AfD in Bayern Schurken unter sich
Raimund Swoboda brachte es schon vor seiner Parteikarriere in der AfD zu zweifelhafter Bekanntheit. Im Jahr 2010 - damals war er noch Leitender Polizeidirektor und nicht Landtagsabgeordneter - führte er einen Prozess vor dem Amtsgericht Nürnberg, weil er am Steuer geblitzt worden war und das 35 Euro teure Knöllchen nicht zahlen wollte. Swoboda argumentierte unter anderem, das Verkehrsschild habe vor seinem Urlaub noch eine andere Geschwindigkeitsbegrenzung angezeigt. Die Richterin überzeugte er damit nicht, Swoboda musste zahlen.
Vier Jahre später trat er der Alternative für Deutschland bei, um "aktiv gegen den Absturz unseres Landes und die Auflösung unseres Volkes einzutreten". So schrieb er es im bayerischen Landtagswahlkampf 2018 auf seiner Homepage. Er wolle die Politik nicht den "Schurken" überlassen.
Nun aber zieht Swoboda sich aus Partei und Fraktion zurück. Am Donnerstag erhielten die Fraktionsgeschäftsstelle der AfD und das Landtagspräsidium jeweils ein Einschreiben: Swoboda erklärte seinen Austritt aus der AfD und ihrer Landtagsfraktion.
Sein Abgang wird die anderen AfD-Abgeordneten wohl nicht besonders betrüben - Swoboda gilt als sturköpfig und etwas seltsam. Dennoch ist sein Austritt gefährlich für die Fraktion im Bayerischen Landtag: Swobodas Schritt könnte die Spaltung befördern.
"Sehr ernstes Warnsignal"
Die verbleibenden 21 Abgeordneten lassen sich zwei ungefähr gleich großen Lagern zurechnen. Die gemäßigten Parlamentarier wie Swoboda stehen den Hardlinern in der Fraktion gegenüber, können sich gegen diese aber wohl nicht durchsetzen. Swoboda ist deshalb angeblich nicht das einzige Fraktionsmitglied, das in den letzten Wochen über einen Austritt nachgedacht hat.
Der Flügelkampf zeigt sich auch an der Fraktionsspitze. Der Fraktionsvorsitzende Markus Plenk sprach mit Blick auf Swobodas Austritt von einem "sehr ernsten Warnsignal" und betonte, die Türen zurück in die Fraktion stünden dem Kollegen weiterhin offen. Plenk ist Bio-Bauer und hat es geschafft, seinen Aufstieg in der AfD ohne eine einzige fremdenfeindliche Parole zu bewerkstelligen.

Katrin Ebner-Steiner: "Unser Land hat nur noch diese eine Chance"
Foto: Armin Weigel/ dpaSeine Kollegin an der Fraktionsspitze, Katrin Ebner-Steiner, forderte zeitgleich, der Abtrünnige solle sein Mandat zurückgeben und einem AfD-Nachrücker Platz machen. Die Niederbayerin ist Anführerin der Deutschnationalen im Landtag und präsentierte ihre Partei im Wahlkampf als die "Strafe Gottes für die CSU".
Sie ist mit Björn Höcke befreundet, dessen AfD-Sammlungsbewegung "Der Flügel" der Verfassungsschutz als Verdachtsfall einstufte: Es handele sich um eine extremistische Bestrebung, die die "Relativierung des historischen Nationalsozialismus" betreibe.
Mails an ihre "Flügel"-Kollegen, in denen sie mehr Geschlossenheit anmahnt, beginnt Ebner-Steiner mit "Liebe Kameraden". Persönliche Animositäten hätten "in unserem Kampf" nichts verloren, schreibt sie weiter: "Unser Land hat nur noch diese eine Chance."
Als ihre rechte Hand gilt der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD im Landtag, Christoph Maier. Er ist Mitglied der deutschnationalen Burschenschaft Sudetia und soll bei Fraktionssitzungen schon mal von "Säuberungen" gesprochen haben, als es darum ging, wie man auf parteiinterne Kritiker reagieren solle. Eine für viele Anwesende befremdliche Formulierung, die Katrin Ebner-Steiner auf Nachfrage dementiert: "Christoph Maier hat diese Aussage in einer Fraktionssitzung nie getätigt."
Der Austritt offenbart Zerfallserscheinungen der Partei
Die Außenwirkung des Duos sei "fatal", beschwert sich einer aus der Fraktion. Während interessierte Landtagsabgeordnete mit dem Bus gesammelt auf Informationsfahrt zum NS-Informationszentrum am Obersalzberg fuhren, brauste Ebner-Steiner mit einem weiteren Fraktionsmitglied im abgedunkelten 7er-BMW voraus. "Ich hatte noch einen Folgetermin", gibt sie zur Erklärung an.

Katrin Ebner-Steiner (rechts) stößt im Oktober 2018 mit Alice Weidel, AfD-Fraktionschefin im Bundestag, an
Foto: Armin Weigel/ dpaWer in der AfD-Fraktion oder deren Umfeld recherchiert, bekommt schnell abenteuerliche Geschichten zu hören, garniert mit Beleidigungen und Verleumdungen. Eine Führungskraft wird als "Psychopathin" bezeichnet, ein Kollege als "Idiot erster Klasse", der überall "braune Mäuse" sehe und sich überlegen sollte, "mal einen Termin beim Psycho zu bekommen".
Raimund Swoboda soll seinen Rücktritt in dem Brief damit begründet haben, dass ihm die Partei zu rechts sei und zu unprofessionell arbeite. Ihm wiederum wird nachgesagt, er sei nur deshalb zurückgetreten, weil er nicht zum Vizepräsidenten des Landtags gewählt wurde und auch bei der internen Postenvergabe leer ausgegangen war.
Beim politischen Gegner ist die Freude groß. Die CSU, der innerparteiliche Fehden nicht fremd sind, sieht in Swobodas Rücktritt Zerfallserscheinungen, "wie wir sie schon aus anderen AfD-Fraktionen in Deutschland kennen", wie es der Parlamentarische Geschäftsführer Tobias Reiß formuliert. Letztlich seien "diese Fraktion und diese Partei geprägt von Zerrissenheit, die nur durch gemeinsamen Hass und durch ähnliche Feindbilder gekittet wird".