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Auf der Suche nach einer besseren Welt Der Atheismus liegt im Sterben

Dem Sowjetstaat ist es zwar gelungen, sich die offizielle Kirche zu unterwerfen -- die auch dem Zaren schon untertan war. Dennoch, so berichtet der Moskauer Bürochef der »New York Time«, Peter Grose, 33, scheitert der Kampf des Regimes gegen den religiösen Glauben vieler Sowjetbürger.
aus DER SPIEGEL 45/1967

Fünfzig Jahre Kommunismus haben nicht ausgereicht, die Religion in Rußland auszurotten. Die Kommissare der Kommunistischen Partei können das nicht erklären.

In den marxistischen Schriften scheint alles völlig einleuchtend. Die offizielle Philosophie hat nachgewiesen, daß der Glaube an einen »Gott im Jenseits« schwinden muß, je mehr die wissenschaftliche Erkenntnis des Menschen wächst. »So sollte es sein«, erklärt ein sowjetischer Funktionär zögernd einigen amerikanischen Kirchenmännern. »Ich muß allerdings zugeben, es geht sehr, sehr langsam.«

In der Sowjet-Union haben sich die Kirchen angepaßt oder sind in den Untergrund gegangen, nur wenige haben ganz aufgegeben. Einige wurden bis zum Untergang verfolgt, andere erlebten einen Aufschwung. Die organisierte Religion ist in einem halben Jahrhundert der Unterdrückung nicht untergegangen.

Der fünfzigjährige Feldzug gegen die Religion ist ein Musterbeispiel ideologischen Versagens. Nicht der Glaube an Gott, die atheistische Lehre liegt in Sowjetrußland im Sterben. Religion in Rußland, das ist die Geschichte der orthodoxen Kirche, Bewahrerin der russischen Seele. Es Ist die Geschichte des Aufschwunges protestantischer Sekten, die dadurch stark wurden, daß sie die Werte des Kommunismus auf ihre Weise interpretierten.

Heute unternimmt eine machtvolle Bürokratie den Versuch, die Kirche zu durchdringen und unter Kontrolle zu bringen: In einem zweistöckigen Gebäude an Moskaus Sadowaja-Boulevard arbeitet das Hauptquartier des »Rates für Religiöse Angelegenheiten«.

Leiter des Rates ist Wladimir A. Kurojedow. Ihm untersteht eine Organisation von sogenannten Delegierten, die vom staatlichen Sicherheitsdienst ausgebildet sind.

Diese Delegierten sind über das ganze Land verteilt und haben die Aufgabe, Kontakte zum praktizierenden Klerus zu unterhalten. Sie besitzen Listen derjenigen Sowjetbürger, die getauft oder kirchlich getraut sind, und können den Gläubigen Propagandisten des Atheismus zur Umerziehung ins Haus schicken.

Ein interessantes Schriftstück aus dem Hauptquartier in Moskau gibt den Delegierten Instruktionen über den Umgang mit den kirchlichen Gemeinderäten. Diese Gemeinderäte, die sich aus 20 Laien zusammensetzen, haben die einzelne Kirchengemeinde juristisch zu vertreten.

»Es ist zu beachten, daß die bestehenden Räte vieler Gemeinden nicht zuverlässig erscheinen«, heißt es in dem Moskauer Papier. »Die Delegierten müssen die Bildung neuer Räte anregen; zu einem Gemeinderat sollten nur solche Personen gehören, die des Lesens und Schreibens mächtig sind und die Gemeinde zu verwalten verstehen. Es dürfen keine Fanatiker sein, sondern Leute, die das sowjetische Gesetz ebenso wie die Empfehlungen der Delegierten treu befolgen.«

Die Wirksamkeit des »Rates für Religiöse Angelegenheiten« macht die gegenwärtigen Beziehungen zwischen Kirche und Staat in der Sowjet-Union verständlich. Je mehr die staatlichen Agenten auf die organisierte Religion Einfluß nehmen, desto weniger ist die Religion als Feind der Staatsgewalt anzusehen -- sie wird vielmehr zu einem ihrer ausführenden Glieder.

Die orthodoxe Kirche als verlängerter Arm der Staatsgewalt ist in Rußland kaum etwas Neues. Sie hatte diese Funktion bereits unter dem Zaren. Noch heute sehen einige Parteiaktivisten in der orthodoxen Kirche etwas anderes, weniger Verwerfliches als in der Religion überhaupt.

Die orthodoxe Kirche ist noch immer die einflußreichste und festestgefügte nichtkommunistische Kraft Sowjetrußlands. Ihre gegenwärtige Stellung geht auf den Zweiten Weltkrieg zurück. Um die Bevölkerung für Kampf und Entbehrung zu gewinnen, suchte Stalin Unterstützung, wo immer er sie finden konnte.

In den Nachkriegsjahren verlieh der Klerus den Kreml-Empfängen durch seine Anwesenheit Glanz. Damals wurden ausländische Besucher von den Kirchenvertretern mit Erklärungen begrüßt, in denen sich Glaubensbekenntnis und kommunistische Ideologie innig vermischten. Viele der Dorfkirchen, die während der Periode des militanten Atheismus geschlossen worden waren, durften wieder geöffnet werden.

Allerdings hatte eine ganze Generation von Geistlichen die sowjetische Verfolgung miterlebt. Unter den Papieren des verstorbenen Bischofs Athanasius fand man ein bemerkenswertes privates Tagebuch. Es gibt Rechenschaft über jeden Monat seines priesterlichen Lebens seit seiner Weihe zum Bischof von Kowrow 1921: Athanasius verbrachte 33 Monate in aktiver Arbeit in seiner Diözese, 32 Monate durfte er kein kirchliches Amt bekleiden, 76 Monate verbrachte er in der Verbannung und 254 Monate im Gefängnis oder in Arbeitslagern.

Oberhaupt der orthodoxen Kirche ist heute der »Patriarch von Moskau und ganz Rußland«, Alexij. Er wurde schon vor der Revolution zum Bischof geweiht und ist heute 90 Jahre alt.

Die Entscheidungen der Kirche werden von einer Gruppe junger Bischöfe getroffen, die einer neuen Schule, einer neuen Generation angehören. Sie sind ständige Mitglieder der Synode. Einer dieser Männer ist der 38jährige Erzbischof Alexius. In seinem Namen erscheinen häufig für das Ausland bestimmte Erklärungen, in denen die »Kirche ihre Loyalität gegenüber der sowjetischen Gesellschaft bekräftigt.

Eine Art »Außenminister des Patriarchats« ist der 39jährige Metropolit Nikodim, unter dessen Führung die orthodoxe Kirche aus der stalinistischen Isolation auftauchte und in die internationale Gemeinschaft der Kirchen eintrat. Nikodim nimmt regelmäßig an Wellkirchenkonferenzen teil.

Die Kirche erhält vom Staat kein Geld, allerdings sind den Gemeinden für ihren Kirchenbau Grund und Boden mietfrei überlassen. Im übrigen finanziert sich die Kirche durch die Beiträge der Gläubigen und den einträglichen Verkauf von Gebetskerzen, die in kircheneigenen Werkstätten hergestellt werden. Das Jahreseinkommen der orthodoxen Kirchen im Bezirk Moskau wird mit etwa sechs Millionen Rubel (über 25 Millionen Mark) angegeben.

Die Hierarchen der orthodoxen Kirche führen ein gutes Leben, sie haben sogar ihre eigenen schwarzen Limousinen. Ihre Datschas strotzen von Kunstschätzen und von einem persönlichen Luxus, den sich sonst nur wenige Sowjetbürger leisten können.

Weitab vom Moskauer Patriarchat aber, unter den einfachen Geistlichen und den militanten Laien in den Dörfern, spürt man Unruhe.

»Die russische Kirche ist krank, sie ist ernstlich krank«, sagt der 52jährige Theologe und Kirchenhistoriker Anatolij J. Lewitin. »Ihr schlimmstes Leiden aber ist der uralle Cäsaropapismus -- die Unterwerfung der Kirche unter die weltliche Autorität.

