Zur Ausgabe
Artikel 2 / 65

Hausmitteilung Datum: 16. November 1964 Betr. : Meinungen

aus DER SPIEGEL 47/1964

Datum: 16. November 1964

Betr. : Meinungen

Am SPIEGEL wird nach den Feststellungen des Sachwalters der Publizistik Dr. Martin Löffler kritisiert, er habe »in den 16 Jahren seiner Existenz noch nicht erkennen lassen, was denn nach Meinung des Herausgebers und der Redaktion richtig und lebenswert sei. Kurz: Der SPIEGEL betreibe systematisch Drückebergerei«. Löffler: »Die Kritiker haben recht.«

Für den Werbeleiter des SPIEGEL, der als ehemaliger SPIEGEL-Redakteur aus erster Hand die ständige intensive Kommunikation des Herausgebers zur Bildung und Veröffentlichung seiner politischen Meinung kennt, war das Urteil Löfflers ein erstaunliches Fehlurteil und zugleich ein Berufsauftrag. Um die überschattete Stelle im Image des SPIEGEL aufzuhellen, brachte

er einen Vortrag Augsteins zum Thema »Opposition heute«, samt Niederschrift der anschliessenden Diskussion, in zehntausend Broschüren unter die Leute. In Zeitungsanzeigen gab er Proben der vorgetragenen Meinung Augsteins und kündigte an, dass die Schrift gegen Schutzgebühr von einer Mark beim SPIEGEL-Verlag bezogen werden könne. Nicht weniger als 2300 Interessenten forderten die Broschüre an, obwohl die hauptsächlich interessierte Schicht der Parlamentarier und Publizisten sie bereits mit direkter Post erhalten hatte.

Von Augsteins Kommentar »Wege zu einer neuen Politik« in SPIEGEL 39/1964 lässt die Werbeabteilung eine Million Sonderdrucke den Fachzeitschriften der akademischen Berufe, aber auch meinungsbildenden Publikumsblättern beilegen. Bereits drei Tage nach Verbreitung der ersten Beilagen im Sonntagsblatt« wurde die Reserve von 11 000 Exemplaren durch 2000 Nachforderungen geschmälert. Lehrkräfte, Pastoren, studentische Arbeitskreise und Jugendgruppen forderten Exemplare für Unterrichts- und Diskussionszwecke an. Zu ungefähr gleicher Zeit erschienen zwei Meinungsbände Augsteins in Buchform. Der List-Verlag brachte unter dem Titel »Spiegelungen« Augsteins politische Kommentare aus den letzten zehn Jahren SPIEGEL-Arbeit gesammelt heraus. Rezensent Ansgar Skriver sprach von einem Beweis, »dass (Augstein) in 80 Prozent seiner für den Tag oder die Woche niedergeschriebenen Überlegungen recht hatte«. In England erschien als Buch Augsteins Analyse über Adenauer und dessen Politik, im SPIEGEL zum Rücktritt Adenauers vom Amt des Bundeskanzlers veröffentlicht. Unter den englischen Zeitungen, die das Buch besprachen, fehlte der bedeutende »Guardian« nicht. »Ebenso wie sein Magazin, das als einzige wirkliche Opposition Westdeutschlands bezeichnet wurde«, so schreibt der Rezensent, »ist Augstein unfähig, zu langweilen.«

Die SPIEGEL-Werbeabteilung hat sich jetzt der Untersuchung zugewandt, welchen Einfluss verheiratete Männer auf den Haushaltseinkauf ausüben. Dass Augstein sich drücke, seine Meinung zu bekennen, wird nach ihrer Ansicht niemand wieder schreiben.

Zur Ausgabe
Artikel 2 / 65
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren