POLIZEI Der Meier war's
In Tübingen loben die Leute ihre Polizei. Ganz ungewohnte Freundlichkeiten kriegen die uniformierten Ordnungshüter dort neuerdings zu hören, und 18 Bürger taten ihre gute Meinung gar in einem offenen Brief ans lokale »Schwäbische Tagblatt« kund.
Die Tübinger Polizisten hätten sich als »sympathische und gefestigte Persönlichkeiten« ausgewiesen, rühmten die Briefschreiber. Der Bürger werde von ihnen »als demokratischer Partner respektiert« und müsse sich »nicht als Objekt eines anonymen obrigkeitsstaatlichen Machtträgers fühlen«.
Soviel Wohlwollen, das da plötzlich über die sonst oft als »Bullen« geschmähten Staatsdiener hereinbricht, wurde ausgelöst durch ein schlichtes Aluminiumplättchen. Format 55 mal 18 Millimeter, das 33 Beamte des Verkehrsdienstes bei der Polizeidirektion Tübingen sich zwischen Revers und Brusttasche an die Uniform geheftet haben. Auf den Alu-Schildchen geben die Polizisten seit kurzem ihre Namen preis und »verzichten damit sichtbar auf ihre Anonymität« -- so der Tübinger Landespolizeipräsident Karl Heuer.
Erstmals wird in der schwäbischen Universitätsstadt praktiziert, was schon Mitte der sechziger Jahre, zu Zeiten handgreiflicher Konflikte mit der Außerparlamentarischen Opposition. vielerorts gefordert, aber von Polizei und Regierenden in allen Bundesländern einhellig verworfen worden war.
Während damals etwa Petitionen der Humanistischen Union in Bremen oder ein FDP-Vorstoß im hessischen Landtag am Widerstand der Polizei scheiterten, ergriffen die Tübinger Beamten jetzt selber die Initiative. Freiwillig, wenn auch erst mal nur probehalber ein Jahr lang, tragen die Verkehrspolizisten Namensplaketten.
Präsident Heuer hatte an der Idee seiner Beamten sofort Gefallen gefunden: Der Kontakt zwischen Bürgern und Polizei werde erleichtert, »situationsbedingte Spannungen und Konflikte« könnten mittels Namensschildehen »verringert oder gar vermieden werden«.
An höherer Stelle stieß der Tübinger Alleingang freilich auf wenig Gegenliebe. Zwar räumt auch Ministerialdirigent Alfred Stümper, Chef der Abteilung öffentliche Sicherheit im Stuttgarter Innenministerium, ein: »Natürlich sind die ersten Emotionen schon weg, wenn jemand den Beamten mit seinem Namen ansprechen kann.« Aber der Tübinger Versuch, moniert Stümper, hätte »mit den Polizeien der anderen Länder kollegialiter abgestimmt« werden sollen.
Überdies hätten die Namensmedaillen »eine problematische Kehrseite«. Er selbst, berichtet Stümper, habe als Polizeichef in Mannheim bereits vor 15 Jahren solche Schildchen einführen wollen: damals habe der Personalrat die Zustimmung verweigert, »weil man nicht ganz sicher war, ob nicht Racheakte an den Beamten oder ihren Familien verübt würden«.
Skeptische Reaktionen löste die Tübinger Initiative denn auch in den anderen Bundesländern aus. Daß »man Repressalien fürchten muß«, nennt das Kieler Innenministerium als Ablehnungsgrund. Aber auch Furcht vor Beschwerden und damit verbundenen Arger läßt die Polizei lieber auf eine Namenskennzeichnung verzichten. »Tausend Leute«, so Hans-Joachim Kloss vom niedersächsischen Innenministerium, »beschwören dann, der Meier war's.«
Auch in Berlin sind Namensschilder »kein Thema« (so Günter Brosius« Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei). Und Manfred Wutzlhofer, Pressesprecher des Münchner Innenministeriums, fragt sich, was »der Bürger für ein Interesse daran haben sollte, eines jeden Polizeibeamten Namen so ohne weiteres ablesen zu können«.
Für den nordrhein-westfälischen Innenminister Burkhard Hirsch ist das Tübinger Modell schlicht »eine Art Nostalgie« und längst überholt durch die amtliche Überzeugung, »daß das nichts bringt«. Hirsch findet es nachgerade entwürdigend, für Polizisten »ein negatives Sonderrecht zu schaffen«; er würde Namensschilder nur bejahen, »wenn alle Bürger ihren Namen als Karte auf der Brust angeheftet tragen«.
Es genüge durchaus, wird allenthalben versichert, wenn Polizisten auf Verlangen Visitenkärtchen aushändigen. Die seien, meint Gert Neumann vom Innenministerium in Hannover, »ein probates Hilfsmittel zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen«. und man habe damit »die besten Erfahrungen gemacht«. Freilich hat, wie Polizisten einräumen, »kaum jemand Lust, ausgerechnet bei einer Auseinandersetzung mit der Polizei um die Visitenkarte des Beamten zu bitten«.
Selbst Nummernschilder (Stuttgarts Stümper: »Hundemarken"), die zum besseren Schutz der Beamten auch nach einem rollierenden System ausgegeben werden könnten und etwa von der SPD in Schleswig-Holstein angeregt worden sind, stoßen bei Politikern und Polizei auf Ablehnung.
Aufgrund des ängstlichen Widerhalls bei ihren Kollegen spielten die Tübinger Polizisten prompt ihr eigenes Modell herunter -- das sei »doch nur eine kleine Geschichte auf örtlicher Ebene« (Präsident Heuer) und ohnehin auf den Verkehrsdienst beschränkt: »Bei geschlossenen Einsätzen kommen Namensschilder nicht in Betracht, weil da ja der Einsatzleiter die Verantwortung trägt.« Und »nicht geeignet« sind nach Heuers Meinung die Alu-Plaketten für Beamte, »die mit Kriminellen zu tun haben": da seien dann Repressalien wie zerschnittene Autoreifen nicht auszuschließen.
Ministerialdirigent Stümper weiß freilich. »daß Namensschilder populär sind«. Er will deshalb »erst mal sehen, was der Versuch bringt«, und dann womöglich selbst bei seinen Amtskollegen in den Ländern vorstellig werden. Obschon gram über den Tübinger Alleingang, findet er, »daß Fortschritt eben vom Vorpreschen lebt«.