrale nimmt inzwischen statt einer »angemessenen« eine »führende« Rolle gegenüber den nationalen Sportorganisationen ein. Viel wichtiger noch: Künftig dürfen, mit kleinen Einschränkungen, Profis an den Spielen teilnehmen.
Altgediente Funktionäre wie der Deutsche Willi Daume geraten durch den vorwärtspreschenden Spanier in eine ungemütliche Situation. Einerseits gefällt es ihnen, daß auch westliche Sportler Geld für ihren Beruf bekommen und damit der Goldmedaillen-Schwall der kommunistischen Staatsamateure eingedämmt werden könnte. Andererseits betreibt _(Nach ihrer Freilassung aus israelischer ) _(Haft im August 1985. )
Samaranch sein Dollar-Geschäft mit einem Machtanspruch und einer fürstlichen Prachtentfaltung, daß der alten Garde all ihre hehren Grundsätze verrutschen: Daß Dabeisein womöglich wichtiger ist als Siegen, wie einst der Olympia-Vater Pierre de Coubertin verlangt hatte, muß Leuten wie Samaranch, Havelange und ihrem Mitstreiter Dassler als reine Satire erscheinen.
Wenn Samaranch auf einem IOC-Kongreß in Baden-Baden für die paar hundert Meter zwischen Hotel und Kongreßhalle den Mercedes 500 anrollen läßt, erinnern sich die alten Recken daran, daß sie den Weg früher im Laufschritt, gewissermaßen Arm in Arm, geschafft haben. Wenn der Spanier fast nur noch im Privatjet reist und jährlich einen Etat von 1,5 Millionen Schweizer Franken verpulvert, erinnern sie sich wehmütig an den amerikanischen Bau-Millionär Avery Brundage, der genug Geld hatte, alles selbst zu bezahlen.
Doch Samaranch gibt nicht nur aus, er schafft vor allem an. Der ergiebigste Geldquell für das IOC und seine Mitgliedsstaaten und -verbände sind stets die Fernsehrechte der Olympiade. Der Trend seit 1972 zeigt, wie üppig sich der Geldfluß vermehrte. Für nur 7,5 Millionen Dollar gingen die Fernsehrechte für München weg. Die US-Fernsehgesellschaft ABC will allein für die Winterspiele 1988 in Calgary über 300 Millionen Dollar bezahlen.
Weiteres Geld verspricht den Olympia-Funktionären im Frühjahr des Jahres 1983 die Zusammenarbeit mit einem aufblühenden, jungen Unternehmen. Die ISL Marketing AG mit Sitz in Luzern ist zwar e rst wenige Monate zuvor gegründet worden. Auch scheint das Kapital von gerade zwei Millionen Schweizer Franken nicht eben dazu angetan, mit der feinsten Sportorganisation der Welt ins Geschäft zu kommen. Aber die Firma hat einen unschätzbaren Vorteil: Sie gehört zur Mehrheit der Familie Dassler, und ihr Chef Klaus Hempel ist der langjährige Sekretär von Horst, dem Familienoberhaupt.
So hat nun auch Juan Antonio Samaranch, der wichtigste Sportfunktionär der Erde, offiziell zur Familie gefunden. Mit Hilfe der jüngsten Dassler-Firma, die den Auftrag unter Ausschluß der Öffentlichkeit zugeschanzt bekam, sollen nun die olympischen Ringe quer über den Globus vermarktet werden.
Um die etwas perplexe olympische Szenerie ruhigzustellen, ließen die beiden Freunde zunächst verbreiten, das Geschäft mit den nächsten Sommerspielen in Seoul werde dem olympischen Sport 300 Millionen Dollar einbringen. Dann, als sich die erste Aufregung gelegt hatte, war nur noch von 200 Millionen Dollar die Rede. In einzelnen Ländern nämlich wehrten sich heimische Firmen und Nationale Olympische Komitees gegen den Durchmarsch des spanisch-fränkischen Duos. Obwohl Samaranch höchstpersönlich noch einen werbenden Brief für seinen Geschäftspartner schrieb, ist derzeit unklar, wieviel Geld Dasslers Schweizer Ableger aus den Spielen 1988 in Seoul herausdrücken wird.
Die Nervosität des IOC-Präsidenten, der seinem Freund in Herzogenaurach inzwischen schon den Olympischen Orden um den Hals gehängt hat, belegt eine Episode aus dem vergangenen Sommer. Als der Saarländische Rundfunk über »Coubertins Erben« eine moderatkritische
Sendung ausstrahlte, tobte Samaranch über die unbotmäßigen Deutschen.
Daß in einem Land, das sich mit Berchtesgaden um die Olympischen Winterspiele 1992 bewirbt, eine derartige Unfreundlichkeit passieren konnte, wollte nicht in den diplomatisch geschulten Kopf des Spaniers. Freund Dassler beeilte sich denn auch gleich, dem Intendanten des Saarländischen Rundfunks, Hubert Rohde, einen mahnenden Brief zu schreiben.
