Analyse im Auftrag von jüdischer NGO Antisemitismus gehört laut Studie zum »programmatischen Kern« der AfD

Rednerpult der AfD-Fraktion im Bundestag
Foto: Christian Spicker / imago images/Christian SpickerFast ein Drittel der AfD-Wählerinnen und -Wähler ist laut einer Umfrage der Bertelsmann Stiftung aus dem vergangenen Jahr rechtsextrem eingestellt. Die Partei agitiert gegen Ausländer und Geflüchtete – und bedient sich laut einer Studie auch immer wieder antisemitischer Klischees.
Antisemitismus gehört der Handreichung des American Jewish Committee (AJC) zufolge zum »programmatischen Kern« der AfD. Die »vorgebliche Solidarität« mit der jüdischen Gemeinde und Israel diene der Partei lediglich als Vehikel für ihre »rassistische und migrationsfeindliche Propaganda«, sagte der Direktor des AJC Berlin, Remko Leemhuis. Die Handreichung trägt den Titel: »Die Mobilisierung des Ressentiments. Zur Analyse des Antisemitismus.«
Das AJC ist nach eigenen Angaben die weltweit führende jüdische Nichtregierungsorganisation. Sie unterhält Büros in zahlreichen Ländern.
In der AfD und ihrer Wählerschaft nähmen »trotz manchen anderslautenden Lippenbekenntnissen Israelfeindschaft, Holocaustrelativierung, antisemitisches Verschwörungsdenken und judenfeindliche Bilder einen prominenten Platz ein«, sagte der Autor der Handreichung, der Politikwissenschaftler Lars Rensmann von der Universität Groningen in den Niederlanden.
Israel werde von der AfD vor allem für eine »antimuslimische Haltung« instrumentalisiert, sagte Rensmann weiter. Allerdings vertrete die AfD keine durchweg proisraelische Position. In Tweets der Bundespartei und ihrer Vertreter werde Israel auch immer wieder mit antisemitischen Klischees wie jenem der »Geldjuden« assoziiert.
AfD fährt laut Studie »gezielte Kampagnen« gegen jüdische Prominente
Auch gegen prominente Juden und Jüdinnen in Deutschland gebe es seitens der AfD immer wieder »gezielte Kampagnen«, sagte Rensmann weiter. So sei etwa die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, in Twitter-Beiträgen des AfD-Abgeordneten Petr Bystron als »jüdische Verkörperung der vermeintlich korrupten diktatorischen Elite« dargestellt worden. Auch der Journalist Michel Friedman sei in den Fokus von AfD-Vertretern geraten.
Gerade in der Coronapandemie erhielten Verschwörungstheorien einen großen Auftrieb, sagte Rensmann. Konstruktionen wie die »einer ›korrupten globalisierten Elite‹ (...), die hinter der Corona-Krise und einem ›großen Bevölkerungsaustausch‹ stünde, gehören zu der von Rechtspopulisten mobilisierten Vorstellungswelt, an die sich die Idee von der jüdischen oder ›talmudistischen‹ Weltverschwörung anschließen kann«.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sprach mit Blick auf die Studie im Auftrag des AJC von einer »wichtigen Analyse«. Von AfD-Politikern verbreitete »Verschwörungserzählungen wie vom Bevölkerungsaustausch« seien »hundertprozentig anschlussfähig an antisemitische Ressentiments«.
Antisemitismus »Ausdruck einer zutiefst demokratiefeindlichen Haltung«
Denn Antisemitismus wende sich nicht allein gegen jüdische Menschen, sondern sei »Ausdruck einer zutiefst demokratiefeindlichen Haltung«. Judenhass sei Kernbestandteil rechter Ideologien und des Rechtspopulismus.
Leemhuis rief die »demokratischen Parteien« dazu auf, sich stärker auch gegen islamistischen Antisemitismus einzusetzen und damit der AfD die Möglichkeit zu entziehen, dieses Thema für sich politisch zu nutzen.