VATIKAN-BOTSCHAFTER Des Papstes Geste
Die wohl geschmackloseste Einlage im kalten Konfessionskrieg in der Bundesrepublik ist die Ernennung des Protestanten Wolfgang Jaenicke zum deutschen Botschafter beim Vatikan.
Seit der Heilige Stuhl im Herbst 1949 den Apostolischen Nuntius, Erzbischof Aloysius Muench, nach Bonn entsandte, haben militante Konfessionsstreiter immer wieder die abwegigsten Ansprüche bei der Auswahl eines deutschen Botschafters für den Vatikan geltend gemacht. Der Erfolg war, daß über vier Jahre lang die große Geste des Heiligen Stuhles unbeantwortet blieb. Nicht einmal Anti-Christ Hitler hatte so etwas zuwege gebracht.
Schon am 1. April 1951 forderte Bundestagspräsident Hermann Ehlers im »Oldenburger Sonntagsblatt« in der ihm eigenen Art die Ernennung eines evangelischen Botschafters beim Vatikan, um »dem evangelischen Volksteil die Gewähr für eine objektive und unabhängige Vertretung der deutschen politischen Interessen beim Vatikan« zu geben. Landesbischof Lilje und Bischof Dibelius schlossen sich später dieser Argumentation an.
Diese Begründung, so konterten am 8. November 1952 die westdeutschen katholischen Bischöfe auf ihrem Konveniat, sei »für den katholischen Volksteil diffamierend«.
Der Prestigestreit war da. Um keine Wählergruppen zu verletzen, entschloß sich Bundeskanzler Konrad Adenauer darum, mit der Entsendung eines Botschafters zu warten, bis die Bundestagswahlen 1953 vorüber waren.
Am 8. März fällte er seine Entscheidung. Das Kabinett ernannte den Protestanten Wolfgang Jaenicke zum ersten Botschafter der Bundesrepublik beim Heiligen Stuhl.
Noch am gleichen Tag greinte die Katholische Nachrichten-Agentur: »Die Nachricht ... wird in maßgeblichen katholischen Kreisen mit Bestürzung und Enttäuschung aufgenommen.« Und eine zwei Tage später veröffentlichte Erklärung des politischen Arbeitskreises der katholischen Verbände Deutschlands, »der 4,5 Millionen Mitglieder vertritt«, spricht von »lebhafter Beunruhigung und schmerzlicher Enttäuschung«. Nur der Vatikan selbst nahm die Ernennung mit großer Geste auf. Botschafter Jaenicke sei bekannt und geschätzt.
Wolfgang Jaenicke wurde am 17. Oktober 1881 als Sohn des damaligen Bürgermeisters von Breslau geboren. Er selbst wurde Stadtoberhaupt von Elbing, Regierungspräsident von Breslau, Staatskommissar von Niederschlesien und Reichstagsabgeordneter der Deutschen Staatspartei. Zu Hitlers Zeiten beriet er Marschall Tschiang Kai-schek in China; nach Hitlers Zeiten wurde er bayerischer Staatssekretär für die Flüchtlinge und später deutscher Botschafter in Karatschi (Pakistan).
Seine Ernennung zum deutschen Botschafter am Vatikan erfolgte jetzt mit den im Bonner Außenamt immer üblicher werdenden Methoden. Schon im Januar, erst recht Anfang Februar, schlugen in Bonn konfessionelle Diskussionen, ob Jaenicke oder nicht, hohe Wellen. In der ersten Februarwoche hatte Jaenicke hingegen, wie aus Privatbriefen hervorgeht, auch noch nicht die leiseste Nachricht über diese
Pläne, obgleich zu jener Zeit die Bundesregierung beim Heiligen Stuhl bereits um sein Agrément nachsuchte.
Die Bonner Zentrale hielt es nicht für nötig, ihn darüber zu informieren oder gar um seine Meinung zu bitten. Selbst kleine preußische Regierungsräte wurden einst rechtzeitig unterrichtet, wenn sie von Allenstein nach Königsberg versetzt werden sollten.
Der Ernennung von Wolfgang Jaenicke ging überdies ein konfessioneller Kuhhandel voraus, von dem er erst nach seiner Ernennung erfuhr. Das Bonner Außenamt ließ einerseits verlauten, Jaenickes Ernennung sei nach Absprache mit dem Vatikan auch im Hinblick darauf erfolgt, daß zur Zeit ein Katholik, Botschafter Clemens von Brentano, Botschafter in Rom sei. Andererseits übermittelte Konrad Adenauer persönlich dem politischen Arbeitskreis der katholischen Verbände seine Zusicherung, daß der nächste Botschafter beim Heiligen Stuhl seiner Auffassung nach ein Katholik sein müsse und werde.
Da in Rom und im Vatikan also nie zwei Botschafter gleicher Konfession akkredidiert sein sollen und da außerdem die Konfession des Botschafters beim Heiligen Stuhl wechseln soll, ist zu erwarten, daß sich beide Botschafter künftig wahrscheinlich verpflichten müssen, zur gleichen Zeit zu sterben, zurückzutreten oder sich abberufen zu lassen, um allen von Kanzler und Außenamt gegebenen Versprechungen Rechnung zu tragen.
Der neu ernannte Botschafter Jaenicke ist heute 72 Jahre, also nach den üblichen Beamtenbegriffen längst pensionsreif. Er hält sich zur Zeit, was in Bonn nicht bekanntgegeben wurde, in der Schweiz auf, zu einem sanatoriumsähnlichen Aufenthalt, um sich gesundheitlich aufzufrischen, damit er seine Arbeit im Vatikan überhaupt antreten kann.