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Hausmitteilung Datum: 27. April 1964 Reporter

aus DER SPIEGEL 18/1964

Datum: 27. April 1964 Betr.: Reporter

Zeitungsleser verschmelzen ihre Vorstellungen vom

Zeitungsschreiber mit Vorliebe in dem Klischee des »Reporters«. SPIEGEL-Journalismus aber - das Zusammenfügen von Informationen zum Mosaikbild der Nachrichten-Geschichte - verlangt keine rasend-rücksichtslosen Reporter, sondern Redakteure, die in wissenschaftlicher Arbeitsweise bewandert sind.

Auf die Reportage mit ihrem Stimmungsgehalt, ihrem kurzlebigen Regenbogenschimmer der Nebensächlichkeiten und ihrer Subjektivität hat der SPIEGEL verzichtet, solange er damit beschäftigt war, unverzichtbare Elemente (Nachrichten-Geschichte, Titel-Geschichte, SPIEGEL-Gespräch, dann auch SPIEGEL-Report) zu entwickeln. Das Fehlen der Reportage und die Beschränkung auf »klassische« Formelemente des

Nachrichten-Magazins wurden freilich von des SPIEGELs eigener Redaktion zuweilen als Verzicht, ja als Mangel empfunden, wenn andere Redaktionen mit den Stilmitteln der Reportage ein Ereignis besser in den Griff bekommen hatten. 1956 ging der Kummer darüber so weit, dass der SPIEGEL eine Reportage der »Süddeutschen Zeitung« über die benerzten Olympischen Winterspiele in Cortina nachdruckte. Der Autor wurde später zum SPIEGEL verpflichtet und schreibt hier seit 1961 als »Peter Brügge« Reportagen über Gesellschaft und Society. Puristen des SPIEGEL als Nachrichten-Magazin mögen diese Arrondierung seines Betätigungsfeldes im Auge gehabt haben, wenn sie dem SPIEGEL vorwarfen: »Die Kolumnen überwuchern die Stories« (so Ludolf Herrmann in »Werkhefte"). Aber solche Puristen übersehen, dass der redaktionelle Umfang des SPIEGEL von Jahrgang zu Jahrgang wächst - im 1. Quartal 1964 zum Beispiel

gegenüber der Vergleichszeit des Vorjahrs um 87 Seiten oder 15 v.H. Ein Mehr an Kolumnen und Reportagen bedeutet nicht ein Weniger an SPIEGEL-Stories.

Neben dem Gesellschafts-Reporter Peter Brügge schreiben seit kurzem die politischen Reporter Hermann

Schreiber (ehemals »Stuttgarter Zeitung") und Dieter Schröder (ehemals »Süddeutsche Zeitung") im SPIEGEL; als Justiz- und Kriminal-Reporter kommt Gerhard Mauz (bisher »Die Welt") in Kürze hinzu.

Reporter Schröder bat in der vorletzten Woche den Bundeskanzler in den Garten des Kanzler-Palais, wo das SPIEGEL-Farbtitelbild für dieses Heft aufgenommen wurde. Reportagen von Schreiber und Brügge in diesem SPIEGEL handeln vom Dienstgefolge Heinrich

Lübkes in Südamerika (Seite 134) und von der New Yorker Weltausstellung (Seite 108). Dass Schröders Reportage über den neuen Regierungsstil unter Ludwig Erhard (Seite 25) das Titelbild dieses SPIEGEL trägt, ist Anlass, auf die Aufgabe des Reporters im SPIEGEL hinzuweisen: Ein »Stück Natur, betrachtet durch ein Temperament« ist nach Zola ein Kunstwerk. Doch kann auch eine Reportage dabei herauskommen.

Schröder

Brügge

Mauz

Schreiber

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