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Hausmitteilung Datum: 21. November 1966 Betr: Hasen und Chinesen

aus DER SPIEGEL 48/1966

Datum: 21. November 1966

Betr: Hasen und Chinesen

»Bundes-Hase« nennt ihn Herbert Wehner, und wer wollte dem Pressesprecher der Bundesregierung verargen, dass er das Hasen-Panier ergreift, wenn nach peinlichen Informationen gehascht wird? Doch führt die Flucht dann nicht nach vorn. SPIEGEL Nr. 43/1966 meldete, entgegen offizieller Erklärung des Staatssekretärs von Hase sei dem Bundespräsidenten nicht einstimmig vom Kabinett empfohlen worden, dass er auf Prozesse wegen des Vorwurfs angeblicher Teilnahme an KZ-Bauten verzichten möge. Von dem Erforscher jüdischer Schicksale Dr. Lamm auf den Widerspruch hingewiesen, beharrte von Hase auf dem Schein des Rechts: Das Kabinett als Ganzes hatte ohne ausdrückliche Einschränkungen die Empfehlung gegeben, nachdem zuvor Widerspruch der Minister Bucher und Jaeger protokolliert worden war. Ein wenig spitzfindige Wahrheit war vielleicht auf seiten von Hases, die volle politische Wahrheit mit Sicherheit auf seiten des SPIEGEL. Schon dass die SPIEGEL-Meldung nicht der Wahrheit entspricht«, hätte von Hase nicht an Dr. Lamm schreiben sollen, doch wurde er ausserdem noch dreist: »Sie kennen selbst den Wert von Nachrichten-Magazinen. Wollten wir jede nicht zutreffende Meldung eines solchen Magazins dementieren oder richtigstellen, dann würde dies sehr viel Zeit beanspruchen. »Nun, man kennt den Wert von Dementier-Feldwebeln der Bundesregierung, doch sind ja Vorgänger von Hases dabei Gentlemen geblieben.

Eine Million Soldaten verloren England, das Commonwealth, Italien und Frankreich zusammen im letzten Krieg. Leser aussergewöhnlicher Illustrierten und Abendblätter mussten sich letzthin darauf gefasst machen, dass Chinas »Rote Garden« ebenso viele Landsleute selber totschlagen würden. Die Titel-Geschichte dieses SPIEGEL hingegen geht von der These aus, dass die »Roten Garden« kurzlebig sind wie Maos ideologischer Frühling mit hundert Blumen und hundert Schulen der Weisheit, oder wie die Volkskommunen und das Stahlkochen im Ziegenstall. Hat also der SPIEGEL eigene Quellen, treibt er in China »field research«? Die Antwort ist: Nein, der Artikel' ist mangels anderer Möglichkeiten ein typisches Ergebnis von »desk research«. Dazu allerdings braucht man Kenner wie den SPIEGEL-Redakteur Fritjof Meyer, der als Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Osteuropa-Instituts an der Freien Universität Berlin gelernt hat, beispielsweise das Kommuniqué über eine Sitzung des ZK der KPCh bis zur letzten (14.) Spalte zu lesen, weil dort vielleicht ein verklausulierter Satz über den weiteren Gang der Kultur-Revolution« versteckt ist. Solche Materialien sind der »Peking -Rundschau« zu entnehmen, aus Peking gibt es auch periodisch »China im Bild« und die »Selected Hsinhua News Items«, aus Hongkong drei vorzüglich edierte China -Periodika in englischer Sprache, aus London »China Quarterly«. Zu Fritjof Meyers 50 Blatt Revolutions-Zickzack fügte SPIEGEL-Redakteur Siegfried Kogelfranz, der fast alle chinesischen Randstaaten bereist hat«, 15, Blatt »field research«, und alles zusammen wurde auf 40 Blatt eingedickt. Droht gelbe Gefahr? Das Ergebnis des »desk-research« ist: Nein.

Desk research: Meyer, Kogelfranz

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