Probleme der AfD-Bundestagsfraktion Unmut, Verunsicherung und Wasserrationen

AfD-Fraktion im Bundestag mit Alice Weidel und Alexander Gauland (vorn)
Foto: Ralf Hirschberger/ dpaKürzlich warb die AfD-Bundestagsfraktion in einer halbseitigen Zeitungsanzeige für die Stelle eines Geschäftsführers. Vor allem ein Satz fiel dabei ins Auge: Gesucht werde jemand mit "Ausdauer und Langmut bei gleichzeitiger Durchsetzungs- und Konfliktfähigkeit". Wichtig sei auch "ein feines Gespür für das menschliche Miteinander".
Der künftige Geschäftsführer soll der disziplinarische Vorgesetzte für über 100 Fraktionsmitarbeiter sein. Menschen, die für das Klein-Klein zuständig sind und den Abgeordneten organisatorisch den Rücken freihalten - als wissenschaftliche Mitarbeiter, Referenten, Büromitarbeiter.
Die selbstironische Beschreibung vom feinen "Gespür für das menschliche Miteinander" passt offenbar treffend zur Stimmung in Teilen der Fraktion. In einem dem SPIEGEL vorliegenden Text, der sich detailliert mit Interna aus der Fraktion beschäftigt, heißt es unter anderem, "ein weiteres aktuelles Problem der AfD-Bundestagsfraktion ist die latente Unzufriedenheit unter den Mitarbeitern". Willkürlich angezettelte Vorgänge wie die "Streichung von Mineralwasserrationen" seien noch das kleinste Problem.
Die Rede ist unter anderem von "Freisetzungen" und "Überschreitungen von Kompetenzen". Das alles habe für "großen Unmut und Verunsicherung gesorgt". Nun werde auf den Fluren der Fraktion davon geredet, dass "die Gründung eines Betriebsrates mit dem Deutschen Beamtenbund noch vor der Sommerpause in Vorbereitung" sei, heißt es in dem Text.

Stellenauschreibung der AfD: "Fels in der Brandung"
Betriebsräte für Fraktionsmitarbeiter sind kein Novum: Bei der Grünen-Fraktion gibt es einen Betriebsrat, bei den Linken sogar gleich zwei - einen für die Fraktionsmitarbeiter und einen für die Mitarbeiter der Linken-Abgeordneten. Und in der SPD-Fraktion und in der Unionsfraktion gibt es wiederum Personalräte. Die AfD-Mitarbeiter würden mit ihrem Vorstoß also ein Vertretungsorgan schaffen, das andere bereits haben - sollte er denn Realität werden.
Zu den Gründungsplänen für einen Betriebsrat sagt AfD-Fraktionspressesprecher Christian Lüth, dem Fraktionsvorstand sei davon nichts bekannt. "Sollte es diese Bestrebungen geben, sieht er diesen gelassen entgegen", sagte er am Freitag dem SPIEGEL.
Gauland und Weidel kandidieren im Juni wieder im Duo zu den Vorstandswahlen
Die angepeilte Gründung einer Mitarbeitervertretung fügt sich ein in die Unruhe, die in der Fraktion auch an anderer Stelle herrscht. Über allem schwebt ein Machtkampf vor den Vorstandswahlen zur Fraktionsspitze um die beiden Co-Chefs Alice Weidel und Alexander Gauland. Nach Informationen des SPIEGEL werden die Wahlen, die turnusgemäß Ende September stattgefunden hätten, nun tatsächlich auf den Juni vorgezogen. Offen ist noch, ob der Termin bereits Anfang des Monats oder in der letzten Sitzungswoche des Bundestags und damit kurz vor der parlamentarischen Sommerpause Ende Juni stattfindet.

Engere AfD-Fraktionsführung Weidel, Baumann und Gauland
Foto: Kay Nietfeld/ picture alliance/dpaAuf manchen Posten dürfte es bei den Wahlgängen Veränderungen geben. So gilt intern Weidels Verhältnis zum zweiten parlamentarischen Fraktionsgeschäftsführer Jürgen Braun als abgekühlt. Dem früheren TV-Journalisten wird unter anderem angelastet, bei der Bildung des einst groß angekündigten "AfD-Newsrooms" nicht vorangekommen zu sein.
An anderer Stelle kündigt sich ebenfalls Ärger an: In den Fraktionsvorstand drängt es dem Vernehmen nach Stephan Brandner, Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestags. Dabei dürfte es spannend werden, ob der Justitiar der Fraktion - politisch ein Rechtsaußen aus dem Thüringer Landesverband von Björn Höcke - die bisherige Vizefraktionschefin Beatrix von Storch verdrängen will und sich mit einem neuen Posten eine weitere Bühne sucht. Zumindest wird dies in der AfD-Fraktion vermutet. Von Storch hingegen ist bekannter als Brandner und taucht immer wieder in den Medien auf - ein Vorteil für sie.
Was wird aus Baumann und Braun?
Spekuliert wurde bis vor Kurzem, ob Gauland wegen seines Alters - er ist 78 - nochmals als Fraktionschef antritt. Nun aber ist eine Entscheidung gefallen, wie der SPIEGEL am Freitag erfuhr - und zwar gleich in doppelter Hinsicht: Gauland und Weidel werden beide im Juni wieder als Fraktionspaar zu den Vorstandswahlen antreten. Damit soll zumindest an der Spitze für Kontinuität und Stabilität gesorgt werden. Weidel, die sich derzeit wegen einer Spendenaffäre in ihrem Wahlkreis am Bodensee rechtfertigen muss, dürfte im sicheren Geleit von Gauland wiedergewählt werden. Denn ihre Machtbasis in der seit 2017 von 94 auf mittlerweile 91 Köpfe geschrumpften Fraktion gilt als schmal.
Gauland wiederum, so ist zu hören, will den jetzigen ersten parlamentarischen Geschäftsführer Bernd Baumann erneut als seinen Kandidaten für den Posten vorschlagen - auch wenn dieser intern bei manchen nicht unumstritten ist. Wen Weidel ihrerseits für den Posten des Zweiten Parlamentarischen Geschäftsführers vorschlägt, ist offenbar noch offen. Intern wird nicht ausgeschlossen, dass sie an der Stelle des bisherigen Amtsinhabers Jürgen Braun den Leiter der AfD-Arbeitsgruppe Verfassungsschutz, den früheren Bayer-Chefsyndikus Roland Hartwig, ins Rennen schickt.
So oder so: Bei den Vorstandswahlen im Juni dürfte es spannend werden.