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EU-ABGEORDNETE Deutsche Doppelverdiener

aus DER SPIEGEL 39/2009

Der Parteienforscher Hans Herbert von Arnim kritisiert die Überversorgung mancher EU-Parlamentarier, die neben ihren Diäten auch noch Versorgungsleistungen aus Deutschland erhalten. Seit Inkrafttreten des neuen Abgeordnetenstatuts des Europäischen Parlaments am 14. Juli 2009 können viele deutsche EU-Abgeordnete, die als ehemalige Beamte oder Regierungsmitglieder eines Bundeslandes Anspruch auf Pensionen haben, doppelt kassieren. Verantwortlich dafür sind die Bundesländer, die es versäumt haben, rechtzeitig mit Anrechnungsvorschriften auf das neue EU-Recht zu reagieren. »Die Doppelalimentationen verstoßen gegen die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Berufsbeamtentums, gegen das Verbot unangemessen hoher Bezahlung von Abgeordneten und das Wirtschaftlichkeitsgebot, das öffentliche Verschwendung untersagt«, sagt Arnim. Er fordert, »dass die Länder die fehlenden Vorschriften unverzüglich und mit Rückwirkung nachholen müssen«.

Bisher waren die EU-Mitgliedstaaten für die Bezahlung ihrer Europaparlamentarier zuständig und orientierten sich dabei an den Diäten ihrer nationalen Parlamente. Deutschen Abgeordneten, die gleichzeitig auch Pensionsansprüche in der Heimat hatten, wurden diese nach deutschem Recht um 80 Prozent gekürzt. Mit dem Übergang zum Europarecht im Juli griff die alte deutsche Kürzungsvorschrift nicht mehr, so dass eine Neuregelung erforderlich wurde. Diese hatte der Bund bereits vor einem Jahr erlassen, die meisten Länder verzichteten hingegen auf ein modifiziertes Anrechnungsmodell. Diese Gesetzeslücke führt dazu, klagt Arnim, dass zum Beispiel die frühere Hamburger Senatorin Birgit Schnieber-Jastram (CDU), die in diesem Jahr ins Europäische Parlament einzog, neben ihren Diäten von 7665 Euro auch noch eine volle Pension von etwa 5500 Euro monatlich erhält.

In den Fällen von pensionsberechtigten Landesbeamten fehlen sogar in sämtlichen Bundesländern Anrechnungsvorschriften. So erhält die Saarländerin Doris Pack (CDU) weiter ihre volle Pension als Lehrerin, und so bezieht Michael Theurer (FDP) ab 2011 neben seinen EU-Diäten Geld für seine 14 Dienstjahre als Oberbürgermeister von Horb am Neckar.

Michael Cramer (Grüne), seit 2004 im Europäischen Parlament, verteidigt das neue Abgeordnetenstatut als »sinnvoll«. Man könne doch den EU-Parlamentariern nicht vorwerfen, »dass die Bundesländer nicht aufgepasst haben«. Zumindest ein Teil der EU-Abgeordneten hatte es aber selbst in der Hand, eine Doppelalimentation zu vermeiden: Wer schon vor der Neuregelung Mitglied des EU-Parlaments war, konnte sich bis zum 13. August 2009 für die Fortgeltung des alten nationalen Rechts entscheiden. Jo Leinen (SPD), der einen Anspruch als früherer saarländischer Minister besitzt und vor der Europawahl noch öffentlich erklärt hatte, er werde die Option ausüben, ließ nach der Wahl die Frist verstreichen. Wie viele von den 99 deutschen EU-Abgeordneten bereits jetzt oder in Zukunft doppelt verdienen, ist nicht eindeutig nachvollziehbar. Michael Cramer, der selbst noch keine Zusatzgelder bezieht, weiß, dass von den rund 800 Abgeordneten aller Länder »nur 33 die Option mit dem alten Recht gewählt haben«.

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