Der heimliche Botschafter
Der schlanke, hochgewachsene Mann stand neben Willy Brandt, als der damalige Regierende Bürgermeister am 22. August 1961 die wachsende Berliner Mauer besichtigte. Fünf Jahre später fingerte der geheimnisvolle Unbekannte die erste Begegnung zwischen Brandt und dem sowjetischen Statthalter in Ost-Berlin, Pjotr Abrassimov - mitten im Kalten Krieg eine politische Sensation.
In seiner weißen Villa in der Winkler Straße im Berliner Edelviertel Grunewald skizzierten Brandt und Herbert Wehner, Egon Bahr und Helmut Schmidt 1969 die Grundzüge der sozialliberalen Deutschlandpolitik.
Von hier aus ließ der SPD-Fraktionschef Wehner 1973 den Faden zu Erich Honecker knüpfen, wurden die Reisepläne geschmiedet, um den DDR-Parteichef in dessen Datscha am Wandlitzsee zu treffen.
Von seinem Telefon aus wählte der Hausherr im Frühjahr 1975 Honeckers Privatnummer, um den DDR-Herrscher mit Kanzler Helmut Schmidt kurzzuschließen und das Treffen der beiden während der KSZE-Gipfelkonferenz in Helsinki zu verabreden.
Im Jahr zuvor, am 6. Mai 1974, war der mysteriöse Mann ganztägig Gast im Hause Herbert Wehners auf dem Bonner Heiderhof. Es war der Tag, an dem Willy Brandt des Referenten Günter Guillaume wegen die Kanzlerschaft aufgab und ein Nachfolger fehlte: Helmut Schmidt lehnte in Wehners Haus die Nachfolge Brandts ab.
Mister X, über Jahrzehnte engster Freund Herbert Wehners, wurde in seiner aktiven Zeit mit Namen kaum genannt. Kanzler Brandt verwandte verschleiernde Chiffren - etwa »der Schwede« oder »der Opernsänger«. Kanzler Schmidt hieß ihn - auch, um damit den eigentlichen Bonner Missionschef in Ost-Berlin, Günter Gaus, zu quälen - »unseren Botschafter«. Der unbekannte Botschafter heißt Carl-Gustaf Svingel, ist jetzt 75, schwedischer Staatsbürger und Freund des dortigen Königshauses. Mit stillem Wirken hat er in der Zeit deutsch-deutscher Verhärtungen mehr spektakuläre Fälle gelöst, als alle Memoirenautoren sich in Sachen Freikauf oder Häftlingsaustausch zugute schreiben. Denn Svingel/Wehner waren immer dabei, wenn es kompliziert war oder wurde: Der Schwede war Mitwisser oder Drahtzieher der meisten Freikaufaktionen.
Den schwedischen Tenor haben der Krieg und die deutsche Nachkriegszeit geprägt. Als Mitglied einer Widerstandsgruppe gegen die deutsche Besetzung in Norwegen lernte Svingel dort und in Stockholm (den späteren Uno-Generalsekretär) Dag Hammarskjöld kennen, freundete sich mit dem jungen Diplomaten Raoul Wallenberg an und vermittelte dem die Bekanntschaft zu den Emigranten Willy Brandt und Bruno Kreisky.
Weil er als junges Mitglied der Stockholmer Oper deutsche Texte zu singen hatte, wollte er 1952/53 in Hamburg die Sprache lernen - und war von neuen Erlebnissen gefesselt, von Trümmern und Elend, Einsamkeit und Leid. Gemeinsam mit dem Präsidenten des Hamburger Roten Kreuzes besuchte er ein Barackenlager für Flüchtlinge in Friesland: _____« Es war ein regnerischer Novembertag. Ich ging in eine » _____« der Baracken und klopfte an eine Tür. Ich klopfte an » _____« viele Türen, niemand antwortete. Da machte ich eine Tür » _____« auf. Auf dem Bett saß eine alte Frau. Auf dem Fußboden » _____« standen Büchsen, in die der Regen durchtropfte. Als ich » _____« zu ihr gehen wollte, rief sie: »Halt! Sie müssen gehen, » _____« wo die Kreide ist, sonst brechen Sie ein. Und dann sagte » _____« sie: »Uns haben nicht nur die Menschen vergessen.« »
Das, so Svingel, »war mein Damaskus«. Er suchte Kontakt zu entlassenen Kriegsgefangenen, Lagerinsassen, Alten und Kranken, Gefangenen und Menschen mit Schwierigkeiten.
Am 20. Juni 1953, drei Tage nach dem Arbeiteraufstand in Ost-Berlin, tauscht Svingel sein Opern-Engagement ("Ich wäre nie ein großer Sänger geworden") gegen einen Helferposten in einem Heim im südschwedischen Vrigstad, das Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz und Bergen-Belsen aufgenommen hatte. Wenig später wechselt er nach West-Berlin, um dem »Schwedenheim« in Schlachtensee Hilfsdienste zu leisten. Er drängt die schwedische evangelische Kirche so lange, bis die ihm 1958 ein eigenes Haus für die Altenbetreuung kauft und einrichtet. Svingel findet seine Aufgabe - und eine Tarnadresse für seine humanitären Aktionen.
