Zur Ausgabe
Artikel 23 / 72

PARTEIEN Der Strohmann

Auf den Posten des Finanzsenators reflektiert Hamburgs FDP-Vorsitzender Arning -- ein Mann, der als Springer-Justitiar in TV-Anstalten schnüffeln ließ und an einer Millionenpleite mitwirkte.
aus DER SPIEGEL 7/1974

Herman Ferdinand Arning, 62, ist ein vielseitiger Mann. In den sechziger Jahren stritt der Hamburger Jurist in der Bonner Pressekommission für die Interessen der Großverlage und suchte die »Folgen der Pressekonzentration« (Kommissions-Thema) herunterzuspielen. 1968 scherten ihn Verlegerinteressen offenbar so wenig, daß er in der FDP einer Diskussion über die Entflechtung von Pressekonzernen das Wort redete.

Einst zählte er sich zu den »besten Freunden« des Antikommunisten Axel Springer, dem er als Chefjustitiar zur Seite stand. Heute amtiert Arning als Landesvorsitzender der FDP in Hamburg und macht sich für eine Aktionseinheit »auch mit Kommunisten« stark.

Mit Parteifreunden plauderte er über so Widersprüchliches schon vor Jahren leichthin: »Ich will Ihnen etwas sagen, die Öffentlichkeit ist ein merkwürdiges Instrument. Sie ist außerordentlich schnell vergeßlich.«

Nun soll sich die Öffentlichkeit damit vertraut machen, daß Arning womöglich nach den Landeswahlen im März in die Regierung eintritt und, anstelle des in der Hamburger FDP nicht mehr geschätzten Hans Rau, Finanzsenator wird. »Wenn meine Parteifreunde mich darum bitten«, sprach der Parteichef kürzlich zu Journalisten, »werde ich mich ihrer Bitte nicht widersetzen« -- wie er sich den Bitten anderer schon früher nicht widersetzte.

Er war es, der 1967 als Axel Springers »Bevollmächtigter« für elektronische Medien das ZDF ausspionieren ließ, um durch Skandalisierung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens die Zeitungsverleger ins TV-Geschäft zu boxen. Und er war es, der dem Kieler stellvertretenden Landtagspräsidenten und NDR-Verwaltungsrat Arthur Schwinkowski, der insgeheim als Berater für Springer tätig war, monatlich 2000 Mark zukommen ließ.

Als über die Enttarnung der vom SPIEGEL aufgedeckten TV-Schnüffelei Arnings Verträge mit Springer platzten. fand der Anwalt Anschluß auf St. Pauli. Im Sommer 1970 nahm er für zwei neue Klienten, die Pornoverleger Heinz Peter Feußner und Klaus Tietje, den Kampf ums Recht auf; er wehrte sich dagegen, daß die Animierzeitung »St. Pauli-Anzeiger« wegen Gefährdung der Jugend für ein halbes Jahr vom freien Verkauf über den Ladentisch ausgeschlossen worden war.

Ein gutes Jahr später gewannen die beiden Mandanten, deren Blätter mit Schlagzeilen wie »Vom Blasen und Schlucken« sowie mit Inseraten von »Vollblutweibchen, wild« und »Schmuskater, 100 % Diskretion« reüssierten, ihren Anwalt zum Partner: als Strohmann für ein neues Objekt. Arning wurde Gesellschafter und Geschäftsführer der -- als Lektüre für ältere Leute konzipierten -- »Herz Blatt Illustrierten« (Herausgeber: Quiz-Meister Peter Frankenfeld).

Als vorgeschobener Verleger bewahrte Arning einerseits den Alten-Anzeiger vor dem Ruf seiner Geldgeber Feußner und Tietje. Andererseits wurden durch Arnings Gründung der mit ganzen 50 000 Mark kapitalisierten »Herz Blatt Verlag GmbH« die beiden »wirtschaftlichen Eigentümer von einem Durchgriff auf ihr Privatvermögen grundsätzlich freigehalten« -- so unlängst das Hamburger Oberlandesgericht (OLG).

Arnings GmbH-Manöver bewährte sich, als das »Herz Blatt« nach siebenmal erfolglosem Erscheinen mit 1,7 Millionen Mark Schulden fallierte: Die Hintermänner blieben, abgesehen von einem verlorenen Eigendarlehen von 700 000 Mark, ungeschoren.

Ihr übriges Geschäftsrisiko übertrugen sie mit Hilfe unbezahlter Rechnungen auf ahnungslose »Herz Blatt«-Helfer: die Düsseldorfer Druckerei Schwann (780 000 Mark), den Münchner Manuskripthändler Josef von Ferenczy (180 000 Mark), das Werbeteam der »Jungen Agentur« (80 000 Mark), deren eigener Konkurs durch die »Herz Blatt«-Pleite besiegelt wurde.

Arning stieg drei Wochen vor dem Konkursantrag beim »Herz Blatt« aus. Am 17. Januar dieses Jahres erklärte das Hamburger OLG das Geschäftsgebaren des Strohmanns Arning in Sachen »Herz Blatt« für Rechtens. Einen Tag später ließ der FDP-Mann wissen, einem Partei-Appell, Senator zu werden, wolle er sich nicht widersetzen.

Mehr lesen über

Zur Ausgabe
Artikel 23 / 72
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren