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Hausmitteilung Datum: 10. Juni 1968 Betr. Gegendarstellung

aus DER SPIEGEL 24/1968

Das Deutsche Fernsehen schaltete ab, als es laut wurde, und am nächsten Tag -- aber nicht nur am nächsten -- hatten die Zeitungen ihre Pointe. Rudolf Augstein, SPIEGEL-Herausgeber und einer der Redner beim Frankfurter Kongress »Demokratie im Notstand«, schlimmer noch, ein Mann, der -- so die »Welt« -- »Teile der ausserparlamentarischen Opposition am Anfang finanziell und publizistisch unterstützt« hat: an ihm erwies sich, »was die neue Linke unter Demokratie und Diskussion versteht: das Nichtanhörenwollen unerwünschter Meinungen« ("Christ und Welt"). Also:

»Augstein mundtot gemacht« ("Badisches Tagblatt")

»dann wurde Rudolf Augstein niedergestimmt« ("Frankfurter Neue Presse")

»... Augstein konnte nicht mehr weitersprechen« ("Rheinische Post")

»... wurde er durch monotones Händeklatschen vom Podium gezwungen« ("Vorwärts");

»Die Mehrheit beschloss, dass Rudolf Augstein nicht mehr weitersprechen dürfe« ("Schwäbische Zeitung")

»... klatschten sie (die Zuhörer) Augstein tot und beschlossen durch demokratische Abstimmung, der Redner möge seine Ausführungen beenden« ("Christ und Welt");

»... trieben Ho-Ho-Ho-Tschi-minh-Klatscher im Frankfurter Funkhaus den SPIEGEL-Herausgeber Rudolf Augstein vom Rednerpult« ("Frankfurter Rundschau"); »SPIEGEL-Herausgeber Rudolf Augstein wurde von SDS-Mitgliedern vom Diskussionspodium verjagt« ("Kölnische Rundschau");

»Durch rhythmisches Klatschen und Sprechchöre wie »Augstein »raus!« erzwangen die über 1000 Zuhörer im Sendesaal den Abbruch der Rede Augsteins« ("Hessische Allgemeine")

Das ist lustig zu hören, aber es ist -- die »Zeit«, sie wenigstens, hat es gemerkt-alles falsch. Als bei einer provokanten Passage im Hintergrund des Sendesaales Protest laut wurde, hatte Rudolf Augstein dem moderierenden Alexander Mitscherlich vorgeschlagen, er möge wegen der Fortsetzung abstimmen lassen. Professor Mitscherlich, zunächst: »Nein, aus Prinzip nicht«, dann aber, wörtlich: »Ich bitte um Abstimmung. Wer ist für das Beendigen der Rede von Herrn Augstein, der hebe die Hand, bitte. Eine überwältigende Mehrheit wünscht, dass Herr Augstein seine Rede beendet.« Das »Beenden« war so gemeint, wie es von den Teilnehmern auch verstanden worden ist, im Sinne von ausreden lassen nämlich. Die SDS-Studenten, die Minderheit, hoben nicht die Hand.

Mitscherlich, dem Direktor des Sigmund-Freud-Instituts, seine doppeldeutige Formulierung als Fehlleistung anzulasten, wäre sicherlich so etwas wie psychoanalytische Häresie. Der Saal jedenfalls verstand, was die »überwältigende Mehrheit« ja auch gefordert hatte: Augstein sprach noch länger als zwei Minuten weiter (siehe Seite 34) -- die Redezeit für alle zwanzig Vortragenden war auf fünf Minuten begrenzt.

Stimmt es wohl, was in der »Frankfurter Neuen Presse« zu lesen war: »Jetzt hat Rudolf Augstein erlebt, wie das ist, wenn man in die Messer des Terrors läuft.«

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