Denn während er über die Jahre 7881 Alte und Kranke, speziell aus der DDR, in den Gästezimmern von Haus Victoria betreuen läßt, widmet sich der Heimleiter in seinen eigenen Räumen immer stärker der Politik. Er übernimmt regelmäßige Kurierdienste für die evangelische Kirche, das Lutherische Kirchenamt und das Diakonische Werk, transportiert über die noch offene Grenze Post, die vertraulich bleiben soll, Medikamente und Lebensmittel in großem Stil; bei jeder Fuhre je fünf Kilogramm Kaffee, Butter und Käse. Er spielt den Kurier für den Berliner Bischof Kurt Scharf und für den Bonner Militärbischof Hermann Kunst, einen Vertrauten des CDU-Kanzlers Konrad Adenauer.
Beim schwedischen Generalkonsul Sven Backlund trifft er Willy Brandt wieder, der nun Berlins Regierender Bürgermeister ist, lernt dort Herbert Wehner kennen und spielt seitdem den Kurier zwischen amtierenden und früheren Sozialdemokraten in West und Ost.
Und schon damals wird den Eingeweihten ein Vorzug des neutralen Schweden offenbar: So kontaktfreudig der Kurier der Kirche ist, so diskret verhält er sich zugleich. Er knüpft im Ostteil der Stadt Verbindung zu dem für Kirchenfragen zuständigen Staatssekretär Hans Seigewasser, der ihm die Bekanntschaft mit dem Politbüromitglied Hermann Matern vermittelt.
Beim finnischen Generalkonsul wird dem Schweden erst DDR-Außenminister _(* Am Grenzübergang Herleshausen 1969. ) Otto Winzer, dann Sowjetbotschafter Pjotr Abrassimow vorgestellt; mit beiden freundet er sich an.
Und mancher hilft ihm bei seinen Fahrten durch die Grauzone. Daß er nach dem Mauerbau zuweilen mehrmals täglich im weißen Porsche mit CD-Schild Medikamente - meist Antibiotika - in die Ost-Berliner Charite, zweimal monatlich Insulin ins Villenviertel Grünau oder mehrmals jährlich theologische Literatur zu Kirchenkonventen nach Dresden und Leipzig schafft, bleibt den DDR-Oberen nicht verborgen.
Staatssekretär Seigewasser ermahnt ihn mehrfach: »Svingel, Sie führen vieles ein. Versprechen Sie mir, daß Sie nie Geld rüberbringen.«
Seigewasser schützt den Schweden nicht nur aus Freundlichkeit. Zwar hat er mit Svingel nie direkt über sein Familienproblem gesprochen; aber er weiß, daß der Schwede es gelöst hat: Einer seiner beiden Söhne war in den Westen geflüchtet, von Stasi-Schergen wieder in den Osten verschleppt und dort zu lebenslanger Haft verurteilt worden.
Svingel gelingt es, den Sohn des SED-Prominenten aus DDR-Haft freizukaufen - für Geld, das er bei Bischof Scharf lockermachte. Es kommt zum Jour fixe mit Seigewasser. Abwechselnd zahlt entweder der SED-Funktionär oder der Schwede die Zeche für das gemeinsame monatliche Mittagessen im Hotel Unter den Linden.
Die Investition lohnt sich. Svingel versteht Seigewassers Mahnung als Hinweis, daß ihm mithin der Transport von Arzneien und Briefen nicht verwehrt werde. Außer Geld transportiert er alles - Motoröl für sämtliche Kirchenfahrzeuge der DDR, Zündkerzen, selbst Kotflügel; auch Zahngold oder Blattgold für Grabsteine.
Der DDR-Staatssekretär hilft, daß ein Haftbefehl (wegen Schmuggels) niedergeschlagen wird, und er verschafft Svingel Einfuhrgenehmigungen für theologische Literatur - in riesigen Mengen. Zum 450. Jahrestag der Reformation am 31. Oktober 1967 legt Svingel dem Funktionär eine Liste mit 4500 Büchern vor: Er habe dem Jubiläum bloß eine Null hinzugefügt. Die Einfuhr klappt.
Im Auftrag der Kirche besucht Svingel damals die Synoden zwischen Greifswald und Dresden, versorgt die Synodalen mit Akten und Papieren, besucht in Eisenach den DDR-Bischof Moritz Mitzenheim und wohnt während der Leipziger Synode immer bei Professor Ernst Sommerlath. Der Onkel der späteren schwedischen Königin Silvia schätzt ihn als »unseren Metzger«.
Nur einmal hat er Angst, am 28. Oktober 1961. Am Checkpoint Charlie wollen ihn US-Soldaten bei der Fahrt in den Osten stoppen; die Charite braucht dringend ein Mittel gegen Hirnhautentzündung. Er läßt sich nicht aufhalten, überfährt die weiße Linie, als vor ihm zwei russische Panzer auffahren. Und im Rückspiegel sieht er, daß hinter ihm zwei US-Panzer in Stellung gehen.