Lewitin, der nicht mehr lehren darf und heute in einer Dorfkirche außerhalb Moskaus als Küster arbeitet, ist zum Sprecher einer Rebellenbewegung innerhalb der orthodoxen Kirche geworden. Zwei Moskauer Priester, die damals 35 Jahre alten Nikolai Eschliman und Gleb Jakunin, machten diese Rebellion im Dezember 1965 publik.

Sie schrieben eine Petition an Staatsoberhaupt Podgorny und beschwerten sich über die Einmischung des Staates in kirchliche Angelegenheiten. Die Priester klagten an: »Eine breite Gruppe von Bischöfen und Priestern erweisen jedwedem Befehl der örtlichen Behörden mehr Ehre als den Worten der Evangelisten.

Die Priester monierten, es sei dem Klerus verboten, ohne Sondergenehmigung Gottesdienste in Wohnungen oder auf Friedhöfen zu zelebrieren. Dies bedeute: »Kein Bürger kann einen Priester bitten, ihn im Hause zu besuchen und dort Kulthandlungen für sein krankes Kind oder für seine verstorbenen Verwandten vorzunehmen, ohne den Priester der Gefahr auszusetzen, seine Lizenz zu verlieren.«

Im Juni 1966 erinnerte eine Gruppe von zwölf Laien der Diözese Kirow den Patriarchen in einem offenen Brief daran, daß es seit vier Jahren eine geheime Protestbewegung gegen den Bischof bann gäbe, der seine Priester unterwiesen habe, »jeden zu suspendieren, der den Delegierten den Gehorsam verweigert«.

Lewitin und einige anonyme Laien schlossen sich den Protesten an, während der Klagebrief zur Veröffentlichung ins Ausland geschmuggelt wurde. Moskau aber gab ausländischen Korrespondenten zu verstehen, im Falle einer Weitergabe der Protesttexte gefährdeten sie ihre Stellung. Die beiden Priester wurden im Mai 1966 entlassen. Einen Monat später richtete Patriarch Alexij an die 52 Diözesanbischöfe eine Enzyklika, aus der hervorging, daß die Unruhe der Gläubigen weitverbreitet war.

Der Patriarch warnte die Kleriker davor, »Kirchenautoritäten und Vaterland zu verdächtigen und ihnen gegenüber Mißtrauen zu säen«. In der Enzyklika wurden alle Versuche verdammt, »staatliche Organe zu diffamieren«, dies könne nur dazu führen, »die wohlwollenden Beziehungen zwischen den staatlichen Organen und unserer Kirche zu zerstören«.

Das Ausmaß dieser Gemeinderevolte kann nur vermutet werden: Kirche wie Staat haben alle Mittel in der Hand, die Bildung jeder ernsthaften Protestbewegung zu verhindern. Eines allerdings ist offensichtlich: In der sowjetischen Gesellschaft gibt es Gläubige, die loyal und mutig genug sind, schwere Sanktionen in Kauf zu nehmen.

Derart mutige Christen findet man freilich nicht nur in den Reihen der Orthodoxen. Eine protestantische Sekte zeichnet sich durch ihre Lebendigkeit aus: die Gemeinschaft der Evangeliums-Baptisten.

Die Baptisten bilden heute offenbar die dynamischste Christengemeinde in der sowjetischen Gesellschaft. Die Baptistenkirche hat in den 50 Jahren des roten Staatsatheismus nicht gelitten, im Gegenteil: Sie erlebte einen Aufschwung. Heute zählt die Sekte 545 000 Mitglieder, fünfmal soviel wie 1915, dem Jahr der Revolution.

Der Protestantismus blickt in Rußland auf eine lange Geschichte zurück. Seine Verfügung »durch die etablierte orthodoxe Kirche erinnert an einen »Religionskrieg in Kleinformat. Für die Bolschewisten waren die Baptisten immer ein Problem: sie waren vom Zarenregime verfolgt worden. Sie besaßen weder Land noch Reichtümer. Sie waren auch kaum Ausbeuter der Arbeiter.

