Hausmitteilung Datum: 12. April 1965 Dr. H. G. Alexander
Datum: 12. April 1965 Betr.: Dr. H. G. Alexander
Im Herbst vergangenen Jahres schlug der Londoner Korrespondent des SPIEGEL, Dr. H. G. Alexander, der Kultur-Redaktion vor, doch auch mal einen englischen Politiker um eine der Literatur-Kolumnen zu bitten, die allwöchentlich von zumeist prominenten Leuten für das Blatt geschrieben werden - er denke zum Beispiel an den Labour-Politiker Patrick Gordon Walker, den ehemaligen Oxford-Geschichtsdozenten, der blendend deutsch spreche. Der Vorschlag kam scheinbar zu spät: Gordon Walker war schon in den Wahlkampf aufgebrochen, der seiner Partei einen knappen Sieg und ihm die Leitung des Foreign Office einbrachte. Tatsächlich kam Dr. Alexanders Vorschlag etwas zu früh: drei Monate später verlor Gordon Walker die Nachwahl; am nächsten Tag war er zurückgetreten. »Mit Vergnügen« akzeptierte er den Vorschlag, über ein neues Buch des Historikers Toynbee zu schreiben, liess sich, obwohl er die Originalfassung kannte, noch die deutsche Ausgabe schicken und lieferte zwei Wochen später, in untadelig lesbarer Handschrift, seine Kritik ab (siehe Seite 133), bevor er nun in offizieller Mission nach Südostasien aufbricht, den Frieden für Vietnam zu suchen.
Auf solche Weise dem Land, in dem sie arbeiten, bei deutschen Lesern Gehör zu verschaffen, zähle zu den angenehmsten Pflichten der Auslandskorrespondenten, sagt Dr. Alexander, der es wohl wissen muss: Dr. jur. H(einz) G(ustav) Alexander, als 51jähriger eines der ältesten Mitglieder der Redaktion, ist zweifellos unter allen Auslandskorrespondenten des SPIEGEL derjenige, der am längsten an seinem Platz arbeitet. Alexander, seit 1939 in London, vertritt das Blatt in England seit 1948. Er hat sich deutschen Lesern auch als Buchautor vorgestellt ("Zwischen Bonn und London«, 1959), ist Mitglied des Pen-Clubs und in London Vorstandsmitglied des Vereins der Auslandspresse.
Als SPIEGEL-Korrespondent versorgt er die Hamburger Zentrale mit Beiträgen und Informationen, zu seinem Operationsgebiet gehören das Edinburgh-Festival und eine Sotheby-Auktion ebenso wie der Buckingham-Palast, das Unterhaus und die Börse. Dr. Alexander treibt für die Bildredaktion Photos auf, die nur in London zu haben sind, er redet der Hohlspiegel-Redaktion aus, dass an den Beichtstühlen einer englischen Provinzkirche Grünlicht aufleuchte, wenn sie frei sind, er referiert vor der Universität Oxford über den Zustand der Pressefreiheit in Deutschland und gibt freie Minuten für den Dienst an SPIEGEL-Lesern her, die etwa die Übersetzung ganzer SPIEGEL-Serien erbitten oder wissen wollen, warum ihre Tochter, die als Au-pair-Mädchen in einen Londoner Haushalt gegangen ist, seit vier Wochen nicht mehr geschrieben habe. Ein SPIEGEL-Leser erbat »zu Studienzwecken« die Adresse eines englischen Nazis, ein anderer zur Ausschmückung seiner Bar ein delikates Plakat, ein dritter fragte, wieviel Pfeifentabak Harold Wilson wöchentlich verbrauche (Antwort: 50 Gramm). Dr. Alexander sähe es nicht gern, wenn publik würde, dass er (fast) alle Wünsche erfüllte. Nur englische Abonnementsbestellungen kann er nicht erledigen, aber duldsam gibt er sie weiter an die Firma, die den Vertrieb des SPIEGEL in England übernommen hat: Seymour-Press Ltd;, 334, Brixton Road, London SW 9.
Alexander