Ein Sowjetsoldat fordert ihn zum Aussteigen auf. Nach längerer Diskussion setzt sich Svingel durch: Der eine Russenpanzer rollt drei Meter zurück, Svingel kann ihn umkurven und die Fahrt fortsetzen. Der Schwede kommt zum erleichternden Schluß: »Man brauchte mich.«
Man brauchte ihn nach dem Mauerbau vor allem, um seine Erfahrungen als Warenschmuggler in Richtung Osten für den Transport von Menschen in Richtung Westen zu nutzen. Zunächst bot Svingel sein Haus Victoria als Aufnahmeheim für Ostdeutsche an, die sich bei der Flucht über Mauer oder Stacheldraht verletzt hatten. Vielen vermittelte er Erholungsreisen nach Schweden; drei der Flüchtlinge sind inzwischen schwedische Staatsbürger.
Svingel reklamiert nicht den Ruhm für sich, den Häftlingsfreikauf erfunden zu haben, das waren im Juni 1962 der Referent von Bischof Scharf, Rechtsanwalt Reymar von Wedel, und sein Ost-Berliner Kollege Wolfgang Vogel: Sie konnten Weihnachten 1962 die Freilassung von 20 Häftlingen und 20 Kindern durchsetzen. Die evangelische Kirche zahlte dafür mit drei Waggons Kali, die in den Osten rollten.
Die DDR witterte ein Geschäft. Sie ließ Bonn über den Verleger Axel Springer und die Anwälte Wolfgang Vogel und Jürgen Stange ein Angebot unterbreiten: Die DDR sei bereit, sich 1000 politische Häftlinge (von etwa 12 000) abkaufen zu lassen.
Während aber die politischen Unterhändler noch feilschten, stritten und auf höchster Ebene gewichtige Rechtsfragen erörterten - Wie läßt sich eine Anerkennung der DDR vermeiden? Ist ein Handel Geld gegen Menschen vertretbar? Wer entscheidet über die Namen der Freizulassenden? -, war im stillen längst ein anderer Mittler tätig, der selbst heute noch Zurückhaltung und Diskretion wahrt; und auch er stieß an die gleichen Hürden.
Der Schwede kannte Wolfgang Vogel längst. Die beiden duzten sich bereits, als Bonns Gesamtdeutscher Minister Rainer Barzel noch Chancen und Risiken einer Freikaufaktion abwog. Und die beiden hatten ausprobiert, wie sich Mauer und Stacheldraht für Häftlingstransporte öffnen ließen - wenn alle Beteiligten nur wollten.
Vogel hatte nach seinem Jura-Studium zwei Jahre als Hauptreferent in Hilde Benjamins Justizministerium gearbeitet und sich dann als Anwalt in Ost-Berlin, 1957 auch im Westteil der Stadt, niedergelassen. Die erste spektakuläre Tat des Anwalts: Als Verteidiger des US-Studenten Frederic Pryor, der in Ost-Berlin wegen Spionage einsaß, gelang ihm am 10. Februar 1962 der Austausch seines Mandanten und des über der Sowjetunion abgeschossenen U-2-Piloten Gary Powers gegen den in USA inhaftierten sowjetischen Meisterspion Rudolf Abel.
In den ersten Jahren war Vogels Ansprechpartner in der DDR-Hierarchie der Generalstaatsanwalt Josef Streit. In den achtziger Jahren lief der Menschenhandel über den Stasi-Oberst Heinz Volpert, der die Namenslisten abzeichnete und die westlichen Gegenleistungen verbuchte. Komplizierte Fälle besprach Vogel mit Honecker persönlich.
Vogels Fähigkeiten wurden speziell von Schweden genutzt; er war Vertrauensanwalt der schwedischen Botschaft in Ost-Berlin wie Rechtsbeistand des schwedischen Generalkonsulats in West-Berlin.
Svingel bediente sich seiner erstmals, als er einen Wunsch des Bonner Militärbischofs Hermann Kunst zu erfüllen suchte, eine Gruppe von elf Bürgern aus DDR-Haft zu befreien - einen früheren DDR-Professor, der vom Westen aus versucht hatte, seine Familie in den Westen zu schleusen, und dabei samt seinen _(* In Wehners Sommersitz auf Öland. ) Angehörigen geschnappt worden war. Nach eintägiger Bedenkzeit versprach Vogel Hilfe, forderte allerdings für die Ausreise der Gruppe eine Summe, die nicht zu verändern sei. Vielmehr werde sich der Betrag (250 000 Mark) verdoppeln, sollten die Westdeutschen anfangen zu handeln.
Genauso kam es: Der Staatssekretär im Gesamtdeutschen Ministerium, Carl Krautwig, lehnte ab. Bonner Standpunkt: »Wir diktieren, nicht die.«
Nach einwöchiger Bedenkzeit gaben die Geldgeber nach - und mußten den doppelten Betrag überweisen. Die elf kamen frei; zwei Priester blieben freiwillig in der DDR, die neun Überwechsler konnten sich zwei Tage im Haus Victoria von der Haft erholen.