Das Geheimnis der baptistischen Stärke liegt in ihrer buchstabengetreuen und scharfsinnigen Befolgung der Gesetze. Den Baptisten ist es gelungen, jede Lücke im Gesetz bis zum äußersten auszunutzen.

Die Predigten von baptistischen Kanzeln sind lang und stecken voller geistlicher Unterrichtung und Führung -- ihnen geht das stilisierte Ritual einer orthodoxen Predigt ab.

Baptistische Eltern haben allen Einschüchterungen durch Staat und Partei widerstanden. Sie bringen ihre Kinder mit zum Sonntagsgottesdienst. Die Kinder lernen dort religiöse Vorstellungen kennen, obwohl die Kirche der Jugend keinen systematischen Religionsunterricht erteilt. Die Jugendchöre der baptistischen Kirchen sind höchst eindrucksvoll.

Bei einem Sonntagsgottesdienst in Moskaus zentraler Baptistenkirche stehen unten im Kirchenschiff dichtgedrängt alte Menschen, meist Frauen, von denen viele ihre Enkelkinder an der Hand führen. Oben auf der Empore versammeln sich Mitglieder der neuen sowjetischen Generation um die Orgel; ihre Stimmen erheben sich zum Lobe Gottes.

Chorleiter ist ein junger Sowjetbürger, etwa zwanzig Jahre alt, von Beruf Ingenieur, also Angehöriger der intellektuellen Elite des kommunistischen Rußland.

Fragt man die jungen Russen, warum sie in einem Kirchenchor singen, so antworten die Baptisten, sie hätten Freude am Singen, sie liebten Musik und Kameradschaft -- deshalb singen sie in einer Baptistenkirche.

In einem unendlichen Meer von Materialismus und selbstbewußter Über-heblichkeit sind die Kirchen Rußlands kleine Inseln. Der einzige Platz, an dem man in Rußland allein sein kann, ist die Kirche.

In den ersten Jahren der Revolution wurden überall in Rußland Kirchen gestürmt, geplündert, in Ruinerz oder in Tempel für die neuen Götter der Produktion verwandelt. In den letzten Jahren hat sich die offizielle Einstellung gegenüber den kirchlichen Bauwerken der Vergangenheit gewandelt. Heute sieht man bei einem Spaziergang durch Moskaus Straßen Arbeiter im Auftrag des Staates auf Gerüsten stehen, die Zwiebeltürme verwahrloster Kirchen vergolden, Mosaike und Kunstwerke ausbessern.

Das geschieht im Namen der Kunst und der Geschichte, nicht im Geiste Gottes. Dennoch macht die gesamte Lehre des Atheismus eine Wandlung durch, gerade jetzt, da die Sowjetmacht ihr halbes Jahrhundert vollendet.

Einige professionelle Atheisten des kommunistischen Systems geben zu, daß sie einen schweren Fehler begangen haben. »Heute beruhigen wir uns mit der Vorstellung, in unserem Lande hätten viele Gläubige Kirche und Religion aufgegeben. Das ist jedoch Selbstbetrug«, schrieb ein atheistischer Propagandist aus der Ukraine.

»In weiten Teilen des sowjetischen Staatsgebietes gibt es weder Kirchen noch Priester, aber Gläubige. Man bekehrt Gläubige nicht zu Atheisten, indem man ihnen den Zugang zur Religion verlegt. Im Gegenteil, dies stärkt die Hinwendung der Menschen zur Religion, und überdies verbittert es sie.

Wie aber kann man die Stärke organisierter Religion im heutigen Sowjetrußland messen? Statistische Stichproben, die eine Art atheistischer Meinungsforscher in verschiedenen Gebieten durchführten, enthüllten, daß die orthodoxen Kulthandlungen während der fünfziger Jahre um das Zwei- bis Dreifache gestiegen sind.

