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Hausmitteilung Datum: 20. August 1973 Moskau

aus DER SPIEGEL 34/1973

Aus Moskau harte Worte über den SPIEGEL, jüngst in der »Iswestija« -- »... versucht der SPIEGEL, einen Schatten auf den klaren Tag zu werfen« -, nun in der sowjetischen Intellektuellen-Zeitschrift »Sa rubeschom« (zu deutsch: Jenseits der Grenze): »Ein SPIEGEL wühlt im Mülleimer.«

Ursache der Schelte ist, dass im SPIEGEL (30 bis 33/1973) Ausschnitte aus dem Buch des sowjetischen Emigranten Leonid Wladimirow vorabgedruckt worden waren, aus denen sich ergibt, dass die gewaltige Propaganda-Anstrengung der Sowjet-Union, mit dem Sputnik und seinen Nachfolgern den Westen vor den Augen aller Welt auf einem, wenigstens auf einem Gebiet zu übertreffen, gescheitert ist. Zitate aus »Sa rubeschom": »Die Besitzer und die Redakteure der Hamburger Wochenzeitschrift SPIEGEL stellen gern ihr Kind als solide Informations-Zeitschrift dar Um das Renommee einer soliden Zeitschrift zu erhalten, ist es erforderlich, das Leben in verschiedenen geographischen Gebieten darzustellen. Es versteht sich, auch die Sowjet-Union bleibt nicht unerwähnt: In fast jeder Nummer steht über sie ein Artikel oder eine Information. Man könnte annehmen, dass es sich dabei um ein Bemühen handelt, den Leser persönlich zu informieren. Wenn man allerdings einige Artikel gelesen hat, gewinnt man den Eindruck, dass von Solidität keine Spur vorhanden ist .

»Der SPIEGEL hat sich in den letzten Nummern die Aufgabe gestellt (oder einen Auftrag erhalten?), eine antisowjetische Kampagne zu starten. Weil es schon seit langem keine Munition mehr gibt, greift er alles auf, was ihm unter die Finger kommt. Lamentierte beispielsweise der westdeutsche Schriftsteller Böll über die »Unterdrückung der Literaten in der Sowjet-Union. Der SPIEGEL machte daraufhin mit ihm gleich -- damit ihn nicht die 'Bild'-Zeitung überholt -- ein umfangreiches Interview ... »Nicht einmal Strauss käme dies gleich in den Kopf, was sich die Herausgeber und Redakteure in den letzten Nummern des SPIEGEL ausgedacht haben. Sie betrieben eine Politik, die sowjetischen Erfolge in der Erforschung des Kosmos mit Dreck zu bewerfen. Sie werfen aber nicht einfach nur mit Dreck, sondern versuchen, ihren Lesern dies als Bluff darzustellen. »Moskaus grosser Bluff', so betiteln sie eine neue Serie von Materialien, die in mehreren Fortsetzungen veröffentlicht werden. Den Autor fanden sie, wie zu erwarten war, im politischen Mülleimer. Er erschien ihnen als ein gewisser Wladimirow -- kein ehemaliger Journalist, kein Ingenieur, in jedem Fall ein Renegat, der vor acht Jahren in den Westen abgehauen ist. Seine »dreissig Silberlinge' beschloss er dadurch zu verdienen, dass er sein ehemaliges Vaterland beschmutzte.«

So reagiert nur, wer sich an einer besonders empfindlichen Stelle getroffen fühlt. Schimpfen erleichtert vielleicht, aber es überzeugt nicht.

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