Manchmal glich die weiße Villa am Grunewald einem Sammellager, Svingel und der evangelischen Kirche wurde der Ansturm zuweilen zuviel. Sie waren froh, daß sich die Bundesregierung mit ihrem Unterhändler Ludwig Rehlinger um die einfachen Transaktionen kümmerte. Allein im ersten Jahr (1964) investierte Bonn in die von den Experten »B-Geschäft« genannten Freikäufe 37,92 Millionen Mark.
»Maximal zehn« Bonner Politiker - so schilderte es der Leiter des Geschäfts, Ludwig Geißel, Direktor beim Diakonischen Werk in Stuttgart - kannten die Einzelheiten des Handels, doch er lief wie geschmiert: Zwischen 1963 und 1989 wurden 31 775 Häftlinge aus DDR-Gefängnissen freigekauft, im selben Zeitraum durften 250 000 Menschen im Wege der Familienzusammenführung in den Westen ausreisen. Als Gegenleistung lieferte die Caritas, vornehmlich aber das Diakonische Werk, Industriewaren, Rohstoffe und Lebensmittel im Wert von 3 398 997 134,64 Mark. Und manchmal überbrachte der Schwede seinen östlichen Partnern auch Bargeld - etwa, wenn es um die Freilassung von ausländischen Staatsbürgern oder von Firmenangehörigen ging.
Den Bonner Wunsch, Svingel möge als »neutraler Ausländer« die Busse mit den Freigekauften begleiten, lehnte der Schwede kategorisch ab: Er wollte still und unerkannt im Hintergrund bleiben.
Vogel erhielt für seine Mühen, zusätzlich zum Honorar seiner DDR-Klienten und zu seinen Notargebühren, von der Bonner Bundesregierung nach deren Angaben pro Jahr zuletzt etwa 320 000 Mark. Svingel bekam nichts: Er tat aus Neigung, was Vogel als Beruf betrieb.
Svingel konnte sich fortan auf komplizierte Fälle konzentrieren, die aus der Routine der Verhandlungen zwischen Rehlinger/Stange und Vogel fielen. Bei den wenigen Eingeweihten mehrte sich der Ruf des zuverlässigen Unterhändlers. Schon bald erschien beim schwedischen Protestanten und Sozialdemokraten der Generalsekretär des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, der Christdemokrat und spätere Parlamentarische Staatssekretär im Bonner Innenministerium, Heinrich Köppler. Er bat um Hilfe für Mitarbeiter der katholischen Kirche, die in der DDR einsaßen. Svingel kaufte sie frei.
Der CDU-Mann startete zum Dank eine »Aktion Svingel«, über die Dutzende von Häftlingen auf Köpplers Kosten ausgekauft und freigelassen wurden.
Auch Prominente gehörten dazu. Etwa der frühere Radsportmeister Harry Seidel, der sich 1961 in den Westen abgesetzt und nach dem Mauerbau mitgeholfen hatte, durch selbstgegrabene Tunnel Flüchtlinge auszuschleusen. Am 14. November 1962 wurde ein - von der CDU finanzierter - Tunnelbau der Stasi verraten, Seidel geschnappt und zu lebenslanger Haft verurteilt.
Laute Proteste im Westen nutzten nichts - aber Svingels beharrliches Drängen: Am 13. September 1966 kam Seidel frei. Svingel versteckte ihn vor den Nachstellungen der westlichen Presse, wie er den DDR-Behörden versprochen hatte, im Haus Victoria und danach in Schweden.
In Bonn war mittlerweile Herbert Wehner als Nachfolger von Barzel und Mende Gesamtdeutscher Minister geworden. Seit seinem Aufenthalt in Schweden von 1941 bis 1946 hatte Wehner ein Faible für das skandinavische Land - und fürs Humanitäre sowieso.
Wehner nutzt Svingels Kontakte, Svingel nutzt Wehners Protektion - beides in großem Stil, beides diskret. _____« Wehner ließ mich, als er in Berlin war, fragen, ob er » _____« mich nicht treffen könnte. Wir haben uns von Anfang an » _____« sehr gut verstanden. Er wußte schon durch Heinrich » _____« Köppler, daß ich in der Familienzusammenführung und im » _____« Gefangenenfreikauf tätig war. Und dann sagte er: » _____« Carl-Gustaf, tue alles, was du kannst, um einem » _____« Gefangenen in der DDR die Haft um einen Tag zu verkürzen. » _____« Bleibe dabei innerhalb der Legalität. Und wenn du auf die » _____« Grenze der Legalität gehst, wenn es darum geht, einem » _____« Menschen aus dem Gefängnis in der DDR zu befreien, dann » _____« hast du auch meinen Segen. »
Der Schwede arrangierte im Herbst 1966 das erste Dreiertreffen mit Vogel und Wehner in Bonn und wenig später im Haus Victoria in Berlin. Von nun an trafen sich Vogel oder Svingel mindestens einmal im Monat mit Wehner in Bonn oder Berlin. Oft, wenn Vogel keine Ausreiseerlaubnis aus der DDR bekam, mußte Svingel den Boten spielen und die Namenslisten von Vogel zu Wehner, und umgekehrt, transportieren.
