Deus ex machina
In dem Moment, da Bayer Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser »Bewegung in die Landschaft kommen« sah, kam er erst einmal selbst auf Touren. Gerade hatte ihn auf der A 3 zwischen Taunus und Westerwald über Mobilfunk die Nachricht von Rupert Murdochs Einstieg in den deutschen Fußball-TV-Markt ereilt, da beobachtete er bei sich einen unvertrauten Fahrstil: »Beschwingt« kam ihm sein reges Kurven plötzlich vor.
Wie einen »Sechser im Lotto« begrüßte zeitgleich Bayern Münchens Vizepräsident Karl-Heinz Rummenigge entrückt Murdochs Champions-League-Coup, und zwar »mit Jackpot«. Was die Herren der Bundesliga-Spitzenclubs so in Wallung bringt, ist die Aussicht auf unvermutete Entwicklungshilfe: Mit Eintreffen des Deus ex machina aus Übersee, so die Hoffnung, könnte die Bundesliga wieder Anschluß finden an die enteilten Nationen Italien, Spanien, England.
Insgesamt gut 80 Millionen Mark werden die bis zu vier deutschen Vertreter in der europäischen Champions-Klasse als erste Handreichung erhalten. Die Höhe bemißt sich nach den Einzahlungen der nationalen Sender in den TV-Marketing-Pool der Europäischen Fußball-Union (Uefa). Und da belegt Deutschland mit den Millionen von TM 3 nun den Spitzenplatz.
Noch wichtiger als diese Erträge sind den Vereinsbossen zu erwartende Steigerungsraten bei der Vermarktung ihres nationalen Spielbetriebs. Murdochs Auftritt, heißt es, sorge für Belebung. Um mindestens 50 Millionen Mark, rechneten Experten hoch, sei über Nacht der Wert der Bundesligarechte gestiegen, die für die Spielzeiten von Juli 2000 an wieder zum Verkauf stehen. Das Eintreffen des ersten ausländischen Konsortiums auf dem Markt, jubelt die Riege der finanzstärksten Vereine, habe eine Art Kartell gesprengt, das ein Rechtehändler sogar »Inzest« nennt.
Wilfried Straub, Ligadirektor des Deutschen Fußball-Bundes, habe als Verhandlungschef bislang »keinen Konkurrenzkampf um die Rechte zugelassen«, rügt Rummenigge - und wirkt befreit wie ein Stürmer, der die Abschaffung der Abseitsregel kommentiert.
Die Vorfreude ist an die Erwartung geknüpft, Murdoch werde sich ins hiesige Bezahlfernsehen einschalten. Brotneidisch wurden bislang die Zahlen aus Italien bestaunt, wo allein Juventus Turin künftig 87 Millionen Mark aus dem Pay TV einstreicht - die Clubs der Serie A dürfen ihre Auftritte dort selbst vermarkten.
Weil »man jetzt sieht, was der deutsche Markt hergibt«, will Bayern-Emissär Rummenigge das TM-3-Engagement als Argumentationshilfe nutzen, wenn am 20. Mai die Bundesliga-Vollversammlung über die Rechteveräußerung berät. Wie Rummenigge ist der Leverkusener Holzhäuser gegen die zentrale Vermarktung durch den DFB; er erhofft sich von einem Einzelverkauf »kreativere Formate« und stellt sich eine Konferenzschaltung zwischen allen Bundesligaplätzen im Pay-TV vor: »Wenn der Fußball nicht mehr der Lockvogel ist, muß man ihn bunter machen.«
Derlei unkonventionellen Plänen schob der DFB-Ligaausschuß indes erneut einen Riegel vor - und entfachte so wieder Streit zwischen Vorzeigeclubs und Verband. Als jetzt eine TV-Kommission aus Vereinsvertretern ein kombiniertes Modell vorlegte - Einzelvermarktung fürs Bezahlfernsehen, zentraler Verkauf der Free-TV-Rechte - da faxte der DFB an alle Kommissionsmitglieder eine mit »Direktor W. Straub« gezeichnete lapidare Mitteilung: Der Ligaausschuß werde »mit großer Mehrheit gegen das vorgestellte Vermarktungsmix votieren«. JÖRG KRAMER