Wie eng die Verbindungen zwischen Dassler und dem IOC sind, zeigen weitere Peinlichkeiten: Mindestens drei IOC-Funktionäre sind auch für das Haus adidas tätig. Der Fechter Thomas Bach vertritt die Sportler im IOC und ist zugleich PR-Mann in Herzogenaurach. Der Tunesier Hassine Hamouda ist Chefredakteur des adidas-Sprachrohrs »Champion d''Afrique« und außerdem Mitglied der IOC-Pressekommission.
Am verblüffendsten ist das Doppelspiel des Kanadiers Richard Pound. Der ehemalige Kraulschwimmer gehört zum IOC-Exekutivkomitee und wird sogar als möglicher Samaranch-Nachfolger gehandelt. Pound, inzwischen Rechtsanwalt, handelte für das IOC die Verträge mit Dasslers ISL-Satellitenfirma aus. Dessen ungeachtet vertritt Pounds Anwaltssozietät die Firma adidas.
Berthold Beitz, Krupp-Aufseher und IOC-Vizepräsident, mißfiel diese Interessenkollision. Dunkel drohte er, den Fall zu überprüfen. Vom SPIEGEL befragt, was die Überprüfung ergeben hätte, wollte er über den Fall nicht mehr reden.
In dem anachronistischen Reich des IOC, das Fidel Castro einst als »Mafia aus Grafen, Prinzen, Millionären und Weißen« bezeichnete, gäbe es gar keine Möglichkeit, Pound auszuschließen. Die inzwischen 90 Mitglieder, die nur den aufnehmen, der ihnen gefällt und nicht etwa Abgesandte jeder sporttreibenden Nation der Erde, haben sich eine skurrile Satzung gegeben. Wer einmal gewählt ist, darf bis zu seinem 75. Lebensjahr Mitglied bleiben. Kaufmann Dassler hat auf lange Sicht investiert.
Der englische Howell-Report war lediglich »beunruhigt über die enge Verbindung von Herrn Dassler und adidas mit der Fifa und dem IOC«.
Aus der Sportartikel-Branche klingt es weniger britisch-höflich. »Der hat bessere Beziehungen als die Mafia«, erregt sich Erwin Stricker, ein ehemaliger Südtiroler Skirennläufer, der heute sein Geld mit Public Relations verdient. »Das ist wie eine Diktatur«, sagt Bruno Beinder von der Skifirma Blizzard.
Möglich, daß dies die enttäuschten Kommentare der zu spät oder zu kurz gekommenen Konkurrenz sind. Fest steht, daß Horst Dassler mit seinem ungezügelten Machtanspruch auf den Widerstand einiger altvorderer Sportfunktionäre gestoßen ist. »Der will alles kontrollieren«, sagt der Schweizer Thomas Keller, der als Ruderer-Präsident über Jahrzehnte zu den wichtigsten Dirigenten im Amateur-Weltsport gehörte.
Doch es scheint, als ob Dassler diese Gefechte gewinnt. Keller hat resigniert und zieht sich derzeit von seinen diversen Ämtern zurück.
Dassler, der Profi, und mit ihm die Werbe-Millionen der Industrie haben den Sport innerhalb weniger Jahre unter Kontrolle genommen. Internationale Leichtathletik-Veranstaltungen, Olympische Spiele und Fußball-Weltmeisterschaften laufen nach der Regie der Industrie ab.
Und doch könnte es sein, daß Horst Dassler nur die Tür aufgemacht hat für jene, die zwar nicht ganz so clever und schnell, aber dafür mit dem ganz großen Geld ausgerüstet sind. So kaufmännisch-geschickt der Franke auch ist: Gemessen an Konzern-Giganten wie IBM, BASF, Opel oder Canon, sind die adidas-Schuhfabriken ein mürber Unterbau.
Für Multis dieser Güte wird der Sport mehr und mehr zum idealen Transportmittel ihrer werbenden Botschaften. Zum einen gewinnen die Leibesübungen ständig an Popularität in der Freizeit-Gesellschaft. Zum anderen bietet der Globus keine größeren Fernseh-Spektakel als Fußball-Weltmeisterschaften und Olympische Spiele.
Big Business könnte auf die Idee kommen, daß es das Geschäft besser allein macht - ohne den gewieften Schustersohn aus Herzogenaurach.
Nach der Verleihung des Olympischen Ordens an Dassler.Oben: mit Fußball-Bundestrainer Sepp Herberger undNationalmannschafts-Kapitän Fritz Walter nach Gewinn der Fußball-WMin Bern;unten: mit dem US-amerikanischen Hochsprung-Olympiasieger CharlesDumas, dem Australier Charles Porter (l.) und dem Russen IgorKatschkarow.Nach ihrer Freilassung aus israelischer Haft im August 1985.