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DEN RÜCKEN ZUR KUNST

aus DER SPIEGEL 16/1968

Reichen deutschen Kunstfreunden ist es gelungen, den Düsseldorfer Graphiker Heinz Edelmann noch schnell zu entdecken, bevor ihm sein fast fertiger, abendfüllender Zeichentrickfilm mit den Beatles Weltruhm verschafft. Diesen unerhört knappen Vorsprung an Zeit zu nutzen, bedurfte es eines entschlossenen Mäzenatentums.

Gunter Sachs, der mit sechsstelligen Krümeln seines grollen Einkommens das provisorische »Modern Art Museum« unter dem Dachboden der Münchner Stuckvilla künstlich ernährt, war der Mann, dieses Mäzenatentum aufzubringen. Edelmanns blumig-abgründige Kunst unter dem Motto »Monsters, Beatles und Edelmann« vor die richtigen Leute und in den richtigen Rahmen zu bringen, griff er in diesem schlichten Etablissement selber zur Säge. Und für den Fall, daß Edelmann auch nur einen einzigen Beatle nach München gebracht hätte, wäre sogar Frau Brigitte Sachs bereit gewesen, vor den Werken des gerade noch unbekannten Künstlers werbend zu erscheinen.

Sachs zur Seite trat statt dessen Düsseldorfs Persil-Principessa Gabriele Henkel. Erstmalig im Rampenlicht des Münchner Kunstbetriebes, opferte sie für Edelmanns Oeuvre, welches bisher nur für »Twen« und die Werbung Bedeutung hatte, unschätzbare Zeit und etwas Geld von ihrem reichen Henkel-Mann Konrad.

Die rheinische Salonlöwin, die sich unentwegt nach sinnreichen, nicht zu kostspieligen Anwendungsmöglichkeiten für Geist und Geld umsieht, glaubt im »Modern Art Museum« eine solche gefunden zu haben. Zu ihren zahlreichen aufreibenden Funktionen in der deutschen Gesellschaft übernahm sie dort einen Platz im Vorstand. Die öffentliche Kunstpflege der deutschen Musenmetropole, so beanstandet Gunter Sachs, »hört bei Spitzweg auf«. Ihn schmerzt das. Zumindest in dieser Beziehung fühlt er: »Ich bin doch ein Bayer«, auch wenn er steuerlich unter die Schweizer fällt. So wollen sie denn, Frau Gabriele, der Playboy und ihr nobler Museumsverein, dieser zurückgebliebenen Stadt zu einem musterhaften Gehäuse für die Moderne verhelfen -- vielleicht nach einem alten Plan von Le Corbusier -, für das möglichst nicht sie allein, sondern auch die Öffentliche Hand und die offene Hand von anderen Reichen bezahlen sollen. Edelmanns insgeheim bereits arriviertes Schaffen, Beatlesgesegnet, eignete sich vorzüglich, um zu demonstrieren, wie erfrischend und bedeutend so ein Museum sein, wie bedeutend man sich als Reicher damit machen kann.

Der Künstler mit dem zarten Bleistift und dem sanften Hippie-Blick wunderte sich freilich, wie schlecht das kleine Museum seiner Mäzene darauf vorbereitet war, etwas auszustellen. »Das ist«, spottete er, »die reinste Laienspielschar ... wo die Leute nicht einmal wissen, wie man ein Bild gerade an die Wand hängt.«

Später hatte er Grund, sich darüber zu wundern, wie stark die reichen Leute ihn, den vorerst von den Beatles noch nicht ausgezahlten Künstler, für diese Förderung bluten lassen wollten, obwohl sie doch auch ihrer eigenen Sache damit dienten. Vom Erlös seiner Bilder, für die Willy Fleckhaus, Art Director für das Museum und »Twen«, sein erster Sammler und Brotgeber, einen Einheitspreis (550 Mark für kleine, 950 Mark für große Zeichnungen) festgelegt hatte, soll der Löwenanteil dem Museum bleiben.

