RUM Der Rest ist Wasser
Norbert Lorck-Schierning, 43, Chef der Flensburger Rumfirma Pott, schrieb einen groben Brief. Der Adressat sei ein »Neuling auf dem Gebiet des Rums und Rumverschnitts«, der »nicht so einen Ton anschlagen sollte«.
Schierning mißfallen die Töne, mit denen der Kieler Spirituosenfabrikant Friedrich Lehment, 58 (Likör »Schwarzer Kater"), für seinen Rum »Polar Pure« Werbemusik macht: Lehment stellt ihn als »echten Rum« dem Rumverschnitt der Flensburger gegenüber.
In dem Krieg ums Feuerwasser sind
bereits acht Einstweilige Verfügungen und sieben Hauptverfahren eingesetzt worden. Die Gegner:
- Lehment, mit den Firmen Racke (Whisky »Racke rauchzart«, Rum »Negrita") und Bremer Rum-Kontor (Marke »Robinson");
- die Flensburger Firmen Pott, Hansen, Dethleffsen (Balle-Rum) und Sonnberg (Boddel-Rum), die mit ihrem Rumverschnitt rund 40 Prozent Marktanteil haben.
Über 300 Millionen Mark gaben vorwiegend norddeutsche Trinker im vergangenen Jahr für den westindischen Zuckerrohrschnaps aus, fast 100 Millionen mehr als 1960. Der bis dahin auf andere Essenzen eingeschworenen Lehment-Truppe war das Grund genug, zum Angriff auf das Flensburger Rum -Kastell anzutreten. Sie taten es unter der Echtheits-Flagge.
Was echter Rum ist, erklären die Begriffsbestimmungen für Spirituosen: »Als Original-Rum darf nur ein Erzeugnis bezeichnet werden, das aus dem Ausland eingeführt ist und im Inland keinerlei Veränderung erfahren hat. 'Echter Rum' ist ein Original-Rum, der auf Trinkstärke herabgesetzt ist.«
Danach sind die Flensburger Destillate kein echter Rum. Sie entstehen seit 80 Jahren nach einem Rezept, das von den hohen Einfuhrzöllen auf Jamaika -Rum inspiriert wurde: Nur rund drei Prozent sind Originalstoff aus Jamaika, und zwar ein eigens für Deutschland hergestelltes, besonders aromastarkes Konzentrat mit der Fachbezeichnung »German flavoured rum«; etwa 40 Prozent sind westdeutscher Monopolsprit, der Rest ist Wasser.
Da der Spritzusatz als »Veränderung« des Originals gilt, dürfen die Flensburger ihre Produkte nicht als echten Rum anpreisen, sondern müssen sie Rumverschnitt nennen. Sie tun es meist verschämt im Kleingedruckten und werben schlicht für den »guten Pott« oder den »alten Hansen«.
Die traditionelle Rezeptur blieb unangefochten, bis die EWG kam. Sie machte es möglich, Originalrum mit geringer Zollbelastung einzuführen - allerdings nicht aus dem ehemaligen englischen Kolonialgebiet Jamaika, sondern aus Französisch-Westindien.
Prompt meldeten sich die Echten. Sie importierten aus Guadeloupe oder Martinique 75prozentigen Originalrum, den sie lediglich mit Wasser verdünnten, mithin nicht »veränderten«. Das Original macht bei ihnen über 50 Prozent aus.
Die Neulinge, die sich von dem Stichwort »echt« rasche Erfolge gegen den Verschnitt erhofft hatten, wurden zunächst enttäuscht. Ende vergangenen Jahres hatten sie erst drei Prozent Marktanteil. Lehments Polar Pure, obwohl für 1964/65 mit klotzigen vier Werbemillionen versehen, kam nur auf 0,8 Prozent.
Der höhere Preis (Polar Pure: 13,50 Mark; Pott: 10,50 Mark) machte offenbar weniger das Prestigebedürfnis der Trinker als deren Sparsamkeit mobil. Vor allem aber: Der französische Rum schmeckt anders als das alteingeführte German flavour aus Jamaika.
Lehment und seine Verbündeten flüchteten nach vorn. Im September
vergangenen Jahres gründeten sie einen Zeichenverband Echter Rum und ließen sich von ihrem eigenen Klub Garantie-Siegel verleihen, die fortan jeder Flasche wie ein Orden anhingen. In der Werbung kitzelten sie deutsche Sehnsucht nach dem Dabeisein: »Die ganze Welt trinkt echten Rum - und Deutschland? »
Umsonst versuchten die Flensburger, der Siegelei vor Gericht ein Ende zu machen. Hingegen erreichten sie, daß die Echten nicht mehr mit dem Hinweis auf »laufende Qualitätskontrolle durch ein unabhängiges, namhaftes Fachinstitut« werben dürfen.
Die Lehment-Gruppe hatte den Professor Dr. Haeseler vom Berliner Institut für Gärungsgewerbe als Qualitätskontrolleur geheuert, aber dem Gericht bekannte Haeseler, daß sich echter Rum und Rumverschnitt analytisch nicht auseinanderhalten lassen. Es sei »in der Fertigspirituose nicht feststellbar, ob Monopolsprit enthalten (ist) oder nicht«.
Was die Chemie nicht kann, trauen sich immer mehr Trinker zu. Friedrich Lehment verkaufte im Dezember letzten Jahres Rum für 1,85 Millionen Mark mehr als doppelt soviel wie im Jahr zuvor.
Rum-Fabrikant Lorck-Schierning, Kampf-Objekt Polar Pure, Rum-Fabrikant Lehment: Auf Trinkstärke herabgesetzt