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KOREA Des Teufels General

aus DER SPIEGEL 21/1952

Drei Monate nach der blutigen Revolte der kommunistischen Kriegsgefangenen auf der Teufelsinsel Koje, schien das steinige Eiland in der vorvergangenen Woche wieder nach Blut zu dürsten.

Leichte Panzer rasselten über den holperigen Boden auf das Lager 76 zu. Finsterblickende »Ledernacken« hielten ihre Maschinenpistolen schußbereit im Anschlag. Sie warteten auf das Kommando zum Sturm auf ein Zelt, das knapp hundert Meter vom Stacheldraht entfernt lag.

Dort saß auf einer Reismatte ein langer, wohlbeleibter Einstern-General der US-Armee und verhandelte über seine Freilassung. Brigade-General Francis »der Furchtlose« Dodd, Kommandant des Gefangenenlagers Koje, war der Gefangene der Gefangenen.

Während sich die Kriegsgefangenen (vorwiegend Nordkoreaner, die nach einem Waffenstillstand ausgetauscht werden wollen) über das Schnippchen freuten, rätselte man im alliierten Hauptquartier, wieviel Mut oder Dummheit nötig gewesen seien, um den Kommunisten in die Falle zu laufen.

Dodd, der unter seinen Leuten wegen seiner Entschlossenheit bekannt ist, wurde im Februar nach Koje geschickt. Nach mehreren blutigen Aufständen sollte ein starker Mann Zug in die Bande dauernd revoltierender Gefangener bringen.

Dodd stellte seinen Mut so unter Beweis: Als sich einige Gefangene beschwerten, Wachposten hätten heimkehrenden Arbeitskolonnen beim Filzen der Taschen Uhren, Bleistifte und Zahnbürsten abgenommen, ging er selbst an den Stacheldraht, um mit ihnen zu verhandeln.

Er merkte nicht, wie die Gefangenen die Unterredung in die Länge zu dehnen versuchten.

Als dann müde Gefangene ins Lager latschten, sprangen plötzlich 15 Mann durch das Tor und stürzten sich auf Dodd.

Wenige Minuten später gingen an den Fahnenstangen im Lager Spruchbänder hoch: »Wir haben General Dodd gefangen. Wenn unsere Forderungen erfüllt werden, passiert ihm nichts. Sollten Sie Gewalt anwenden, ist sein Leben in Gefahr.«

Die Entführung Dodds war eine organisierte Protest - Aktion der linientreuen Garde-Kommunisten auf die in der Woche zuvor durchgeführte »Operation Scatter«.

Im Rahmen dieser »Operation Scatter« waren amerikanische Vernehmungsoffiziere in das Lager gekommen, um festzustellen, wer von den Gefangenen nach dem Waffenstillstand nach Nordkorea und China repatriiert werden möchte. Dabei erklärten 75 Prozent der Chinesen, daß »sie bis zum Ende kämpfen oder Selbstmord begehen« würden, wenn sie zwangsrepatriiert werden sollten. Von den nordkoreanischen Gefangenen wollten 55 Prozent in die kommunistische Heimat zurückkehren.

Für die Verhöre standen aber nicht genügend koreanisch sprechende Amerikaner zur Verfügung. Deshalb mußte eine große Zahl südkoreanischer Offiziere zu der politischen Durchleuchtung herangezogen werden. Die führten die Verhöre so hartfäustig, daß weniger steifnackige Kommunisten schon beim Eintritt in das Zelt der Kommission schrien: »Wir wollen nach Formosa!«

Diese Übergriffe der haß-triefenden Südkoreaner paßten der kommunistischen Führerclique des Lagers gut ins Konzept. Nun hatten sie die Möglichkeit, einen aufsehenerregenden Protest zu lancieren.

Sie forderten von dem sofort eingesetzten Nachfolger Dodds, General Charles F. Colson, in einem Schreiben: »Wir verlangen Ihre Zusicherung, daß in Zukunft keine Übergriffe gegen uns stattfinden werden. Wir verlangen eine Behandlung auf der Basis der Genfer Konvention.« Colson antwortete mit einem Brief, der die

Pleite Dodds zu der größten Niederlage der Amerikaner in Korea aufpustete.

Schrieb Colson: »Ich gebe zu, daß in der letzten Zeit auf Koje Übergriffe gegen die Gefangenen stattgefunden haben. Ich weiß, daß viele Kriegsgefangene durch Soldaten der Vereinten Nationen getötet oder verwundet wurden. Ich werde meine ganze Macht dafür einsetzen, daß in Zukunft kein weiteres Blut vergossen wird, und werde Ihnen für eventuelle Übergriffe selbst verantwortlich sein.«

Kaum hatte der kommunistische Oberst Lee Bak Koc den Brief gelesen, als auch schon die Gefangenen den General Dodd mit Freudengeschrei auf den Schultern ans Lagertor trugen.

Im Hauptquartier der 8. US-Armee wurde er weniger begeistert empfangen. Armee - Chef James Van Fleet hörte sich kühl den Bericht seines Teufelsgenerals an und brachte ihn dann vor der Presse in Sicherheit. Auch nach Koje durften die Korrespondenten erst Tage nach dem Vorfall fahren. Die hilflosen Militärs hofften, den blamablen Schaden durch Heimlichtuerei reparieren zu können.

Er wurde aber nur schlimmer. Denn nun wüteten im Kongreß die Zivilisten über die verdatterten Militärs. Schrie der Abgeordnete Mike Mansfield: »Diese Vorfälle sind eine Schande für die Nation.«

Während der Kongreß sofortige Untersuchungen einleitete (einige Abgeordnete verlangten sogar ein Kriegsgerichtsverfahren). handelte der neue Fernost - OB Mark Clark: Er enthob Colson seines Postens und erklärte die Zugeständnisse an die Kommunisten für null und nichtig.

Am Abend desselben Tages erschien ein weißgekleideter Gefangener am Stacheldraht-Zaun des Lagers 76 und erklärte, er wünsche eine Presse-Konferenz zu veranstalten. »Halt die Klappe!« schnauzte ihn ein Militärpolizist an.

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