So kam etwa am 16. Dezember 1967, während Wehner samt Stieftochter Greta seit drei Stunden im Haus Victoria wartete, statt Vogels ein Telegramm: »Zusammentreffen und Gespräch nicht genehmigt. Vogel.« _____« Es ging plötzlich nichts mehr. Es wurde alles » _____« gestoppt. Und dieser Stopp war von den Sowjets befohlen. » _____« Grund für diesen Stopp war der Spion Felfe. »
Der Fall sollte eigentlich schon im September 1967 gelöst sein. Heinz Felfe, Leiter des Referats »Gegenspionage Sowjetunion« im Bundesnachrichtendienst (BND), war jahrelang Doppelagent für das KGB gewesen, bis er im Juli 1963 wegen Landesverrats zu 14 Jahren Haft verurteilt wurde. Seitdem drängten die Sowjets auf Freilassung ihres Topagenten, doch sperrten sich BND-Chef Reinhard Gehlen und sein Nachfolger Gerhard Wessel gegen die Begnadigung, weil Felfe noch zu viele Interna aus dem Münchner Geheimdienst kenne. Daraufhin brach die DDR für mehr als ein Jahr alle Gespräche über humanitäre Angelegenheiten ab.
Viele Häftlinge warteten monatelang in einem Sammellager bei Karl-Marx-Stadt auf die Weiterfahrt. Schließlich meldete sich Vogel bei Svingel und bat um Intervention in Bonn. _____« Ich ging zum Telefon und - es war fast Mitternacht - » _____« rief Willy Brandt an, damals Außenminister und » _____« Vizekanzler. Rut war am Telefon und sagte: »Hi, da muß es » _____« ja brennen, wenn du um diese Zeit anrufst.« Ja, das tut » _____« es auch, habe ich gesagt. Nach einer Weile kam Willy, und » _____« ich bat ihn dringend um einen Termin. Er sagte: » _____« »Vielleicht wird nächste Woche gehen.« Nein, antwortete » _____« ich, am liebsten gestern. » _____« Am nächsten Morgen rief Greta an und sagte, du hast einen » _____« Termin bei Willy um drei Uhr. Inzwischen rief ich das » _____« Innenministerium an und sagte Staatssekretär Köppler, ich » _____« wäre dankbar, wenn ich ihn in einer dringenden » _____« Angelegenheit möglichst mit seinem Chef Benda sehen » _____« könnte; vorher sei ich beim Außenminister. »
Svingel trug beiden Ressortchefs das Problem vor, doch Wessels BND und das Kanzleramt machten weitere Schwierigkeiten. Um die sowjetische Haltung zu testen, reiste der Schwede zu Abrassimov nach Ost-Berlin, der ihn ermunterte, der Westen könne für Felfe viele seiner Agenten eintauschen. Zusammen mit Wehner stellte Svingel eine Liste mit zwei Dutzend Namen zusammen, an deren Freilassung die Westdeutschen interessiert waren - drei westdeutsche Studenten, die wegen Spionage in der Sowjetunion einsaßen, einige Spione, die in der DDR verurteilt waren, und andere, bis dahin unlösbare Ausreisefälle.
Die Sowjets waren einverstanden, nur der BND bremste trotz persönlicher Interventionen von Wehner so stark, daß Kanzler Kurt Georg Kiesinger sich weigerte, den Handel zu genehmigen. Schließlich bat Wehner um einen Termin bei Kiesinger. Der Kanzler sprach von »großer Verantwortung«; eine »sorgfältige Prüfung« sei nötig. _____« Darauf Wehner: Ich habe Zeit, Herr Bundeskanzler. » _____« Kiesinger: Ich muß die Akten durchsehen, das kann Stunden » _____« dauern. » _____« Wehner: Ich habe Brote mit - genug, daß auch Sie eins » _____« haben können, wenn Sie möchten, Herr Bundeskanzler. » _____« Da hat Kiesinger gesagt: Herr Wehner, Sie sind » _____« unverbesserlich. Aber so mag ich Sie. »
Dann bat er Bundespräsident Heinrich Lübke, Felfes Begnadigung zu unterschreiben. Felfe kam sofort frei, und zugleich rollten die Busse wieder.
Im Jahr 1967 festigten Svingel/Wehner die Beziehungen zu Anwalt Vogel, damals 41 und frisch geschieden: Sie vermittelten Vogel eine Frau. Die Westdeutsche Helga Fritsch, 27, hatte den Anwalt gebeten, das Mandat für ihren Freund Heinz Ufer zu übernehmen, der beim Transport eines Briefes nach Ost-Berlin ertappt und zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt worden war.
Svingel merkte, daß sich Vogel mehr für die junge Frau als für den Gefangenen interessierte, und setzte mit Wehners Hilfe einen Austausch durch: Gegen den Protest des Bonner Unterhändlers Rehlinger, der andere Fälle für wichtiger hielt und Wehners Einmischung nicht verstand, wurde Ufer ausgetauscht. Dessen ehemalige Freundin brachte der Schwede wenig später in den Ostteil der Stadt; sie heiratete Vogel.
