Der Sympathisant
(Nr. 41-45/1977, SPIEGEL-Serie »Sympathisanten")
Was sind Sie für ein Land? Wenn Leute wie Brandt, Böll, Graß und andere von der Strauß- und Springerpresse Terroristen gleichgestellt werden, nur weil diese an viel schlimmeren von Deutschen begangenen Terrorismus erinnern, dann können wir im Ausland nur hoffen, daß diese Sau-Kapplerbande sich gegenseitig umbringt. Europa mit 60 Millionen weniger Arroganzaffen wäre für uns alle ein Traum!
Castellanza (Italien) ELIO BERNASCONI
Bölls »Berichte zur Gesinnungslage der Nation« sind offensichtlich von der Realität bereits weit überholt! Das »Guten Morgen« zur Nachbarin sollte man sich dreimal überlegen. Möglicherweise könnte sie ja mit dem Bruder eines Schwagers einer Tante eines Linken und somit potentiellen Terroristen verheiratet sein.
Frankfurt KARL-H. FRITZ
Jagdszenen in der Bundesrepublik! Das Wild: alle fortschrittlich und freiheitlich denkenden Kräfte. Wer Leute wie Böll, Graß, Gollwitzer, Rinser und andere in einem Atemzug mit den Terroristen nennt, muß sich zusammen mit Strauß, Dregger und anderen auch als Faschist bezeichnen lassen.
Lahn (Hessen) HEINZ GROSS
Von Spitzenvertretern aus dem gewerkschaftlichen, politischen und kirchlichen Bereich erwarten wir endlich eindeutige Stellungnahmen gegen diese Hetzjagd auf aktive Demokraten, gegen diesen schleichenden Terror von rechts. Ihnen, Herr Böll, wünschen wir das notwendige Durchstehvermögen und versichern Sie unserer Unterstützung.
Dortmund MARION EICHSTADT
RAINER DUHM
Der Herr aus Köln* hat Civilcourage bewiesen. Die Motive, aus denen er einst die Böllschen Sympathie-Bekundungen in seine »umfangreichen Bücherschränke« einreihte, hat er wie so mancher Bürger in diesen Tagen endlich als staatsgefährdend analysiert. Anstatt sich klammheimlich von dem subversiven Lesegut zu trennen, zeigt er seine intellektuelle Verfehlung selbstkritisch und bundesweit an, wie auch den Ort von deren schmählicher Verbannung (Mülleimer).
Damit der Verderb der letzten Reste aus der Böllschen Lektüre, die eventuell in seinem Langzeitgedächtnis noch ungelöscht ihrer Bewußtwerdung harren, auch dem letzten rechtdenkenden Bürger gesichert erscheint, ist es wohl nicht unbillig zu erwarten, daß der Herr aus Köln notfalls selbst den Sprung in seinen Mülleimer vollzieht. Die Kölner Müllabfuhr dürfte auch dies noch verkraften.
Horb (Bad.-Württ.) HEIN JURECZKO
Sehr verehrter, lieber Heinrich Böll! Im Auftrag aller Mitarbeiter der Gruppe »Listy« schicken wir Ihnen einen solidarischen Gruß der tschechoslowakischen sozialistischen Opposition. Unsere Solidarität gilt Ihnen als dem Mann,
* Leserbrief in SPIEGEL 42/1977: In meinen umfangreichen Bücherschränken sind seit heute keine Böll-Bände mehr. Ich habe sie nicht verbrannt, das wäre mir eine zu alberne, spektakuläre Show. Ich habe sie ganz einfach in den Mülleimer geworfen; da liegen sie nun, zwischen Zigarettenasche, Bananenschalen, verfaultem Brot und leeren Ölsardinendosen. -- Thomas Esser (Köln)
der sieh aus tiefer humanistischer Überzeugung seit Jahren wie kein anderer für Verfolgte und politische Gefangene in Ost und West einsetzt, der nun aber selbst von seiten einheimischer reaktionärer Kreise als angeblicher Sympathisant der Terroristen verleumdet und gejagt wird. Auch wir verabscheuen den Terrorismus als eine kriminelle Tat, die mit sozialistischen Zielen nichts Gemeinsames hat ...
Es kann uns nicht gleichgültig sein, wenn die allgemeine Empörung über terroristische Misse- und Mordtaten zu dem Versuch mißbraucht wird, die sozialkritischen Intellektuellen als geistige Wegbereiter des Terrorismus zu diffamieren und ihre Stimme zum Schweigen zu bringen ...
