Geplatzte Fraktion Parteispitze will Bremer AfD-Chaos eindämmen

Dubiose Rechnungen, Ämterhäufung, Machtkämpfe: Die AfD-Fraktion in der Bremer Bürgerschaft hat sich mit großem Knall zerlegt. Fraktions- und Landeschef überziehen sich mit Vorwürfen. Die Bundespartei greift ein.
Machen sich schwere Vorwürfe: der Bremer AfD-Landeschef Frank Magnitz und der bisherige AfD-Fraktionschef Thomas Jürgewitz.

Machen sich schwere Vorwürfe: der Bremer AfD-Landeschef Frank Magnitz und der bisherige AfD-Fraktionschef Thomas Jürgewitz.

Foto: Daniel Reinhardt/ DPA; Eckhard Stengel/ imago images

Zweitstärkste Kraft in Sachsen und Brandenburg, die Ergebnisse von 2014 mehr als verdoppelt: Seit Bekanntgabe der ersten Hochrechnungen am vergangenen Sonntag herrscht bei der AfD Feierlaune. Wären da nicht die Störgeräusche aus den eigenen Reihen im kleinsten Bundesland.

In Bremen platzte genau an jenem Sonntagabend die Fraktion der Rechtspopulisten in der Bürgerschaft. Der Streit beschäftigt inzwischen die Partei auch jenseits der Bremer Landesgrenzen.

Es geht um Macht, Geld und Intrigen. Im Zentrum der Auseinandersetzung stehen der AfD-Landesvorsitzende Frank Magnitz, der als Opfer eines gewalttätigen Angriffes im Januar bundesweit bekannt wurde, und AfD-Fraktionschef Thomas Jürgewitz.

Der Streit zwischen den beiden deutet sich schon seit Längerem an, am Sonntag um 21.15 Uhr eskalierte er: In einer Mitteilung kündigten drei AfD-Abgeordnete unter Führung des Landesvorsitzenden Magnitz ihren Austritt aus der fünfköpfigen Fraktion an. Sie hielt keine drei Monate.

Seitdem ist die Bürgerschaft das einzige Landesparlament ohne Rechtspopulisten-Fraktion. Viel schwerer wiegt aber der öffentliche Streit in der Parteiführung - der Imageschaden hat bundesweite Strahlkraft.

Ärger über Magnitz' Doppelmandat

Für Jürgewitz ist der Schuldige klar: "Der Fisch stinkt vom Kopf", sagte er dem SPIEGEL und meint damit Parteichef Magnitz. Der habe der Partei "massiven Schaden" zugefügt - und zwar auf mehreren Ebenen.

Da wäre das eher durchschnittliche Abschneiden bei der Landtagswahl im Juni. Die AfD kam auf 6,1 Prozent, gerade 0,6 Prozentpunkte mehr als 2015. Magnitz war Spitzenkandidat.

Ein größeres Problem ist das Doppelmandat des Landeschefs: Seit der Landtagswahl hat Magnitz zwei Mandate, eines als Abgeordneter der Bremischen Bürgerschaft, ein weiteres als Bundestagsabgeordneter. Das kommt nicht nur in der Bremer AfD schlecht an, sondern auch auf Bundesebene. Die Berliner Parteispitze verlangte bereits ultimativ, er möge eines davon abgeben. Stichtag war der 1. September - Magnitz ließ diesen verstreichen.

Bundesweit bekannt wurde Magnitz Anfang Januar, nachdem er von Unbekannten angegriffen worden war. In einer Presseerklärung der AfD war von einem Angriff mit einem Kantholz und weiteren Details die Rede. Doch die Geschichte erwies sich in Teilen als unwahr. Später räumte Magnitz ein, er habe mit der Story "mediale Betroffenheit" auslösen wollen. Die Ermittlungen in dem Fall wurden eingestellt.