Im Spätherbst 1969 startete die sozialliberale Koalition; mit ihr begann eine Hochphase für das Haus Victoria und für innerdeutsche Kuriere. Wehner gab den Ministerposten auf und übernahm den Fraktionsvorsitz. _____« Er opferte sich, das hat er nicht zum ersten und » _____« nicht zum letzten Mal getan. Aber er ließ die humanitären » _____« Dinge gar nicht aus der Hand. » _____« Auch mußte er keine Rücksicht mehr auf die CDU nehmen, so » _____« daß wir in Bonn oder im Haus Victoria nicht nur » _____« humanitäre Fragen, sondern vielmehr rein politische » _____« Fragen diskutierten. »
Svingel, der nach fast 40jährigem Leben in Deutschland den schwedischen Akzent nicht aufgegeben hat: »Dafür hatte sich Herbert Wehner bestimmt - er wollte alles tun, daß das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik und der DDR besser würde.«
Bei verschiedenen Treffen im Haus Victoria wurden von Brandt, Wehner, Bahr, Ehmke, Wienand und Wischnewski die Grundzüge der neuen Deutschlandpolitik besprochen. Svingel über seine Hausherren-Rolle: _____« Manchmal knallten die Türen. Aber dann tat man alles, » _____« damit das Knallen aufhörte. »
Einmal, bei der Vorbereitung des ersten deutsch-deutschen Gipfeltreffens in Erfurt, war das Knallen so heftig, daß Herbert Wehner in Svingels Wohnzimmer mit wilden Handbewegungen den Glastisch zerschlug.
Am 31. Mai 1973 meldet sich der Berliner Verfassungsschutzchef Eberhard Zachmann bei seinem Freund Svingel, er wisse doch immer, wo Wehner sei, der Kölner Verfassungsschutzpräsident Günther Nollau suche ihn dringend; er lasse ausrichten, es bestehe der dringende Verdacht, daß Brandts Referent Guillaume ein hochkarätiger Spion des Ministeriums für Staatssicherheit sei.
Nach dieser Offenbarung gibt Svingel den Aufenthaltsort Wehners bekannt: Der SPD-Fraktionschef sitzt zu dieser Stunde völlig überraschend mit Erich Honecker auf dessen Landhausterrasse. Wehner hatte sich tags zuvor, am 30. Mai, von Greta heimlich über die innerdeutsche Grenze bei Eisenach chauffieren lassen. Der Schwede kann weder Wehner noch Vogel dort ans Telefon bitten, um ihnen mitzuteilen, Brandts Referent arbeite fürs MfS, deshalb müsse Wehner schleunigst nach Bonn zurück.
Svingel findet einen Weg. Er bittet Wehners Frau Charlotte um Hilfe. Die ruft ihren Mann an, sie sei schwer krank und brauche ihn sofort. Er kehrt noch am Abend zurück.
Daß Wehner am selben Tag, als er über den Verdacht gegen Kanzlerreferent Guillaume unterrichtet werden sollte, am Kaffeetisch von Erich Honecker saß, hatte er seinem Helfer Svingel zu verdanken: Damals hatte die DDR mal wieder für einige Monate alle Ausreisemöglichkeiten gestoppt; Wehner war besorgt und wollte das Problem persönlich lösen. Honecker gab Wehners Drängen nach. Wehner über die Unterhaltung: »Ich habe so gebrüllt, daß die Kaffeetassen flogen.«
Am 24. April 1974 wurde Guillaume verhaftet, Anfang Mai trieben die Ermittlungen zu einer Entscheidung. Am 3. Mai berichtete Nollau seinem Gönner Wehner davon - und von seiner Besorgnis, die »privaten Erlebnisse« Brandts, die sich in den Akten niederschlugen, könnten Amt und Person des Kanzlers schwer schaden. Wehner, der den Parteifreund wegen dessen Entscheidungsschwäche schon mehrmals öffentlich getadelt hatte ("Der Kanzler badet gern lau - so in einem Schaumbad"), dachte ähnlich.
Am Samstag, 4. Mai, trafen sich führende Sozialdemokraten in Bad Münstereifel. Thema: ein möglicher Rücktritt Brandts. Von seinem entscheidenden Vier-Augen-Gespräch mit Brandt hat Wehner nie erzählt; Brandt gewann den Eindruck, Wehner wolle seinen Rücktritt. Andere Spitzengenossen - Finanzminister und Kronprinz Helmut Schmidt, Parteimanager Holger Börner, der Parlamentarische Staatssekretär im Kanzleramt, Karl Ravens - rieten zum Bleiben. Am Sonntag abend, 5. Mai, setzte Brandt sein Rücktrittsgesuch auf, schickte es aber noch nicht ab.
Am Montag morgen herrschte in Wehners Haus am Weißdornweg in Bonn-Heiderhof knisternde Hektik. Um acht Uhr früh erschienen, längst verabredet, Svingel und Vogel zum Frühstück. Der Hausherr wurde durch viele Telefonate immer wieder abgelenkt. Nach dem Frühstück sah er seine Besucher ernst an: »Herr Vogel und Carl-Gustaf, was würdet ihr sagen, wenn von morgen an der Kanzler nicht mehr Willy Brandt heißt?«
Die beiden reagierten entsetzt. Dann verabschiedete der Gastgeber Vogel; der mußte nach Berlin zurück. Svingel blieb den ganzen Tag bei Wehner.