Köln ZDENEK MLYNÁR ZDENÉK HEJZLAR.
JIRI PELIKAN, ADOLF MÜLLER
Nach Meinung der bundesdeutschen Sicherheits-Spezialisten müßte eigentlich jeder verdächtig sein, und bei dieser Unmenge von Verdachts-Personen ist eine erfolgversprechende Überwachung der potentiellen Terroristen rund um die Uhr praktisch unmöglich. Soll das heißen, daß nur noch eine Überwachung rund um den Stacheldraht übrigbleibt und daß sich das Bundesreich neben der Hitler- und SS-Welle nun auch neue KZ-Lager leisten wird? Poznan (Polen) ALEKSANDER JAROSLAWSKI
In meinen, leider noch nicht allzu umfangreichen Bücherschränken ist ab sofort eine Werkausgabe mit den Romanen und Erzählungen von Heinrich Böll zu finden -- monatelang von einem mageren Schülertaschengeld zusammengespart.
Hamburg ANDREAS HEYL
16 Jahre, Schüler
Sie haben recht behalten: Ich werde weiterhin mit dem Ruch eines Sympathisanten von meiner bürgerlichen Umwelt distanziert bleiben, denn der Schuß der »Quick« traf ins volle, und der Inhalt der Kloaken, der sich (bezeichnenderweise zum größten Teil anonym) über mich ergießt, macht mich intensiv ruchbar ...
Ich frage mich auch, ob mich nicht als Publizist eine Mitschuld trifft. Wir haben zusammen mit den Politikern die grob materialistische Entwicklung in der Bundesrepublik nicht verhindert. So ist es gekommen, daß sowohl Menschen wie Nachrichten nach ihrem Marktwert eingeschätzt werden. Für einen Teil jugendlicher Mitbürger, die dagegen vergeblich protestiert haben, mag dies ein Grund zur Flucht in die Gewalttätigkeit sein, für einen Teil der Presse von der Art der
»Quick« ein Grund zum Rufmord an Mitbürgern, die diesem Staat mit kritischer Sympathie gegenüberstehen.
Ich bedaure nur, daß das schöne Wort, das ja vom griechischen »Mitleiden« kommt, von den Hexenjägern zum Schimpfwort und zum Kainsmal pervertiert wird.
Stuttgart THADDÄUS TROLL.
Ich erlaube mir jetzt schon vorzuschlagen, diese Individuen zu kennzeichnen, denn Abgrenzung tut not! Wie komme ich dazu -- ab nächster Woche unterrichte ich wieder in Stuttgart
an einen Sympathisanten zu geraten, ohne es zu wissen, und dann als Sympathisantensympathisant abqualifiziert zu werden?. »Sehet an das deutsche Schwein, läßt sich mit Sympathisanten ein!« Anbei eine in Vorschlag gebrachte Kennzeichnung, Heilachtungsvoll,
Wien ALFRED HRDLICKA Professor an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
Jetzt wird geistige Zensur in unserem Land ausgeübt. Man kann und soll Schriftsteller und Geisteswissenschaftler, auch Theologen nicht unwidersprochen lesen und hören. Kritiker an unserem Staat müssen sich Gegenkritik gefallen lassen. Aber es wird mit diesen Männern und Frauen kein fairer Dialog geführt. Es wird gemaßregelt, aus dem Zusammenhang »dokumentiert«. In keinem Land der westlichen Demokratien werden Schriftsteller und Geisteswissenschaftler politisch gemaßregelt. Man nimmt sie zur Kenntnis, man lehnt sie ab, wenn sie einem nicht angenehm und interessant sind,
Möchte mal wissen, was CDU-Geissler von Böll, Gollwitzer und Graß sonst noch gelesen hat. CDU und CSU maßen sich die weiße Weste, die pharisäische Selbstgerechtigkeit an. Zu erinnern wäre an Heinemanns Wort von den drei Fingern, die auf mich weisen, wenn ich andere anzeige und verteufele. Bleibt abzuwarten, wann durch aufgeheizte Stimmungsmache solch »Sympathisant« nicht nur mit der Zensurfeder angeschossen wird. Es gibt viele solcher »unvorhergesehenen« Fälle. Wer würde sich dann bereit erklären, »geistiger Urheber von Gewalt« gewesen zu sein?
Wiesbaden KLAUS HARMS Pfarrer, ehemaliger Polizeipfarrer in Berlin