Hausmitteilung Datum: 31. März 1964 Auflage
Datum: 31. März 1964 Betr.: Auflage
In seiner Betrachtung über Bonn und die Intellektuellen (Seite 24 dieses SPIEGEL) schreibt Fritz René Allemann, das Landesverratsverfahren sei für den SPIEGEL glänzende Reklame« gewesen. Er drückt damit nichts anderes aus als der CDU-Abgeordnete
Kanka, der kürzlich in einer Podiumsdiskussion über Meinungsfreiheit sagte: lAber diese Leute haben doch hinterher die besten Geschäfte gemacht!«
Was ein Mann wie Kanka bei einer regierungstreuen
Zeitung »Grundlage der wirtschaftlichen Unabhängigkeit« nennen würde und beim SPIEGEL »Geschäft« nennt - es ist die Auflage. Auf die Frage, wie sich die Auflage des SPIEGEL seit der Aktion im Oktober 1962 entwickelt hat, kann man nur sagen: planmässig! Ausgangspunkt diesbezüglicher Untersuchungen ist die durchschnittliche Druckauflage im letzten Quartal vor der »Affäre«, also im III. Quartal 1962.
Vom Quartal III/1960 auf III/1961, wie auch von III/1961 auf III/1962, war die Auflage jeweils um
12 v.H. gestiegen. Eine darauf aufbauende Prognose, angestellt am Tage vor Beginn der »Affäre«, hätte für das Quartal III/1963 zu einer Schätzung auf 540 000 Exemplare führen müssen. Die tatsächlich erreichte Auflage lag dann bei 540 076 Exemplaren - sie hatte sich geradezu beängstigend folgerichtig weiterentwickelt. Auch seither hat sie sich auf der Linie dieses Trends bewegt.
Auf dem Höhepunkt der SPIEGEL-Affäre war die Auflage über die Trend-Linie hinausgeschossen, doch mündete die hektisch bewegte Kurve schnell wieder in den normalen Verlauf ein. Der vorübergehende Anstieg war kein »Geschäft«. Der Erlös des einzelnen Exemplars bringt nicht einmal dessen Druck- und
Papierkosten ein. Die Bedeutung der Auflage als Faktor wirtschaftlicher (und damit auch politischer) Unabhängigkeit liegt im auflagenbezogenen Anzeigenpreis. Der aber wechselt nicht von Heft zu Heft je nach Auflage, sondern gilt für lange Zeiträume, und jedenfalls konnte ihn der SPIEGEL nicht aufgrund der vorübergehenden Auflagenbewegung erhöhen.
Die SPIEGEL-Affäre hat den SPIEGEL keine Auflage gekostet und sie hat ihm auch keine gebracht. Abgesehen davon verfällt doch ein Mann wie der 59jährige Jurist Kanka allzu jung in Adenauer-Kategorien, wenn er Gefahren für die Meinungsfreiheit mit dem Hinweis abtut, letzten Endes seien doch beste Geschäfte« dabei herausgekommen. Der Professor für
politische Wissenschaften Theodor Eschenburg habe, so berichtet das »Badische Tagblatt«, auf Kankas Erwiderung geseufzt: »Das sind doch keine Argumente.«