Hausmitteilung Datum: 16. November 1970 Betr. Strauss
Vor seinem kleinen Wahlsieg in Bayern hat der Vorsitzende der Christlich-Sozialen Union, Franz Josef Strauss, eine kleine gerichtliche Niederlage hinnehmen müssen. Das Amtsgericht München hat »in der Strafsache gegen Augstein Rudolf, Verleger ... wegen Beleidigung« gegen den »Privatkläger Dr. h. c. Strauss Franz Josef, Oberregierungsrat a. D.« erlassen: Es ging um die alte, inzwischen vom Bundesgerichtshof zugunsten -- zugunsten? -- von Strauss entschiedene Sache: Er hatte sich durch einige Artikel von Rudolf Augstein aus dem Jahre 1964, »Unheilbar gesund?« (SPIEGEL 14/1964), »Wenn das Volk ruft« (21/1964) und »Der (fast) unaufhaltsame Aufstieg des Franticek Ui« (42/1964), beleidigt gefühlt. Die Entscheidung der Privatklage war mit Zustimmung beider Parteien bis zur Erledigung der anderen Sache, die auf Widerruf und Schadenersatz zielt, zurückgestellt worden. Aus dem Beschluss: »In der Folgezeit wurden am 19.1.1965,
8.4.1965, 19.8.1965, 22.9.1965, 10.12.1965, 29.12. 1965, 11.2.1968, 26.4.1966, 17.8.1966, 15.10.1966, 22.12.1966, 5.5.1967, 6.10.1967, 5.4.1968, 4.10.1968, 5.11.1968, 28.11.1968, 17.12.1968, 19.5. 1969,1.7. 1969, 15.10.1969, 6.3.1970, 11.5.1970 und am 8.7.1970 richterliche Verfügungen getroffen, meist mit dem Inhalt, die Akten des Landgerichts München I 18 0 680/64 beizuziehen.«
Aus der nun erlassenen Begründung: Die Privatklage sei zurückzuweisen gewesen, »da eine Verurteilung des Beschuldigten unwahrscheinlich ist. Die Strafverfolgung des Beschuldigten ist auf alle Fälle verjährt«. Amtsgerichtsrat Dr. Brunschlik: »Nach der neueren Rechtsprechung muss ... die richterliche Verfügung, um die Unterbrechungswirkung auszulösen, dazu bestimmt sein, das Verfahren zu fördern ... Dieses Ziel würde vereitelt werden, wenn eine die Verjährung unterbrechende Wirkung Scheinmassnahmen, willkürlichen und überflüssigen Massnahmen ohne Förderungszweck zuerkannt würde.« Er sieht die von ihm zitierten, nicht weniger als vier- undzwanzig richterlichen Verfügungen offenbar eher als Massnahmen an, die eine Verjährung nur verhindern sollten, ohne das Verfahren voranzutreiben: Überflüssige Massnahmen dienen nur der Umgehung der Verjährungsvorschriften und damit dem Ziel, die Möglichkeit der Strafverfolgung auf unbestimmte Zeit offenzuhalten.«
Nach Ansicht des Richters war die Sache »spätestens« am 18. Juli 1965 ohnehin erledigt, und »da nach allem eine Verurteilung des Beschuldigten unwahrscheinlich ist, war die Privatklage zurückzuweisen ...«