Deutsch mit Akzent
(Nr. 30/1996, Rechtsradikale: Fremdenhatz im Osten)
Mir geht es auf die Nerven, wenn dieses zutiefst verabscheuungswürdige, brutale Verhalten immer und immer wieder mit der wirtschaftlichen Lage und der angeblichen Perspektivlosigkeit zu erklären beziehungsweise zu rechtfertigen versucht wird. Ein solches Verhalten ist aber durch nichts zu rechtfertigen. Der Schuß geht nach hinten los, denn die ohnehin schwierige wirtschaftliche Lage wird sich zusätzlich dadurch verschlechtern, daß der Tourismus - ein eh zartes Pflänzchen - noch weiter an Boden verliert. Wer möchte noch freiwillig dort einen Fuß hinsetzen, wo er, wenn überhaupt, seinen Urlaub unter Polizeischutz verbringen muß?
Münnerstadt (Bayern) J. HOLZHEIMER
Schon früher in der DDR legte man sich mit den »Kanackers« an. Allerdings wurden solche Auswüchse sofort, unter Ausschluß der Öffentlichkeit, mit hohen »exemplarischen Strafen« geahndet. Physische Anmache betraf ausländische Studenten in Leipzig genauso wie Arbeitskräfte aus Polen, dem Tschechenland und Ungarn, die ich während meiner Zonen-Hippie-Zeit in allen Teilen der DDR kennengelernt hatte.
Berlin EDE SIERING
So allmählich müßte eigentlich auch dem sozialpädagogisch verträumten Fachpersonal klar sein, daß alle Versuche der Resozialisierung gewaltbereiter rechter Jugendlicher gescheitert sind. So traurig das ist, es gibt wahrscheinlich nur wenige Möglichkeiten, dieser Form der Asozialität zu begegnen. So ist die Initiative der Berliner Ausländerbeauftragten »Keine Macht den Doofen« mit dem gleichzeitigen Appell an Zivilcourage bei ausländerfeindlichen Übergriffen wahrscheinlich wirkungsvoller als irgendwelche sozialpsychologischen Erklärungsversuche und Verhätschelungen.
Berlin CHRISTIAN KLAASSEN
Die grausam-kalten Schläger in Mecklenburg-Vorpommern und andernorts in der ehemaligen DDR sind gewiß ein Produkt der nach jener atheistischen Weltanschauung ausgerichteten Erziehung, die dort zwei oder drei Generationen geprägt hat. Die verrohten Jugendlichen zeigen, daß eine Pädagogik ohne christliche Inhalte gefährlich ist für jene, die durch mangelndes Werte- und Unrechtsbewußtsein zu schlimmen Tätern werden, und für die anderen, die sie angreifen und verletzen. Aber dies werden die Linksintellektuellen und ihre Ideologen in unserem Land nie einsehen wollen.
Woringen (Bayern) A. KEMNITZER
Gerade das Armenhaus Mecklenburg-Vorpommern kann es sich am wenigsten erlauben, Investoren und Touristen zu vergraulen. Die Region lebt doch vornehmlich von den Steuerleistungen und Beiträgen westdeutscher Arbeitnehmer, darunter viele Ausländer.
Tübingen ANDREAS DIETZ
Die Strecke von Berlin zum polnischen Grenzübergang Pomellen fahre ich ohne anzuhalten durch. Und das, obwohl ich blauäugig und blond bin. Leider habe ich eine »Macke": Ich spreche Deutsch mit Akzent. Und darauf reagieren die Ostdeutschen besonders allergisch.
Berlin KATARZYNA ZAWADZKA-FAULDE
Keine der Parteien hat verstanden, daß die »Vereinigung in den Köpfen« noch aussteht. Erschreckend ist, daß alle Parteien nicht einmal ansatzweise erkannt haben, daß dieser psychologische und damit weitaus schwierigere Part der Vereinigung absolut dringlich auf der politischen Tagesordnung zu stehen hat und mehr verlangt als kluge Sprüche und PDS-Verteufelung. Das Verhalten der Jugendlichen in Mecklenburg-Vorpommern ist bisher nur eine Episode, in der historischen Dimension der deutschdeutschen Entwicklung ist es aber auch ein erstes Alarmzeichen dessen, was sich zusammenbraut. Denn der Bürgerkrieg ist möglich.
Schandelah (Nieders.) MICHAEL BÖHME-VON PUPKA