Er hörte, wie ein zaudernder Helmut Schmidt die ihm von Wehner angetragene Kanzlerschaft ablehnte: Er traue sich das Amt nicht zu. Er wolle nicht und könne nicht, und schon gar nicht jetzt.
Wehner wurde unruhig. Unter den Sozialdemokraten war, wenn Schmidt ausfiel, niemand, der mitten in der Wahlperiode glaubwürdig und tatkräftig die Kanzlerschaft hätte übernehmen können.
Ein verzweifelter Plan entstand, um den Sozialliberalen die Macht zu sichern. Wenn es Wehner gelänge, den noch amtierenden Bundespräsidenten Gustav Heinemann (SPD) zu einer weiteren Amtszeit zu überreden, dann brauchte FDP-Außenminister Walter Scheel nicht dessen Nachfolge anzutreten, sondern könnte die SPD/FDP-Kontinuität sichern und Kanzler werden.
Svingel hörte, wie Wehner seinen Kanzlerplan mit den Spitzen des Staates besprach. Für fünf Stunden schien Walter Scheel Kanzler. Doch gegen Mittag brach Wehner seine Kontakte brüsk ab: »Der Scheel kann das gar nicht«, entschied er - und beschwor Helmut Schmidt, die Ablehnung zu überdenken. Es müsse sein, und er müsse ran.
Und zu Svingel sagte er: _____« Ich kenne dich, du hast alles mitgekriegt. Aber » _____« trotzdem hast du nichts gehört. »
Svingel stimmte zu. Dann bat Wehner um Vertraulichkeit: _____« Das ist Geschichte, die du mitmachst. Aber » _____« veröffentliche bitte nichts davon, bevor ich nicht mehr » _____« da bin. Und wenn du vor mir stirbst, stelle sicher, daß » _____« niemand vor der Zeit deine Aufzeichnungen findet. »
Wenig später überbrachte Anwalt Wolfgang Vogel seinem Mittelsmann eine Botschaft: Erich Honecker ließ ausrichten, er habe von der Existenz des Kanzlerspions »auf Ehre und Gewissen« nichts gewußt. Der Schwede gab die Mitteilung weiter nach Bonn.
Die Loyalität, die Svingel seit fast zwei Jahrzehnten für Willy Brandt empfand, brachte er von Stund an auch Helmut Schmidt entgegen. Seine Rolle wurde wichtiger - Schmidt hatte sich bis dahin kaum für Deutschlandpolitik interessiert; dem Ständigen Vertreter Bonns in Ost-Berlin, Günter Gaus, einem Vertrauten Brandts, begegnete er mit Mißtrauen.
Die Zeit der Vertrauensseligkeit zwischen Bonn und Ost-Berlin war nach Brandts Demission zunächst vorbei. Die wenigen deutschlandpolitischen Aktivitäten der neuen Bonner Mannschaft fanden - meist ohne Gaus ("die Gans«, wie Wehner ihn schmähte) - im Haus Victoria statt. Dort wurde auch der Plan ausgeheckt, Schmidt solle Honecker erstmals in Helsinki beim KSZE-Gipfel treffen. Wehner zu Svingel: _____« Ruf doch mal Honecker an; dann kann Schmidt gleich » _____« übernehmen. »
Die Verbindung klappte, das Treffen kam zustande.
Oft genug äußerte sich Wehner in seiner Art über Helmut Schmidt: Etwa, als Svingel dem Kanzler eine Zigarre anbot. Schmidt: »So alt bin ich noch nicht.« Svingel: »Ich hab'' schon mit 20 geraucht.« Schmidt: »Da hatten Sie wohl schon damals Charakter.« Darauf Wehner: »Und du meinst, du hast heute noch keinen Charakter? Wenn du das meinst, stimme ich zu.«
Ein anderes Mal knurrte Wehner über Schmidt: »Ich habe diesen Kanzler gemacht. Da muß ich ihn ertragen. Und er mich.«
Schmidt schätzte Diskretion wie Atmosphäre von Haus Victoria: Er bat darum, daß dort die nächsten deutsch-deutschen Verhandlungen - diesmal um den Swing, den zinslosen Überziehungskredit der DDR im innerdeutschen Handel - stattfinden könnten.
Schmidt, der Gaus sowenig traute wie dem Unterhändler Carl-Werner Sanne, der zuerst das Thema betreute, entsandte seinen Vertrauten Karl Otto Pöhl, den späteren Bundesbank-Chef, ins Haus Victoria. Die DDR schickte Schalck-Golodkowski. Nach zwei Treffen meldeten beide Einigung.
Svingel, der keine Bekanntschaft ausläßt, nutzte den Kontakt zu Schalck: Von nun an verhandelte er die besonders komplizierten Fälle statt mit Vogel mit dem KoKo-Chef, mit dem »alles schneller« ging.
