Hausmitteilung Datum: 31. Oktober 1966 Listen u. a.
Datum: 31. Oktober 1966 Betr.: Listen u. a.
Mit Strauss-Wahrheiten zu leben, hat die deutsche Presse noch immer nicht gelernt. Als der Reichsminister a. D. Gottfried Treviranus den Zeitungen bestätigte, er habe Strauss 1958 »mit eigenen Händen« eine »Liste mit Namen von Beteiligten« im Zusammenhang mit Geldbeträgen der Rüstungsgesellschaft Hispano -Suiza übergeben, erklärte Strauss: »Reichsminister a. D. Treviranus überbrachte mir Gerüchte von angeblichen Bestechungsgeldern . . . Auf Befragen konnte er mir aber keine Namen von Beamten oder Offizieren des Bundesverteidigungsministeriums nennen, noch hat er mir eine entsprechende Namensliste übergeben.« Diese Mitteilung besagt nach dem Massstab der reinen Logik, dass keine Liste mit Namen von Beamten und Offizieren« übergeben worden sei, und lässt offen, ob eine Liste mit »Namen von Beteiligten« übergeben wurde, die nicht als Beamte oder Offiziere dem Verteidigungsministerium angehörten. Nach dem Massstab allgemeinen mündlichen Umgangs freilich wurde die Mitteilung auch von sorgsamen Blättern so aufgefasst, als habe Strauss bestritten, »dass Treviranus ihm jemals eine Liste mit Namen und Angaben über Bestechungsgelder überreicht habe« ("Welt"). Demnach hätte Strauss schlechthin »keine Liste« bekommen. Von der Presse so verstanden, war denn schon in der letzten Woche der listenreiche Sophistiker Strauss bei der Kurzformel angelangt: keine Liste. Soll ein Pressefachmann die redaktionelle Besonderheit des SPIEGEL im Vergleich mit anderen Zeitschriften ausdrücken, so wird er vielleicht zuallererst sagen:
»straffer redigiert«. Diesen Gesichtspunkt haben sogar die exklusivsten Nachrichtenmagazin-Profis der Welt: Als »Time« sich mit europäischen Nachrichtenmagazinen verglich, wurde der stärkste Nachdruck darauf gelegt, dass diese Parvenüs »less tightly edited«, also trotz allem doch weniger straff redigiert seien als »Time«. Straff redigieren bedeutet nicht nur dichten Nachrichtenstoff, es bedeutet auch eine strikte Rangordnung der Stoffe nach Aktualität, und dieser Rangordnung fallen Woche für Woche SPIEGEL-Beiträge zum Opfer. Gefühle, wie sie der Literat einem Opus entgegenbringt, sind für den Nachrichtenmagazin-Journalisten der innere Schweinehund, und
manches, was nach den Grundsätzen straffen Redigierens beim SPIEGEL im Papierkorb endet, würde in anderen Blättern an bevorzugter Stelle veröffentlicht werden. Papierkorbreif drohte auch die für dieses Heft projektierte Titelgeschichte Wahl im roten Modellstaat« zuwerden, als am letzten Mittwoch das Bonner Koalitionsfieber über den roten Strich kletterte. Das Titelblatt wurde abgesetzt. Andererseits, die
Titelgeschichte über das unprätentiöse Hessenland war zu einem so dichten Geflecht überraschender Fakten gediehen, dass auch die abgebrühtesten Straffredigierer sie nicht einfach wegfallen lassen mochten. So enthält denn dieses Heft zwei »Titelgeschichten«, die eigentliche mit dem Titelbild und die ungekürzte Titelgeschichte« über den roten Modellstaat Hessen ohne Titel (Seite 62 bis 86).
Unveröffentlichter Hessen-Titel