Regelmäßiger Kirchenbesuch ist nicht unbedingt ein guter Gradmesser religiöser Stärke. Auch läßt der Umstand, daß Gläubige mittleren und hohen Alters überwiegen, nicht ohne weiteres darauf schließen, die Religion werde mit dieser Generation aussterben. Ehe sie nicht ihren beruflichen Höhepunkt oder ihre Altersversorgung erreicht haben, werden sicher viele Sowjetbürger ihre Überzeugungen nicht offenbaren. Sind sie aber erst einmal in Sicherheit, dann werden sie sich nicht mehr darum kümmern, ob ihre Vorgesetzten oder Kollegen sie auf dem Gang zur Kirche antreffen. Immer noch befriedigt ·der religiöse Glaube ein Bedürfnis der sowjetischen Gesellschaft.

Einen besseren Hinweis auf die Rolle der Religion liefern die Klagen der Atheisten. Ein Beispiel: Die örtliche Gemeinde schickte ein krankes Kind zur Kur. »Das hätte auch das Betriebs-Komitee tun können«, jammerte daraufhin ein militanter Parteigenosse.

Seit 1964 hat sich die Tonart der atheistischen Propaganda geändert. Damals ging der primitive Atheismus der vorangegangenen Jahre zu Ende, jene Mentalität, die den ersten sowjetischen Kosmonauten Jurij A. Gagarin zu der Äußerung verleitete, auf seiner Reise durch die Himmel sei ihm weder Gott noch ein einziger Engel begegnet. Darüber machte man sich nun auf einmal lustig. Warum dieser Wandel?

Die alten Methoden hatten nicht gewirkt -- religiöser Glaube hatte sie überlebt. Zudem machte die kommunistische Ideologie eine bezeichnende Evolution durch. In Europa debattierten Marxisten und Christen. Das sowjetische Staatsoberhaupt besuchte Papst Paul VI. Die Ausdehnung staatlicher Kontrolle auf die Kirchenorganisation läßt eine vehemente antireligiöse Kampagne weniger dringlich erscheinen.

Wichtiger aber, weil zukunftweisend, ist, daß sich das Interesse an der Religion in jenen Kreisen neu belebt, die weit außerhalb der Kirche stehen. Von den ideologischen Fesseln des Stalinismus befreit, sucht die sowjetische Intelligenz nun außerhalb »des Kommunismus nach Anregungen.

In der heutigen Sowjetgeneration hat Neugier die feindselige Einstellung zur Religion ersetzt. Der Grund dafür läßt sich leicht fin-den. Immer wiederkehren-des Thema moderner Literatur ist die Frage, warum dem Menschen das Bewußtsein fehlt, in der heutigen Gesellschaft einen Zweck zu erfüllen; es ist das alte russische Thema des Nihilismus.

Der Schriftsteller Konstantin Simonow handelte sich eine herbe Rüge der »Iswestija« ein, weil er öffentlich erklärt hatte, einige religiöse Glaubens-sätze hätten ihre »nützlichen Seiten«. Ein berühmter russischer Komponist hatte eine Bibel auf dem Nachtschrank liegen. »Mir bereitet sie als Poesie und Kunst Freude«, erklärte er. Schnell setzte er hinzu: »Es wäre aber besser, wenn Sie mich mit diesem Satz nicht zitieren würden.« Bei ihrer Planung haben die Kommunisten den Geist und den Körper bedacht, die Seele aber übergangen. Religion ist den Intellektuellen als Poesie, als ein Weg zu jener tiefen Moral erschienen, die das kommunistische System nicht bot. Wird aber die Religion zur Quelle von Poesie und Moral, dann verliert alle atheistische Zensur ihren Wert. Man ignoriert sie einfach.

Der sowjetische Kinderbuchautor Kornej I. Tschukowski veröffentlichte biblische Geschichten für junge Leute.

Er erzählt Freunden gern seine Lieblingsgeschichte von zwei Knaben, deren Unterhaltung er eines Tages in einem Moskauer Park belauschte. »Gibt es einen Gott?« fragte ein siebenjähriger Junge. »Wir Kommunisten glauben das nicht«, erklärte sein Spielkamerad altklug, »aber, natürlich, vielleicht gibt es ihn irgendwie doch.« Ende

Peter Grose

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