Verwundert sah sich schließlich der schüchterne Edelmann umstellt von den Mitgliedern der allerfeinsten Münchner Gesellschaft, die sich vor seinen Bildern ausnahmen wie die von ihm gemalten »Schmetterlingszertrampler«. Den Bücken zur Kunst, ballten sie sich heiß und neugierig im Fernsehlicht um Gunter und Gabriele zusammen, deren Namen offenbar genügt hatten, doppelt so viele Kunstgenießer hereinzubringen wie eingeladen worden waren. Schnell wurde da der Preis des Katalogs verdoppelt.

Die salonfähigen Bonnies, Bienen und Beatniks von Schwabing, die Maler und Manager, Verleger, Mimen und Aristokraten dieses Sets brachten ihre gepflegten Köpfe immerzu in den farbigen Lichtstrahl der alten Kinomaschine, die in unendlichem Umlauf aneinandergeklebte Stücke aus Edelmanns Beatles-Film »Yellow submarine« auf eine von Sachs zurechtgesägte Spanplatte projizierte. Zwischen den fröhlichen Bösewichten eines erträumten Pfefferlandes wogten die vertrauten Schattenrisse der bajuwarischen Demimonde, welcher der reichlich angebotene Champagner umgehend wieder aus den Poren drang.

»Ich danke Ihnen, daß Sie so zahlreich, fast zu zahlreich gekommen sind«, sagte Sachs, der sich selber im Spaß den Großen nennt. Dieses bißchen sagte er überaus charmant.

Doch sprach er kein Wort über seine Museumsideen, kein Wort zur Erläuterung des Künstlers, der neben ihm schwitzte und dafür später unter vier Augen boshaft das »Neandertalerische« in der Diktion seines Förderers lobte.

Auch der Gründung einer neuen Trickfilm-Firma, an deren Bekanntmachung im Zusammenhang mit dem musischen Anlaß eigentlich gedacht war, wich der Playboy aus, dem neuerdings ein junger, scharfer Finanzberater wie ein Wachhund bei Fuß geht. Statt dessen sprach er wieder viel über sich. »Wie werden Sie Ihre goldene Hochzeit feiern?« fragte ein Fernsehreporter aus Wien den Förderer der schönen Künste. Das allerdings, möchte Sachs, solle man ihn erst drei Wochen davor, bitte, fragen. Man bestaunt seinen Ehering, den haardünnen Platinreif, man zupft an seiner Hippie-Krawatte, angeheiterte Damen drängen mit aller Kraft an seine Schulter. Eine behauptet später sogar, ihm ihre Wohnungsschlüssel zugeschoben zu haben. Schwierig, da den Kunstverstand noch wachzuhalten.

Vor Mitternacht wechseln die 300 Premierengäste aus der Ausstellung, die sie nicht gesehen haben, hinüber aufs andere Isar-Ufer zu »twen«, wo Springers Sohn Axel in seiner Redaktion mit Bier, Sekt und Häppchen abermals Edelmann ehrt. So einheitlich entwickelt sich der Wille zum Aufbruch, daß Inge, die deutsche Frau des italienischen Linksverlegers Feltrinelli, mit beiden Händen die expressionistischen Perlengehänge halten muß, die, wie sie bekanntgibt, von Arnaldo Pomodoro, dem großen Bildhauer, für ihre Ohren kreiert wurden. Dabei mokiert sie sich heftig über das Niveau des soeben von ihr miterlebten Mäzenatentums.

Bei donnerndem Beat bedienen verhinderte Kunstbetrachter die Hebel eines Spielautomaten, der zur Feier des Tages bei Springers Sohn aufgestellt worden ist, leeren ihren Juice über den englischen Schreibtisch des Juniors, der sich bei solchen Gelegenheiten streng nach Mao kleidet. Die junge Frau Springer wischt's grollend auf: »Wer soll denn dafür aufkommen?«

Als die Phonstärke etwas absinkt, frage ich Edelmann, wie wohl ihm all diese Förderung bekomme. Er lächelt glücklich, wie schon seit Stunden. »Noch nie in meinem Leben«, sagt er leise, »war ich so deprimiert wie an diesem Abend.« Schrecklich sensibel, diese Künstler.

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