Der Löwe brüllt wieder
Unsere Jungs greifen ein«, jubelte die Sun in Balkenlettern über einem Union Jack. Das Konkurrenzblatt Star druckte einen riesigen Atompilz und drohte Iraks Saddam Hussein: »We'll nuke you.«
Der britische Löwe brüllt wieder. Und das patriotische Triumphgeheul in den Boulevardzeitungen reflektiert die Stimmung im Land: 83 Prozent der Briten finden es richtig, daß ihre Regierung ein Expeditionskorps an den Golf geschickt hat.
Die Briten meinen es ernst. Ihre Fregatte »Jupiter« überprüfte vorige Woche zum erstenmal in der Golf-Krise einen Frachter, der in Verdacht stand, Waren für den Irak zu befördern. London demonstrierte damit, daß es ebenso wie die USA eine Blockade erzwingen will.
Embargo, Blockade, Krieg - während andere Nationen eine solche Eskalation fürchten, feiern sich die Engländer angesichts der Herausforderung am Golf: Niemand in Europa habe so entschlossen wie sie auf den irakischen Einmarsch in Kuweit ("Saddam Husseins Sudetenland") reagiert. Niemand sonst als ihre eiserne Maggy Thatcher habe US-Präsident Bush zu schlagkräftigem Handeln ermuntert.
Der konservative Publizist Peregrine Worsthorne doziert befriedigt: »Das Ende des Kalten Krieges hat keineswegs eine Welt hervorgebracht, in der Britanniens imperiale Tradition nicht mehr gefragt ist.«
Imperialer als andere kann sich Großbritannien geben, weil es neben Kanada als einziges Land unter den sieben größten westlichen Industriestaaten mehr Erdöl exportiert als einführt und damit sogar von Preiserhöhungen profitiert. Und so wie 1982 Argentiniens Militärs mit ihrem Überfall auf die Falklandinseln, hilft nun Saddam Hussein indirekt der Premierministerin.
Angesichts seiner Drohungen rücken innenpolitische Nöte - Kopfsteuer, exzessive Hypothekenzinsen sowie das marode Gesundheits- und Verkehrswesen - in den Hintergrund. Da kann kein Konservativer die Parteichefin mehr herausfordern. Da muß die Labour Party der Nahostpolitik der Regierung folgen. Schon gewinnen die seit Monaten weit abgeschlagenen Konservativen an Boden - wie einst beim Falklandkrieg.
So wie damals überschwemmt eine Welle von »Jingoismus« - britischem Chauvinismus - die Insel. Rührselig berichten Reporter vom Auszug der Krieger an den Golf, von vorverlegten Hochzeiten und von Kriegsbräuten, die ihren Verlobten ewige Treue schworen. Die irakischen Feinde erscheinen in den Zeitungen dagegen als »Tiere« und »Schweine«.
Vaterländischer Geist erfaßt sogar die Kleinen. Beim Tag der offenen Tür auf dem Luftwaffenstützpunkt Leeming in Yorkshire durften Kinder für zehn Pennies irakische Spielschiffe mit Dartpfeilen bombardieren: »O, what a lovely war.«
Um den Ernstfall für die Nachwelt künstlerisch zu dokumentieren, schickt das Imperial War Museum einen offiziellen Schlachtenmaler an den Golf. Die dort eingetroffenen Truppen können den Soldatensender British Forces Broadcasting Service einstellen. Er sendet seit voriger Woche ein Spezialprogramm mit Hitparade und Grüßen von zu Hause.
An der Heimatfront nahm das BBC-Fernsehen einen Film aus dem Programm, weil er eine britische Niederlage - 1885 - in der Wüste zum Thema hatte: das Hollywood-Epos »Khartoum«.
Denn die Briten wollen nicht so tief sinken wie die Deutschen, die, so der Ideologe Worsthorne, »psychologisch unfähig sind, Blut, auch für eine gerechte Sache, zu vergießen und mit ihrer eigenen Anti-Kriegs-Psychose den Rest Europas anstecken«.
Freilich erheben sich auch warnende Stimmen im wehrhaften Britannien. Das Ja der Briten zum Eingreifen am Golf kann sogar nach Meinung von Thatcher-Anhängern schnell verfliegen, wenn sich die Krise lange hinziehen sollte. Im Falklandkrieg, so mahnen sie, sei es um Landsleute gegangen. Aber am Golf würden Briten ihr Leben für ein fremdes Feudalreich riskieren.