Diäten-Debatte Lammert favorisiert höhere Abgeordnetengehälter

Gut 8200 Euro verdient ein Bundestagsabgeordneter, die Diäten wurden in den vergangenen Jahren mehrfach erhöht. Doch eine Kommission fordert: Die Politikergehälter müssen weiter steigen. Bundestagspräsident Lammert zeigt sich offen für die Idee - und empört damit Aktivisten.
Bundestagspräsident Lammert: "Das verdient eine sorgfältige Befassung"

Bundestagspräsident Lammert: "Das verdient eine sorgfältige Befassung"

Foto: Caroline Seidel/ dpa

Berlin - Seit Beginn des Jahres können sich Politiker über mehr Geld freuen, und das nicht zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode: Erst im Januar stiegen die Diäten der Abgeordneten im Bundestag um 292 Euro. Bereits ein Jahr zuvor gab es einen monatlichen Aufschlag derselben Höhe. Aktuell verdient ein Mitglied des Bundestags 8252 Euro im Monat.

Geht es nach einer Expertenkommission, die den Bundestag in Sachen Politikergehälter berät, ist das nicht genug: Die Gruppe empfiehlt, dass sich die Gehälter für Volksvertreter an der Besoldung von Bundesrichtern orientieren sollen. Das entspricht einer Anhebung von mehreren hundert Euro pro Monat.

Vor einigen Wochen erhielt Bundestagspräsident Norbert Lammert die Arbeitsergebnisse der Kommission. Jetzt äußerte er sich erstmals in einem Interview dazu - und ließ Sympathien für die Empfehlungen der Gruppe durchblicken. "Ich persönlich finde das Ergebnis bemerkenswert, das diese Kommission mir überreicht hat", sagte Lammert in einem Videointerview mit der "Leipziger Volkszeitung".

"Seit 20 Jahren vorgesehen"

Der Mitschnitt wird nach Angaben des Verlags am Dienstag veröffentlicht, der Wortlaut wurde vorab veröffentlicht . In dem Interview hofft Lammert auf eine rasche Neuregelung der Abgeordnetendiäten. Etwas verklausuliert wirbt er für eine entsprechende Gesetzesänderung noch vor der Bundestagswahl. "Eigentlich wäre es schön, wenn auch nicht unbedingt wahrscheinlich, wenn es jetzt eine einvernehmliche Verständigung unter den Fraktionen gäbe, ob und welche der Empfehlungen man tatsächlich aufgreifen will, um sie mit Blick auf einen neuen Bundestag, der noch gar nicht gewählt ist, auf den Weg zu bringen", sagte Lammert.

Denn, so die Begründung des Bundestagspräsidenten: Wenn sich erst die künftigen Abgeordneten mit den Empfehlungen der Kommission beschäftigten, entstünde der Verdacht, dass diese die "Regelungen für sich selbst beschließen" wollten. Lammert wehrte sich zugleich gegen den möglichen Eindruck, die Höhe von Politikergehältern sei überzogen. "Bei der Besoldungshöhe empfiehlt die Kommission keine neue Größe, sondern rät uns, endlich umzusetzen, was seit 20 Jahren im Abgeordnetengesetz vorgesehen ist", sagte er weiter.

Zulagen und Zuschüsse übertragen

Unter Aktivisten sorgte der Vorstoß Lammerts am Montag für Protest. "Es wird den Wählern schwer zu vermitteln sein, warum sich der Bundestag schon wieder mit seinen eigenen Bezügen beschäftigen soll, wenn diese erst vor ein paar Monaten erhöht wurden", kritisierte Gregor Hackmack vom Portal abgeordnetenwatch.de . "In Zeiten von Nullrunden wäre eine weitere Erhöhung der Diäten nicht nachvollziehbar. Schließlich haben Volksvertreter auch eine Vorbildfunktion", sagte er SPIEGEL ONLINE.

Laut Expertenkommission stehen den Abgeordneten eigentlich höhere Diäten zu: Das Grundgehalt für Richter in der sogenannten Besoldungsgruppe R6 beträgt 8520 Euro, bald klettert es auf 8726 Euro. Die Kommission empfiehlt, auch Amts-, Familien- und Kinderzulagen der Richter auf Politikergehälter zu übertragen.

Aus Sicht von abgeordnetenwatch.de ist das mehr als fragwürdig: "Wenn Abgeordnete das gleiche Geld wie Richter verdienen wollen, dann müssen sie sich auch den gleichen Pflichten unterwerfen", gab Hackmack zu bedenken. Während die Strafbarkeit von Bestechung im Richterberuf selbstverständlich sei, seien die Regeln zur Abgeordnetenbestechung in Deutschland noch immer "lächerlich lasch". Zugleich stellte Hackmack die Unabhängigkeit der Expertenkommission in Frage. Geleitet wird diese vom früheren FDP-Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP).

Sollten Diäten automatisch steigen?

Derzeit gilt die Besoldung von einfachen Bundesrichtern oder die Bezahlung von Bürgermeistern kleinerer Städte als Zielgröße für Abgeordnetendiäten. Der Website des Bundestags zufolge  wurden diese Jahresbezüge bisher nicht erreicht. Die Diäten werden versteuert, Sonderzahlungen wie Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld, ein dreizehntes Monatsgehalt oder Ähnliches gibt es nicht. Dafür aber die Möglichkeit von Nebenverdiensten, was von zahlreichen Mandatsträgern genutzt wird.

Die Bezahlung der Abgeordneten steigt nicht automatisch, sondern muss jedes Mal vom Bundestag abgesegnet werden. Nach den Vorstellungen der Kommission soll damit aber bald Schluss sein: Die Experten schlagen vor, dass Diäten, ebenso wie die statistisch berechneten Bruttogehälter von abhängig Beschäftigten, jeweils zum 1. Juli jährlich steigen - und nicht mehr einzeln öffentlich im Bundestag beschlossen werden sollten.

amz/dpa
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