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Hausmitteilung Datum: 24. April 1967 Echo

aus DER SPIEGEL 18/1967

Zum letzten, zum allerletzten Mal wird in diesem Heft eine Kolumne von Jens Daniel zu lesen sein; sie gilt, ein letztes Mal, der Politik Adenauers. Im Oktober 1948, zum Anfang, fragte Jens Daniel »Soll man die Deutschen bewaffnen?« Die Frage ist längst beantwortet, die Folgen sind gefolgt. Konsequent (der Politik Adenauers, die im Ernst »Politik der Stärke« genannt worden ist) hiess die Überschrift der Jens-Daniel-Kolumne im Januar 1952 »Ein Lebewohl den Brüdern im Osten«, hiess sie im Juni 1957 »Pankow bleibt uns nicht erspart«, hiess sie im November 1961 resignierend »Habermus Opapam«. Was oppositioneller politischer Journalismus unter Deutschen vermag, hat der Landesbischof Hanns Lilje richtig beschrieben: »In jenem Jahre (1953), da einbekanntes deutsches Nachrichtenmagazin den vernichtenden Schlachtruf erhob »Der Alte muss weg', gewann er die absolute Mehrheit im Bundestag.« Welche Vorstellungen von oppositionellem politischem Journalismus umgehen, zeigte sich, als vor dem 3. Strafsenat

des Bundesgerichtshofes aktenkundig wurde, dass eine Angestellte der Bonner CDU-Geschäftsstelle lange Zeit Spitzeldienste für die Sowjets geleistet hatte -- der Mann, dem zuliebe sie schuldig geworden war, hatte sich ihr gegenüber als Jens Daniel ausgegeben, der »bekannte Kolumnist des SPIEGEL«. Es gereicht sicherlich nicht zur Unehre, seit fünfzehn Jahren geschrieben und beschworen zu haben, dass die Deutschen nicht beides, nicht Integration -- hiess sie jeweils EVG oder Nato -- und Wiedervereinigung zugleich haben können.

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Sieben französische Blätter haben sich inzwischen kritisch mit der SPIEGEL-Titelgeschichte über de Gaulle (SPIEGEL 14/1967) beschäftigt, sechs davon kritisch gegen den SPIEGEL, eines, »Le Canard Enchainé«, kritisch gegen die Kritiker (siehe Auszüge Seiten 154, 156). Keine der Zeitungen bestreitet die Authentizität, die Korrektheit der Fakten und Zitate -- woher dann der Unmut über die Geschichte? »Weil sie genau trifft?«, fragt der Literatur-Nobelpreisträger François Mauriac im »Figaro Littéraire« und antwortet: »Jawohl, sie trifft genau.« Der Grund des Protests ist: »Wir wissen das alles. Aber wir wollen nicht, dass eine deutsche Zeitschrift uns derart kritisiert ...« ("Combat"). Ernsten Argumenten -- wie den schwermütigen Worten Mauriacs -- den schuldigen Respekt zu bekunden, heisst nicht unbedingt, sie zu teilen. Der »Combat« hat seiner Kritik ein beziehungsvolles Zitat aus Rostands »Cyrano« vorangestellt, der Komödie des Edelmanns mit der überlangen Nase: »Denn nur mir selbst erlaub« ich, mich zu hänseln. Ein anderer kommt nicht ungestraft davon.« Immer hat es Hilfe bei seiner Literatur, dieses glückliche Nachbarvolk, »welches der neueren Menschheit bisher die besten Bücher und die besten Menschen gegeben hat« (Nietzsche). Aber im gleichen Schauspiel steht: »Ah, was für eine Nase ist das aber auch. Man kann den Träger nicht vorüberziehen sehen ohne den Ruf: Oh, wirklich, nein! Er übertreibt.«

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