Anti-Islam-Bewegung Pegida Irgendwann sind die Sohlen durch
Bei der 12. Auflage der Pegida-Demonstration wurde ein weiterer Feind der besorgten Bürger enttarnt. Organisatorin Kathrin Oertel wartete bis zum Schluss ihrer Rede, bis sie den versammelten Anhängern verriet, "was sie ganz persönlich enttäuscht hat". "Lieber Herr Roland Kaiser", holte Oertel Luft, "ich war ein sehr großer Fan von Ihnen."
Der Schlagersänger ("Manchmal möchte ich schon mit Dir") hatte am Samstag mit 35.000 Dresdenern für Toleranz und Demokratie demonstriert - und damit auch gegen Pegida. Das machte Kaiser zum Feindbild Nummer vier neben Islamisten, Politikern, Systempresse. Er kassierte am Montagabend in Dresden die lautesten Buhrufe. Viele Demonstranten beklagten sich über Kaiser, und Oertel rief ihm in Abwesenheit zu: "Sie verkaufen sich an die Politikerkaste."
Pegida, die Demo der selbsternannten "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes", drehte sich wieder einmal ganz um die eigene Opferrolle. Daran änderte der Terroranschlag von Paris ebenso wenig wie die Islam-Äußerung der Kanzlerin. Doch bei Oertels abgelesener Roland-Kaiser-Fatwa stöhnten auch einige im Publikum ungeduldig auf. Wie geht es weiter mit Pegida? Kann man mit dem Lamento über einen Schnulzenkönig Politik machen?

Der Aufstieg von Pegida hat Freund und Feind beeindruckt. Binnen vier Monaten wurde aus einem Grüppchen von 150 Islamismus-Gegnern eine Massenbewegung. Am Montag kamen 25.000 Menschen, ein neuer Rekord. Sie skandierten wie jede Woche "Wir sind das Volk" und "Lügenpresse", hielten wie immer Schilder gegen Islam und Kanzlerin hoch, liefen im Kreis durch die Innenstadt. Es ist mittlerweile Dresdener Protestfolkore. Eine neue Idee oder ein konkretes Ziel ist auch mit gutem Willen nicht auszumachen. Endlich zeigt man es mal denen da oben, den meisten reicht das.
Organisator Lutz Bachmann zog schon einmal ein Resümee. Man habe erreicht, dass über Themen, über die angeblich 50 Jahre geschwiegen worden sei, wieder geredet werde. Und man sei in der Neujahrsansprache der Kanzlerin gelandet, johlender Applaus. Tja, und nun?
Die Frage treibt auch die Organisatoren um. Sie haben einen Verein gegründet, um Spenden zu sammeln. Da ist René Jahn, der seit Tagen sagt, man könne sich nicht "zu Tode spazieren". Im nächsten Jahr könne man jedenfalls nicht mehr jeden Montag durch Dresden laufen.
Oertel, neben Jahn und Bachmann das dritte Gesicht von Pegida, gab erst einmal noch die Durchhalteparole aus: "Wir kommen jeden Montag, bis wir wieder im Bundestag würdig vertreten werden." Dieser Fall dürfte - wenn überhaupt - erst 2017 eintreten, sollte die AfD ins Parlament einziehen. Sachsen selbst hat aber erst im letzten Herbst gewählt. Und bei der anstehenden Oberbürgermeisterwahl in Dresden wolle Pegida niemanden ins Rennen schicken, heißt es bislang.
Es bleibt vorerst dabei: In der Logik von Pegida muss "die Politik" irgendwie auf "das Volk" zugehen.
Und so versuchen sie, der diffusen Ablehnung von "denen da oben" etwas Konkretes hinzuzufügen. Das Positionspapier von Pegida aus 19 Punkten, das die Medien laut Bachmann selbstverständlich ignorieren, haben sie nun in sechs Kernpunkte umgewandelt. Es geht um ein neues Einwanderungsgesetz nach dem Vorbild Kanadas oder der Schweiz, ein "Recht auf und eine Pflicht zur Integration", die im Grundgesetz stehen solle. Man wolle die schnelle Ausweisung von Islamisten, Volksentscheide, mehr Geld für die innere Sicherheit und nun auch ein "Ende der Kriegstreiberei gegenüber Russland".
"Ich glaube, wir sprechen euch damit aus dem Herzen", fasste Bachmann die Willensbildung des Volkes zusammen. Berlin müsse das jetzt umsetzen, das wäre "ein Zeichen der Politik an das Volk".
Dass es für Pegida vorangeht, wollte der Schlussredner auf der Demo mit einer ausgiebigen Aufzählung aller Pegida-Ableger von Baden-Württemberg bis London belegen. Die Teilnehmerzahlen, bis auf Dresden und Leipzig bislang kaum einer Rede wert, erwähnte er nicht.
Dafür skizzierte der Mann noch einen "kleinen Anfang für ein kleines Europaprogramm". Als er dabei einmal konkreter wurde und als Ziel von etwas wie den "Vereinigten Staaten von Europa" sprach, klatschte allerdings kaum einer der versammelten "Patriotischen Europäer".