Abstimmung über Rettungspaket Koalition ringt um Griechen-Hilfe

Flaggen von Griechenland und der EU: Koalitionszwist über Griechenlandstrategie
Foto: LOUISA GOULIAMAKI/ AFPBerlin - Seit der Kür des Bundespräsidenten-Kandidaten scheint in der Regierungskoalition nichts mehr so recht zu klappen. Vor allem in der Frage, wie sinnvoll die Finanzhilfen für Griechenland in Höhe von 130 Milliarden Euro plus die mehr als 24 Milliarden Euro aus dem ersten Rettungspaket sind, scheint es keinen Konsens mehr zu geben. Als erstes preschte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich am Wochenende vor und legte Griechenland im SPIEGEL den Austritt aus der Euro-Zone nahe - er scheint aber nicht der einzige zu sein.
Offene Unterstützung bekam Friedrich von seinem Parteikollegen, dem bayerischen Finanzminister Markus Söder (CSU), der sich für einen "geordneten Austritt" Griechenlands aus dem Euro-Raum aussprach. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte der "Bild"-Zeitung: Eine Insolvenz Griechenlands sei nicht auszuschließen. "Ein Strategiewechsel bei der Griechenland-Rettung inklusive Austritt Griechenlands aus dem Euro-Raum darf kein Tabu mehr sein."
Mit dieser Meinung düpieren die CSU-Politiker vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die eine Insolvenz oder gar einen Euro-Austritt Griechenlands strikt ablehnt - die Folgen hält sie für unkalkulierbar. Auch Außenminister Guido Westerwelle empörte sich über die Äußerungen aus der CSU. "Ich verstehe die politischen Spekulationen über ein Griechenland außerhalb der Euro-Zone nicht", sagte Westerwelle der "Welt". "Was ausgehandelt und vereinbart ist, sollte gelten, und zwar auf beiden Seiten." Das Hilfspaket habe "nur eine Chance, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen, wenn es nicht sofort wieder zerredet wird", sagte Westerwelle.
Altmaier: "Niemand hat sich die Entscheidung leicht gemacht"
Der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms erklärte: "Mit diesem Vorschlag kommt Friedrich reichlich spät." Beim ersten Griechenland-Paket wäre das noch sinnvoll gewesen, so Solms in der "Saarbrücker Zeitung". Jetzt sei man aber schon mitten auf dem Weg, die Griechen innerhalb des Euro-Raums zu stabilisieren. "Es ist immer schlecht, in so einer Situation das Ruder herumzureißen und die Strategie zu ändern. Das würde noch mehr Misstrauen an den Märkten auslösen", sagte Solms.
Unions-Fraktionschef Volker Kauder wies die Aussagen von Friedrich ebenso zurück. Er sei der Auffassung, "dass wir selber keinen Beitrag dazu leisten sollten, irgendein Mitglied aus der Euro-Zone heraus zu drängen", sagte er in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Dies wäre "ein ganz falsches Signal". In der ZDF-Sendung "Berlin direkt" sagte Kauder, es müsse alles getan werden, um die Euro-Zone zu stabilisieren. "Wir wollen die Griechen in der Euro-Zone halten." Deutschland werde in der ganzen Welt beim Umgang mit der Euro-Krise sehr aufmerksam beobachtet. "Deswegen bin ich schon der Auffassung, dass wir den Weg weitergehen, Griechenland nicht aus der Euro-Zone raus zu drängen."
Spitzenpolitiker der Koalition verbreiteten dann auch Zuversicht, dass am Montag eine deutliche Mehrheit im Bundestag der Griechenland-Hilfe zustimmen werde. Er gehe davon aus, dass "eine überwältigend große Mehrheit unserer Abgeordneten" davon überzeugt werden könne, "dass es richtig ist, diesem Paket zuzustimmen", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Altmaier in der ARD. "Die Entscheidung hat sich niemand leicht gemacht, es geht um das Geld der Steuerzahler", ergänzte er. FDP-Generalsekretär Patrick Döring sagte dem "Hamburger Abendblatt", er gehe davon aus, dass eine große Mehrheit die Bundesregierung unterstützen werde.
Kauder rechnet mit Kanzlermehrheit
Tatsächlich könnte die schwarz-gelbe Koalition bei der Abstimmung aber auf Stimmen aus der Opposition angewiesen sein - die ihre Zustimmung bereits signalisiert hat. SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte die Rückkehr Athens zur Drachme den "Anfang vom Ende der Währungsunion". Seine Partei werde dem Rettungspaket zustimmen "Wir kämpfen darum, dass die Politik entscheidet und nicht die Spekulanten auf den Finanzmärkten, die auf den Zusammenbruch Griechenlands und des Euro wetten", sagte Gabriel der "Welt am Sonntag".
Gleichzeitig kritisierten Oppositionspolitiker die Äußerungen von Bundesinnenminister Friedrich scharf: SPD und Grüne verlangten von der Bundeskanzlerin eine Klarstellung: "Frau Merkel muss Minister Friedrich schnell zur Ordnung rufen, wenn sie noch eine Chance für eine eigene Mehrheit im Bundestag haben will", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, der "Welt".
Es sei "absolut unverantwortlich", am Tag vor einer entscheidenden Abstimmung den Kurs der Regierung grundsätzlich in Frage zu stellen. Der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Gerhard Schick, bezeichnete Friedrichs Verhalten in der "taz" als "unsäglich". Der Vorschlag des Ministers sei "eine gezielte Provokation der CSU".
Unionsfraktionschef Kauder versuchte die Gemüter zu beruhigen - er gehe von einem Ja von Innenminister Friedrich zu weiteren Griechenland-Hilfen aus: "Ich bin der Überzeugung, dass der Bundesinnenminister beim zweiten Hilfspaket, das wir morgen beschließen, mitstimmen wird", sagte Kauder am Sonntagabend in der ARD.
Arbeitsministerin Ursula von der Leyen wandte sich in der SPIEGEL-Gesprächsreihe "Der Montag an der Spitze" gegen den Vorschlag Friedrichs. Man solle jetzt Weitblick walten lassen, damit Griechenland "nicht ins Armenhaus geschickt werde", sagte von der Leyen.
Kauder gab sich zuversichtlich, dass Union und FDP bei der Abstimmung im Bundestag nicht auf Stimmen aus der Opposition angewiesen sein werden. Er wollte aber ebenso wie Bundesfinanzminister Schäuble nicht ausschließen, dass es später noch weitere Hilfspakete für Griechenland geben könne, wenn das aktuelle nicht ausreichen sollte.
Der Bundestag entscheidet am Montagnachmittag ab 15 Uhr über das zweite Griechenland-Hilfspaket. Dazu gibt zunächst die Bundeskanzlerin eine Regierungserklärung ab - nach der Aussprache ist eine namentliche Abstimmung angesetzt.