Hausmitteilung Datum: 4. September 1972 Berater
Durch den Rücktritt der beiden Parlamentarischen Staatssekretäre Wolfram Dorn und Joachim Raffert, nach der Offenlegung ihrer früheren Beraterverträge mit dem Hamburger Bauer-Verlag in der vergangenen Ausgabe des SPIEGEL (36/1972) unvermeidbar geworden, sind die notwendigen Konsequenzen gezogen worden, und zwar schnell. Zwei sogenannte Fälle sind damit erledigt, die Sache ist es keineswegs.
Nahezu alle Kommentatoren, von links bis rechts, von oben bis unten, sind sich einig in der Forderung an den Bundestag und dessen amtierenden Präsidenten, nun endlich aus eigener Kraft und Ehrlichkeit einen verpflichtenden Ehrenkodex für Parlamentarier durchzusetzen. (Randbemerkung: Nur einige recht kleinkarierte Glossateure fragten sich und ihre Leser, wieso ausgerechnet der SPIEGEL et cetera et cetera ... Sie haben ihn wohl für ein Parteiblatt gehalten. Andere, mehr grosskarierte, verschwiegen in gewohnter Kollegialität konsequent die Quellen ihrer Erkenntnisse.)
Jede Medaille, auch die aus dem Sprichwort, hat ihre Kehrseite. »Im Grunde genommen«, schreibt der Chefredakteur des »Rheinischen Merkur«, Anton Böhm, »gipfelt das Ärgernis darin, dass Dorn und Raffert durchaus legal gehandelt haben ...« »Der Wahlkreis oder Interessenverband«,
argumentiert realistisch Hartmut Klatt in der »Stuttgarter Zeitung«, »der nicht -- und zwar mit Recht -- von seinem gewählten Abgeordneten verlangt, für die speziellen Belange einzutreten, müsste erst noch erfunden
werden.« Fritz Ullrich Fack, Mitherausgeber der »Frankfurter Allgemeinen«, dechiffriert: »Interessenvertretung, diese Lektion sollte doch inzwischen gelernt sein, ist nur so lange legitim, wie sie offen und ohne Verschleierungsmanöver betrieben wird ... Anders bei den geheimen Beraterverträgen, wo der Funktionszusammenhang nicht erkennbar ist und sich das Tätigkeitsfeld häufig genug zudem noch auf das Ausspähen von privaten geschäftlichen Chancen -- etwa im Zuge einer werdenden Gesetzgebung -- oder auf die Beeinflussung von Behörden, Vergabestellen und ähnlichen öffentlichen Institutionen richtet.«
Dies also die Kehrseite: An der Malaise hat nicht nur schuld, wer in aller Stille Beraterverträge akzeptiert, sondern auch, wer sie (wie der Bauer-Verlag) anbietet.
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Der SPIEGEL-Verlag erklärt:
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