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UNIFORM-BESCHAFFUNG Der goldene Boden

aus DER SPIEGEL 23/1956

Das Gesicht des Hauptgeschäftsführers im Zentralverband des Deutschen Handwerks, Dr. Wellmanns, spiegelte eine Mischung von Erwartung und Ehrfurcht wider. Die Telephonistin hatte ihm ein Gespräch direkt aus dem Bundeskanzleramt avisiert. Es war an einem Dienstag im vergangenen Monat.

Dem Bundeskanzler, so hörte Dr. Wellmanns bald darauf aus der Hörmuschel, sei daran gelegen, zu erfahren, »ob nun das Handwerk an der Ausrüstung der Bundeswehr ausreichend beteiligt ist«. Wellmanns beeilte sich, namens der rund viereinhalb Millionen Beschäftigten des Handwerks zu versichern, daß »nunmehr alles bestens ist«.

Kurz zuvor hatten Westdeutschlands Handwerker der Bonner Ministerialbürokratie nach monatelangen vergeblichen Versuchen eine Konzession abringen können, auf die andere Wirtschaftssparten bisher vergeblich hoffen: einen garantierten Anteil am Rüstungsgeschäft.

Kraft einer internen Abmachung zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium, dem Bundesrechnungshof und dem Bundesverteidigungsministerium werden ab sofort dreißig Prozent aller Aufträge, die vom Hause Blank öffentlich vergeben werden, dem Handwerk und den sogenannten mittelständischen Betrieben zugeschlagen.

Bis zu dieser Vereinbarung hatten Handwerk und Mittelbetriebe mit wachsendem Mißvergnügen ansehen müssen, wie die großen Aufträge für Uniformen und Geräte, die das Verteidigungsministerium vergab, den Großbetrieben zugeschlagen wurden, die die günstigeren Offerten abgeben konnten und allein fähig waren, die großen Auftragsposten, die sogenannten Lose, termingerecht zu liefern. Im Januar dieses Jahres wurden beispielsweise öffentlich ausgeschrieben:

- Tuchhosen, grau, in Auftragsposten von

je 20 000 Stück,

- Dienstblusen grau, je 16 000 Stück,

- Tuchmäntel, grau, je 10 000 Stück,

- Ausgehröcke aus Tuch, je 8000 Stück,

- Schirmmützen, grau, je 9000 Stück,

- Schiffchen, grau, je 21 000 Stück,

- Gabardine-Regenmäntel, blau, je 1800

Stück.

Mittelbetriebe und Handwerker konnten weder preislich mitbieten, noch wären sie jemals - selbst bei einem Zusammenschluß zu Produktionsgenossenschaften - in der Lage gewesen, derart große Posten zu übernehmen. Für die Herstellung eines Militärmantels werden nämlich etwa acht Stunden reine Arbeitszeit benötigt. Bei den Mindestposten von 10 000 Stück, unter denen kein Auftrag vergeben wurde, muß der ausführende Betrieb rund 135 Produktionsarbeiter beschäftigen, um die Mäntel in der vorgeschriebenen Frist von drei Monaten zu liefern.

Verstimmte Kleinindustrielle liefen ihren Verbänden die Türen ein. Sie forderten eine Revision des vom Verteidigungsministerium praktizierten Ausschreibungsverfahrens. Die Blankschen Lieferbedingungen und Auftragsposten-Größen, klagten die Kleinen, zielten darauf ab, wenigen

Großbetrieben mit entsprechender Kapitalkraft und guten Einkaufsbeziehungen die Wehraufträge zuzuschanzen.

Nun ist die Textilindustrie alles andere als ein einzig Volk von Brüdern. Da immerhin einige Großfirmen mit Theo Blank ins Geschäft gekommen sind, halten die um Hilfe angegangenen Verbände es für ratsam, es mit niemandem zu verderben.

Die zu kurz gekommenen Handwerker dagegen, die dem Kanzler der Aufrüstung schließlich auch mit ihren Stimmen zu seinem Amt verholfen hatten, waren erfolgreicher. Im Februar marschierte der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Josef Wild, direkt zum Bundeskanzler. Der Leiter der Abteilung öffentliche Aufträge im Zentralverband des Deutschen Handwerks, Dr. Norbert Wolf, hatte einen präzisen Vorschlag ausgearbeitet:

Laufen auf eineAusschreibung für einen Artikel - ganz gleich welcher Art - Angebote ein, so werden die ersten 70 Prozent des Gesamtauftrages nach dem Prinzip des billigsten Preiszuschlages verteilt. Für die restlichen 30 Prozent wird an Hand der von Industrie und Handwerk abgegebenen preislich nächstgünstigen Offerten ein Mittelpreis errechnet. Zu diesem Preisdurchschnitt werden dann 30 Prozent des Auftrages dem Handwerk überlassen.

Die Bonner Ministerialbürokratie sagte nicht nein zu diesem Plan, und dem Handwerkerverband wurde die Ehre zuteil, daß der Bundeskanzler sich selbst danach erkundigte, ob die Handwerker nun zufrieden seien.

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