Etwa Anfang 1976: Eine Gruppe ehemaliger Häftlinge des DDR-Zuchthauses Bautzen bittet Svingel schriftlich um Hilfe für einen dort einsitzenden, zu 13 Jahren Zuchthaus verurteilten Fluchthelfer. Der Schwede leitet die Petition nicht, wie gewünscht, an Kanzler Schmidt, sondern an Wehner weiter, der das Schreiben zu Svingels Erschrecken am gleichen Tag, es ist der 29. Januar, im Bundestag während der Debatte zur Lage der Nation - gekürzt um alle Namen - verliest.
Am selben Tag meldet sich Vogel beim Schweden: Honecker habe die Debatte im Fernsehen verfolgt - und die sofortige Freilassung des Gefangenen verfügt. Svingel heißt ihn Stunden später im Westen willkommen.
Hätte Svingel nicht Anfang der siebziger Jahre einen weiteren Menschenhandel eingefädelt - Erich Honecker hätte Probleme gehabt, ein ruhiges Asyl zu finden. Bei dieser Transaktion wurden der DDR-Kampfstoffexperte Adolf-Henning Frucht und ein CIA-Agent gegen drei in Chile einsitzende Kommunisten ausgetauscht, darunter Clodomiro Almeyda, heute Chiles Botschafter und Honeckers Gastgeber in Moskau.
»Im innerdeutschen Bereich gibt es nichts, was ich nicht gelöst hätte«, bekennt Svingel stolz.
Pannen gab es, je mehr ausländische Regierungen sich des heimlichen Botschafters bedienen wollten.
Den Fall Raoul Wallenberg etwa kann Svingel nicht lösen; er ist überzeugt davon, daß ihn nur die schwedische Regierung daran gehindert hat. Der schwedische Kaufmann und Diplomat, der 1944/45 in Budapest wahrscheinlich bis zu 100 000 Juden vor dem Nazi-Zugriff das Leben rettete und deshalb von Albert Einstein zum Friedensnobelpreis vorgeschlagen worden war, ist seit dem Einmarsch der Sowjetarmee in Ungarn 1945 verschwunden. Im Sommer 1965 kam im Auftrag von Abrassimow ein sowjetischer Emissär zu Svingel und bat um Hilfe bei der Freilassung des in Schweden einsitzenden Sowjetspions Stig Wennerström. Svingels Gegenforderung: »Gib uns Wallenberg.«
Doch die schwedische Regierung erteilte, auch nach einem Gespräch mit Außenminister Torsten Nilsson, Svingel keine Verhandlungsvollmacht, verschleppte vielmehr die Gespräche. Der Russe, der Wennerström haben und Wallenberg freigeben wollte, erklärte auf Svingels skeptische Frage, ob Wallenberg überhaupt noch am Leben sei: »Ja natürlich. Wir verhandeln nicht über Tote.« Doch auch ein letztes Tauschangebot aus Moskau ließ Schweden ungenutzt, gab vielmehr einseitig 1974 Wennerström frei.
Auch heute noch ist Svingel überzeugt, daß sein schwedischer Freund lebt, jetzt 80jährig. Einer Straße in Berlin-Marzahn gab Svingel Anfang Februar dessen Namen.
Mehr Erfolg war dem Schweden bei einer humanitären Aktion beschieden, die ausnahmsweise den Ost-West-Konflikt überhaupt nicht berührte. Er las in der Zeitung vom Schicksal der wegen Doppelmords in einem Indizienprozeß zu lebenslanger Haft verurteilten Vera Brühne - und von den Zweifeln am Urteilsspruch.
Der lebenslange Gefangenenbefreier handelte: Er schickte Herbert Wehner ein Gnadengesuch mit der Bitte um Weiterleitung an Bundespräsident Scheel: _____« Es steht mir vielleicht nicht zu, als Schwede um » _____« Gnade für eine Deutsche zu bitten, aber wie Sie wissen, » _____« stehe ich seit bald 25 Jahren in karitativer Arbeit in » _____« Deutschland, um alten und kranken, getrennten und » _____« gefangenen Menschen nach meinen Kräften und Möglichkeiten » _____« zu helfen. » _____« Ich weiß, daß ich Sie, Herr Bundespräsident, in eine » _____« schwierige Lage versetze mit dieser Anfrage. Ich weiß » _____« aber auch, daß Sie - wenn Sie es für richtig halten - » _____« eine Möglichkeit suchen werden, um diesem Menschen zu » _____« helfen. »
Scheel gab das Schreiben postwendend an den zuständigen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß weiter, ebenfalls mit eigenen Anmerkungen. Vera Brühne kam wenig später, am 15. Dezember 1979, frei. Svingel hat sie nie gesehen.
Wehner zog sich 1983 aus dem Bundestag zurück. Svingel traf ihn noch oft auf Öland, wo die beiden Erinnerungen austauschten.
Wehner etwa machte Svingel klar, daß ein Vermittler wenig Dank zu erwarten hat: Rechts und Links, Ost oder West feiern ihren Erfolg; der Mann dazwischen wird fast immer vergessen.
In den Worten Sven Backlunds, des langjährigen Konsuls in Berlin: »Die Anwälte sind alle reich geworden. Svingel hat die Ehre.«
* Am Grenzübergang Herleshausen 1969.* In Wehners Sommersitz auf Öland.