Ein dubioser Pickup-Kauf

Und dann wäre da noch der Vorwurf der "finanziellen Unregelmäßigkeiten", die Jürgewitz gegen Magnitz erhebt. Bereits Anfang Mai beschloss der Vorstand, dass Magnitz einen Pickup samt Anhänger, auf dem Plakate montiert werden können, an die Partei verkaufen darf. Der Preis: 13.000 Euro. Doch der Verkauf zog sich hin. Eine vom Bremer AfD-Schatzmeister geforderte Rechnung habe Magnitz zunächst nicht vorgelegt, klagt Jürgewitz. Als Magnitz dann doch eine Rechnung lieferte, war von einer "Überlassung" des Gespanns die Rede. Also doch kein Verkauf?, fragten sich Vorstandsmitglieder.

Am 30. Juli überwies Magnitz die 13.000 Euro von der Partei eigenständig auf sein privates Konto, "entgegen den ausdrücklichen Anweisungen des Schatzmeisters", sagt Jürgewitz. Magnitz weist die Vorwürfe zurück und sagt, der Besitz sei eindeutig an die Partei übergegangen. Das Kapitel Autokauf zeigt, wie groß das Misstrauen untereinander ist.

Für den bisherigen AfD-Fraktionschef Jürgewitz hat das Ende der Fraktion direkte finanzielle Folgen. Er verliert seine Zulage als Fraktionschef, statt 12.000 bekommt er nur noch gut 5000 Euro brutto für sein Bürgerschaftsmandat. Auf Fraktionsgelder von monatlich 50.000 Euro muss die Partei ebenfalls verzichten, genau wie auf parlamentarische Rechte: Sie kann keine Anfragen mehr stellen, zudem steht ihr weniger Redezeit zu.

Magnitz sieht die Schuld bei seinem einstigen Fraktionskollegen: Der habe einen "Krieg" eröffnet und "mit Schlamm geworfen". Sein Verdacht: Jürgewitz plane seine Entmachtung. Eine Zusammenarbeit als Oppositionskraft sei schon länger nicht mehr möglich gewesen. Auch verbal eskaliert die Auseinandersetzung. Über seinen Parteifreund Jürgewitz sagt Magnitz dem SPIEGEL: "Unsere Schweine erkennen wir am Gang!"

Magnitz sieht dennoch einen Weg zurück in die Fraktion, berichtet die "taz" - unter einer Bedingung: Jürgewitz müsste sein Mandat abgeben. Der will davon nichts wissen. Im Gegenteil: Er hofft auf einen vorgezogenen Parteitag Mitte des Monats, bei dem Magnitz abgewählt werden soll - ob er dann selbst als AfD-Chef antreten werde, will Jürgewitz nicht sagen.

Magnitz droht Entzug von Parteiamt

Die Bundespartei hat die Kontrahenten am 20. September zum Rapport bestellt: Beide werden in der Bundesgeschäftsstelle ihre Sicht den Vorstandsmitgliedern - an deren Spitze die beiden Vorsitzenden Alexander Gauland und Jörg Meuthen stehen - persönlich darlegen. Ob das Gremium an diesem Tag schon eine Entscheidung trifft, ist offen. In einem ersten Schritt haben sie Magnitz und seinen beiden Parteikollegen untersagt, Namen und Logo der Partei zu verwenden.

In einem Schreiben des Bundesvorstands heißt es, man sehe in der "vorsätzlich herbeigeführten Auflösung" der Fraktion "Anhaltspunkte für ein parteischädigendes Verhalten", das mögliche Ordnungsmaßnahmen nach sich ziehen könnte.

Die AfD-Spitze will das Bremer Chaos eindämmen. Ein Sprecher der AfD-Bundespartei sagte dem SPIEGEL: "Der Zustand der Bremer AfD ist besorgniserregend." Mit Blick auf mögliche Ordnungsmaßnahmen fügte er hinzu: "Wenn sich daran nach dem 20. September nichts ändert, wird die Bundespartei eingreifen müssen."

Das dürfte vor allem gegen Magnitz gehen - schließlich hat er den Fraktionsaustritt verkündet. Theoretisch könnte die AfD-Spitze ein Ausschlussverfahren gegen ihn anstrengen, doch gilt das derzeit als wenig wahrscheinlich. Für realistischer wird eine sogenannte Ämtersperre gehalten. Konkret hieße das: Der Bundesvorstand könnte Magnitz untersagen, das Amt des Landeschefs auszuüben. Eine Entscheidung müsste dann das für Bremen zuständige niedersächsische Parteischiedsgericht treffen.

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