Hausmitteilung Datum: 9. August 1971 Titel
Mitunter enthält ein SPIEGEL-Heft zwei Titelgeschichten, aber natürlich enthält es immer nur ein Titelblatt. Titelgeschichten sind eine besondere Spezies im Handwerksbetrieb eines Nachrichtenmagazins: Sie sollen über ein valentes, aktuelles, zeitgeschichtlich und/oder ökonomisch wichtiges Thema gründlich informieren, nach dem (keineswegs unisonen) Geschmack der SPIEGEL-Redaktion am besten so, dass sich Sachthema und eine für diese Sache repräsentative Person oder Personengruppe gleichzeitig darstellen lassen. Die Sachbezogenheit der Person, die Personalisierung der Sache
sind gewiss vom SPIEGEL nicht entdeckt, aber oft und oft erwiesen worden. Unter anderem, internen Aspekt: Um die Funktion als Titelgeschichte, als Flaggschiff des Heftes, konkurrieren jede Woche mehrere Themen (und Ressorts), zuweilen muss unterm Druck der Zeitläufte eine schon umbrochene Titelgeschichte zugunsten einer plötzlichen Aktualität wieder verschoben werden, zuweilen hilft auch das nicht weiter, und Zuwarten bringt keinen Gewinn. Schon das vergangene Heft hatte gewissermassen Titel und Untertitel: aussen angezeigt die Wirtschaftskriminalität und drinnen den (ebenfalls
als Titelgeschichte konzipierten> Schweiz-Report dazu. Das Titelbild dieses Heftes verweist auf die nur scheinbar unpolitischen, jüngsten Sub- und Nebenkulturen in der Bundesrepublik; das Photo oben zeigt, wie der SPIEGEL dieser Woche auch hätte aussehen können. Denn auch der Report über Chile steht in diesem Heft -- Bericht über die Inspektion eines südamerikanischen Staates, neun Monate nach dem Amtsantritt eines marxistischen Präsidenten (Seite 68).
Seit kurzem konstituiert sich in der Redaktion ein neues Ressort, auf dessen Aktivität bereits einige übers Heft verstreute Geschichten den, den's interessiert, hätten rückschliessen lassen: Es heisst ML, Modernes Leben, modern living. Mögliche Themen: Tourismus, Gastronomie, Unterhaltung, Freizeitbeschäftigung, Konsumtrends und Konsumentenverhalten, Unterhaltungselektronik, Mode und Moden.
Modern living präsentiert in diesem Heft zum erstenmal die Sparte »Produkte« (Seite 103), die zunächst nicht regelmässig erscheinen soll, und verspricht, diesen Kasten nicht zum Kuriositätenkabinett denaturieren zu lassen: »Kein Warentest, kein Anzeigen-Ersatz, keine Konsum-Aufreizung, schlicht Information.«