Rücktritt von Tony Blair Bye Bye Pudel
Hamburg - "Manchmal besteht die einzige Möglichkeit, den Sog der Macht zu bezwingen, darin, sich ihm zu entziehen", sagte Blair am 10. Mai und verkündete seinen Rücktritt. Auf den hatten die Parteigenossen schon seit dem dritten Sieg bei Parlamentswahlen im Jahr 2005 gewartet: Damals hatte Blair versprochen, vor Ablauf seiner Amtszeit im Mai 2010 abzutreten. Seither wurden Rücktrittsforderungen immer lauter. Die zehn Jahre als Premier seien für ihn - aber vor allem auch für das Land - lang genug gewesen, erklärte Blair im Mai. Heute nun räumt der 54-Jährige das Feld für seinen bisherigen Schatzkanzler Gordon Brown.
Dessen Amtsübernahme wird von der internationalen Presse unterschiedlich bewertet. "Le Figaro" schreibt, Brown habe, während er zehn Jahre im Schatten stand, "alle Zeit der Welt" gehabt, "um die Lehren aus den Fehlern seines Mentors zu ziehen". Allerdings, so schreibt die französische Zeitung weiter, sei er ein "Rätsel": "Es ist selten, dass Politiker an die Macht kommen, die so wenig über das gesagt haben, was sie tun wollen." Blair habe vor allem durch seine "Dynamik und seine andere Art, Politik zu machen" fasziniert. Das Blatt lobt die Innenpolitik Blairs, stellt aber fest, dass die Briten ihm niemals vergeben haben, "dass er sie glauben machte, dass es Beweise für die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak gibt".
Abschied von "Bushs Pudel"
Tatsächlich kam für Blair mit dem Irak-Krieg der Absturz in der Wählergunst. Trotz großer Widerstände im eigenen Land beschloss er nach den Terroranschlägen vom 11. September, "Schulter an Schulter" mit US-Präsident George W. Bush zu stehen - während andere europäische Staaten einen Militäreinsatz im Irak kategorisch ablehnten.
Wenig überraschend also, dass Bush den scheidenden Premier heute in einem Interview gegen den Vorwurf in Schutz nimmt, er habe sich wie der "Pudel" des amerikanischen Staatschefs benommen. "Ich habe gehört, dass er 'Bushs Pudel' genannt wurde. Er ist größer als das", sagte der US-Präsident der britischen "Sun". "Irgendwie wurde unsere Beziehung gesehen, als wenn Bush zu Blair sagt 'Sping!' und Blair sagt 'Wie hoch?'. Aber so läuft das nicht. Es ist eine Beziehung, in der wir sagen, wir beide werden zusammen springen." Blair selbst bereut die Entscheidung, sich an die Seite der USA gestellt zu haben, bis heute nicht: "Ich habe getan, was ich für das Richtige für unser Land hielt", sagte er in der Rede, in der er seinen endgültigen Rücktritt ankündigte.
Das Thema Irak überschattet die Bilanz der Amtszeit Blairs wie kein anderes. Dabei profilierte sich Blair zuvor unter anderem im Nordirland-Konflikt. Mit Beharrlichkeit trug er zur historischen Einigung der früheren Feinde bei. Die protestantische Unionisten-Partei und die katholische Sinn Fein bildeten im Mai erstmals gemeinsam eine Regierung.
Hochs und Tiefs eines Charismatikers
Kritiker und Bewunderer vereint die Überzeugung, dass Blair ein Charismatiker ist und zumindest zu Beginn seiner Regierungszeit die Menschen mitreißen und überzeugen konnte. Als er im Mai 1997 als jüngster Premier in der britischen Geschichte für die Labour-Partei an die Macht kam, atmete das Land auf. Es herrschte Aufbruchstimmung, die der 44-Jährige bestens zu nutzen wusste. "Ein neuer Morgen ist angebrochen", verkündete er bedeutungsschwer nach seinem Wahlsieg.
Als Architekt von "New Labour" entrümpelte er die Partei von sozialistischem Gedankengut und erarbeitete gemeinsam mit Gerhard Schröder ein Konzept für eine moderne sozialdemokratische Politik in Europa. Unter Blair erlebte Großbritannien einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung: Die Arbeitslosigkeit ist heute sehr viel geringer als in vielen anderen europäischen Staaten.
Blairs rekordverdächtige Popularität steigerte sich noch einmal, als seine Frau Cherie im Jahr 2000 verkündete, dass sie wieder ein Kind erwarte. Seit rund 150 Jahren war Blair der erste Premier, der während seiner Amtszeit Vater wurde. Allerdings brachte die Familie dem Sohn einer bürgerlichen Familie, der in Oxford Jura studierte, nicht nur positive Schlagzeilen ein. So sorgte Sohn Euan vor zwei Jahren für Aufsehen, als er sich mit seinen beiden Bodyguards bei Stripeinlagen mehrerer Frauen im Pariser Rotlicht-Bezirk vergnügte. Mit 16 Jahren war er aufgefallen, als er nach einer bestandenen Prüfung völlig betrunken aufgefunden worden war. Blair und seine Ehefrau Cherie sind seit 1980 verheiratet und haben vier gemeinsame Kinder: drei Söhne und eine Tochter. Blair, der Rockmusik mag und selbst Akustikgitarre spielt, sammelte schon in jungen Jahren Bühnenerfahrung. Er war der Frontmann der Rockgruppe "Ugly Rumours" (Hässliche Gerüchte) und spielte in Shakespeares "Julius Cäsar" den Marcus Antonius.
Des Pudels Zukunft
Und nun? Für ein Leben als Rentner ist der 54-Jährige zu jung. Nach Angaben des irischen Regierungschefs Bertie Ahern hat Blair eine Berufung als neuer internationaler Nahost-Beauftragter angenommen. Eine offizielle Ernennung durch das Nahost-Quartett aus EU, Uno, den USA und Russland wird für heute erwartet.
Eine Idee für Blairs künftige Beschäftigung hat laut "Financial Times" auch Nicolas Sarkozy geäußert. Der französische Präsident schlägt demnach vor, Blair könne das Amt des Ständigen Präsidenten der Europäischen Union übernehmen, das mit dem neuen EU-Vertrag geschaffen werden soll. Sarkozy stört sich offenbar nicht daran, dass Blair nicht vorbehaltlos hinter dem Vertragsentwurf steht und vor dem EU-Gipfel sogar mit einer Ablehnung drohte.
Auch in Blairs Privatleben soll es nach dem Rücktritt einen Richtungswechsel geben: Laut britischen Zeitungen will Blair nach einer Privataudienz bei Papst Benedikt XVI. am Samstag seinen Austritt aus der anglikanischen und seine Konvertierung zur katholischen Kirche ankündigen. Er besucht schon seit Jahren mit seiner Familie katholische Gottesdienste, da seine Frau und seine Kinder katholisch sind.
Damit wäre Blair dann mal wieder der Erste: Vor ihm konvertierte kein britischer Premier zum Katholizismus.
han/dpa/AFP/AP