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Hausmitteilung Datum: 17. April 1972 7. Armee

aus DER SPIEGEL 17/1972

Schon im Dezember des vergangenen Jahres wusste es »Die Welt«. Unter der Überschrift »Zerrspiegel« -- wie denn

auch anders -- entlarvte sie: »Die SPIEGEL-Chefredaktion ordnete an, einen Bericht über die in der Bundesrepublik stationierte 7. amerikanische Armee vorzubereiten. Der Schwerpunkt der SPIEGEL-Recherchen liegt offensichtlich im Negativen ...« Und warum wohl? Das fragte sich auch »Die Welt«, und sie fragte ihre Leser, obwohl diese Bundesregierung »mit Hilfe einer SPIEGEL-Geschichte« den Abzug der amerikanischen Truppen aus der Bundesrepublik bewirken wolle: »Das ist das Traumziel der Sowjets. . Noch genauer wusste es der »Volksbote aus München, ein Wochenblatt, das, um ein mindestes zu sagen, der CSU nicht eben feindlich gesonnen ist. Seine Botschaft am

10. Dezember 1971: »Die Strategie für eine Unterhöhlung der Nato liegt fest ... In die Kategorie dieser Hilfestellung fällt das Vorhaben des SPIEGEL, eine grosse Serie über die amerikanische Armee in der Bundesrepublik zu bringen. Augstein hat sie persönlich angeordnet und überwacht den Verlauf der Recherchen.«

Wie wahr, wie wahr! Mit dieser Ausgabe wird also der SPIEGEL die Sowjets ihren Traumzielen ein Stück näher bringen. Im Heft steht (Seite 62) zwar nicht eine »grosse Serie«, wohl aber ein ausführlicher Report über die in der Bundesrepublik stationierte amerikanische 7. Armee, 185000 Soldaten, 140000 Familienangehörige und etwa 20 000 Zivilangestellte, die, wenn schon keinen Staat im befreundeten Staate, so doch eine Grossstadt der Bundesrepublik füllen könnten -- tatsächlich leben sie in einer Art Getto.

Fünf SPIEGEL-Redakteure haben sich einige Wochen lang in den Stäben, den Quartieren und den Wohnungen der

Armeeangehörigen umgesehen. Vom Bild der Sieger, die mit Camel-Päckchen oder Nescafé-Tütchen nach 1945 die Funktion von Weihnachtsmännern in Permanenz übernommen hatten, blieb in der Tat wenig. Zu finden waren eher mässig bezahlte, gelangweilte Amerikaner, die sich in einer

Umgebung explodierender Prosperität öfter nach Sinn und Zweck ihrer Präsenz fragen als ihre Gastgeber. Nahezu die Hälfte aller Deutschen wünscht zwar, dass die Amerikaner bei uns bleiben, aber es sind nur sehr wenige, die ihnen den Aufenthalt erträglich machen (und dann auch oft nur gegen Dollar).

Natürlich reflektiert der Zustand der für den Vietnam-Krieg immer und immer wieder »ausgeflöhten« 7. Armee alle Probleme der Vereinigten Staaten, die Rassendiskriminierung, Kriminalität, Drogen; in der Langeweile des Kasernendaseins womöglich potenziert. Aber seit dem Beginn eines Reformprogramms aus Washington, seit der Rückkehr vieler erfahrener Offiziere aus Vietnam beginnt bei den Amerikanern in Deutschland eine überfällige Renovierung, sie reicht bis zum Zustand der Waschbecken. Die SPIEGEL-Redakteure, die in den Garnisonen recherchiert haben, waren allesamt beeindruckt von der Offenheit, mit der die Amerikaner, auch die Kommandeure, ihre Probleme besprachen. Der Stempel mit dem Wortsecret wurde nicht benutzt.

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