GROSSBRITANNIEN Der Bruch von Harrow Wood
Mit genialer Mühelosigkeit starten die Briten alle paar Monate einen neuen Flugzeug-Typ. Als ob es nichts wäre, brachen sie im August 1951 mit ihrem neuen Zweidüsen-Bomber »Canberra« den transatlantischen Geschwindigkeitsrekord oder beschränkten sich, wie bei dem letzten Modell, dem Vierdüsen-Bomber »Valiant«, auf die schlichte Erklärung, daß es der schnellste und beste Atombomben-Träger der Welt sei. Weshalb also hat England keine Luftwaffe, die den Anforderungen gewachsen ist, wenn die Engländer
doch nachgewiesenermaßen die schnellsten Flugzeuge konstruieren.
Auch die Russen wissen, daß die Engländer die härtesten Flugzeugmotoren der Welt bauen. Die Sowjet-Jäger erzielen ihre guten Flugleistungen mit nachgebauten Rolls-Royce-Düsenmotoren. Aber die Briten neigen dazu, Kleinigkeiten in der Benzinzuführung oder in der Kühlanlage oder in der Enteisungsvorrichtung zu übersehen. Wegen solcher Defekte haben britische Maschinen die höchste Absturzrate im Westen, und deshalb auch bekommen RAF- und NATO-Piloten keine kampffähigen modernen Maschinen in die Hand.
Die meisten europäischen NATO-Nationen - Norwegen, Dänemark, Frankreich und Portugal - haben ihre Jagdstaffeln hauptsächlich mit britischen Vampire-Jägern ausgerüstet, ebenso die Schweiz. Sie waren schlecht beraten. Die häufigen Abstürze dieser Maschinen haben in Frankreich schon zu Kommissionsuntersuchungen geführt. Portugal verlor drei Maschinen seiner einzigen Vampire-Staffel. Nachdem bei der RAF in Deutschland allein im Dezember 1951 sechs Vampires verunglückt waren, haben die französischen Jagdstaffeln in Friedrichshafen und Dijon Startverbot erhalten, ebenso die norwegische Vampire-Jagdwaffe.
Letzte Woche bekam der Ruf britischer Flugzeug-Konstruktionen seinen bisher schlimmsten Schlag. Der »beste Atombomber der Welt«, der vierdüsige, schnittige Vickers »Valiant«, stürzte mit brennenden Motoren bei Harrow Wood (Bournemouth) ab. Durch Ueberhitzung war in der Motorenbucht ein Paraffinbrand entstanden. Bergungsmannschaften sammelten jeden einzelnen Metallfetzen auf Denn es war die erste und einzige Maschine dieses Typs, die Britannien bisher gebaut hat.
Der US-Luftwaffen-Stabschef, General Vandenberg, war kürzlich extra nach England gekommen, um den »Valiant« zu begutachten. Er hatte begeistert erklärt, er werde »Valiants« für sein Bomberkommando kaufen (der Drang nach Dollaraufträgen ist ein Hauptgrund für die britische Konstruier-Wut). »Zweihundert Maschinen dieses Typs wären als Abschreckungsmittel gegen Aggressoren soviel wert wie hundert Divisionen«, seufzte die Zeitung »Daily Express« in einer Art Nachruf auf den »Valiant«.
Doch am letzten Wochenende hatten sich die Briten schon wieder so weit von dem Schock erholt, daß sie mit frischem Mut
zum Experiment erklärten, sie hätten bei Versuchen mit dem Gloster GA-5 »Delta«, einem Mehrzweck-Düsenjäger mit dreiecksförmigen Tragflächen, sehr gute Fortschritte gemacht: es sei die »ermutigendste Entwicklung des Jahres«, meinte T.O. M. Sopwich, Chef der Hawker-Flugzeugwerke. Trotz solcher genialer Erfindungen flöge die RAF aber immer noch veraltete Typen.
»Vor einem Jahr«, meinte Sopwich, »fragten wir, ob die Luftmacht der RAF und unserer Alliierten stark genug sei, um die Sicherheit und Freiheit unseres Volkes zu schützen. Damals lautete die Antwort: 'Nein'. Sie lautet immer noch 'Nein'.«