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Hausmitteilung Datum: 10. Januar 1977 Blüm-Essay

aus DER SPIEGEL 3/1977

Eine neue Art von Klassenkampf konstatiert Norbert Blüm in dem Essay, den er für den SPIEGEL geschrieben hat ("Knappe Arbeit -- aber für alle«, Seite 28), »nämlich zwischen »Arbeitsbesitzern« und »Arbeitslosen"«. Mit Protesten gegen technischen Fortschritt sei er nicht zu lösen: »Die neuen Lehrmeister des Fortschrittverzichts sollten sich bei den mittelalterlichen Päpsten die Erfahrungen ... entleihen, um zu lernen, wie brüchig Denkverbote sind.«

Blüm, 41, MdB, »der wohl unbequemste Mann in der CDU« ("Die Welt"), weiss da Bescheid. Er erinnert sich, wie in seiner Lehrlingszeit bei Opel in Rüsselsheim ein vollautomatischer Maschinenzug installiert wurde, der die Arbeit einer grossen Zahl von Fräsern, Schleifern und Bohrern überflüssig machte und obendrein eigene Fehler selbst entdeckte: »Dass diese Transferstrasse aber Arbeitsplätze vernichtet hatte, darüber machten wir uns damals keine Gedanken.« Als Vorsitzender der Jugendvertretung setzte Blüm 1954 durch, dass die Opel-Lehrlinge Weihnachtsgeld bekamen. Sein damaliger Betriebsratsvorsitzender, der Sozialdemokrat Fritz Zschiesche, erinnert sich an den Lehrling Blüm: »Er war schon damals CDU-Anhänger. Das war sein einziger Fehler.« Blüm verliess Opel, weil er im Schichtdienst zuwenig Zeit fürs Lernen hatte, wurde Bauarbeiter, Bierfahrer, stempelte Säcke in Mainz, arbeitete im Strassenbau in Griechenland, bei einem Kunstschmied in der Türkei, machte sein Abitur und promovierte in Bonn bei »dem einzigen Philosophen, der behauptete, melken zu können« ("FAZ"), bei Vinzenz Rüfner.

Sechs Jahre lang war Blüm Hauptgeschäftsführer der Sozialausschüsse der CDU, seit 1974 ist er Landesvorsitzender der CDU-Sozialausschüsse in Rheinland-Pfalz, seit 1969 Mitglied des Bundesvorstands der CDU. Die nicht immer geschwisterlich argumentierende Schwester-Partei in Bayern betrachtet seine Aktivitäten mit viel Misstrauen, weil er für Mitbestimmung, für Verhandlungen mit der DDR und für die Verträge mit Warschau und Moskau plädierte. Blüm: »Die Gesellschaft lässt sich auch als allgemeines Irrenhaus organisieren.«

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