Rechtspopulisten vor Wahl So funktioniert die AfD

Untereinander zerstritten, nach außen aggressiv, dumpf deutschtümelnd: Mit der AfD steht erstmals eine rechtspopulistische Partei vorm Einzug in den Bundestag. Was steckt dahinter?
Alice Weidel, Alexander Gauland

Alice Weidel, Alexander Gauland

Foto: imago/IPON

Gut zwei Wochen vor der Bundestagswahl fühlen sich die Rechtspopulisten wieder im Aufwind. Gegen FDP, Linke und Grüne konkurriert die AfD um den dritten Platz am 24. September. So deuten es die Umfragen an.

Auch wenn Konkurrenzparteien die Hoffnung noch nicht aufgegeben haben - "Wir haben immer noch die Chance, die AfD bei der Bundestagswahl unter die Fünfprozentmarke zu drücken", so CSU-Minister Markus Söder zum SPIEGEL - bei den Rechtspopulisten rechnen sie fest mit dem Sprung über diese Hürde.

Es wäre ein Novum. Anders als in vielen Nachbarländern schaffte bislang keine rechtspopulistische Partei in Deutschland den Einzug in das nationale Parlament.

Was steckt hinter diesem absehbaren Erfolg? Wie funktioniert die AfD? Antworten auf zentrale Fragen.

Was ist die Methode der AfD?

Provokationen und Grenzüberschreitungen, die (mediale) Aufmerksamkeit sichern sollen. Jüngst sorgte AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland für Empörung mit der Bemerkung, er wolle Integrationsministerin Aydan Özoguz (SPD) in "Anatolien entsorgen". Es gab - bis auf eine vorsichtige Distanzierung seiner schärfsten Gegnerin, der Parteichefin Frauke Petry - keinerlei öffentliche Kritik aus der AfD.

Im Gegenteil: Intern wird berichtet, das Zitat sei bei der Anhängerschaft gut angekommen, die Berichterstattung darüber habe der Partei geholfen.

Oder Alice Weidel, ebenfalls Spitzenkandidatin: Sie verließ live eine ZDF-Wahlsendung. Das wirkte komplett inszeniert - und war es wohl auch. Weidel hatte am Tag zuvor eine Sendung in der ARD absolviert, ohne weiter aufzufallen. Der Pseudo-Eklat im ZDF brachte der AfD neue Aufmerksamkeit.

AfD-Spitzenkandidaten Weidel, Gauland

AfD-Spitzenkandidaten Weidel, Gauland

Foto: Sascha Schuermann/ Getty Images

Wie hält es die AfD mit der Wahrheit?

Sie nimmt es oft nicht so genau. Jüngst verbreitete AfD-Spitzenpolitiker Leif-Erik Holm über seinen Twitter-Account den Slogan eines angebliches SED-Plakats, mit dem die CDU Werbung für Angela Merkel mache. Dumm nur, dass dies eine Fälschung war.

Auch AfD-Vize Beatrix von Storch verbreitete über Twitter ein angebliches Zitat des in AfD-Kreisen besonders angefeindeten SPD-Justizministers Heiko Maas. Auch dies war eine Fälschung.

Als im Mai SPIEGEL ONLINE nach möglichen AfD-Mitgliedschaften im Fall des rechtsextremen Bundeswehrsoldaten Franco A. und seiner mutmaßlichen beiden Komplizen nachfragte, dementierte ein Parteisprecher und behauptete, eine Überprüfung habe nichts ergeben. Kürzlich aber musste derselbe Parteisprecher dem SPIEGEL bestätigen, dass einer der - mittlerweile aus der Haft entlassenen - Verdächtigen tatsächlich Mitglied der AfD ist. Zuvor hatten Ermittler eindeutige Hinweise auf eine AfD-Mitgliedschaft entdeckt.

Wie gefährlich ist die AfD?

Bei einem Wahlergebnis von rund acht Prozent rechnet die AfD intern mit bis zu 60 Bundestagsabgeordneten. Die größte Gruppe - etwa 25 - würde dem Lager um Gauland und dem Rechtsaußen Björn Höcke zugerechnet, der allerdings nicht für den Bundestag kandidiert.

In der Minderheit wird wohl die Gruppe um Parteichefin Frauke Petry sein, die auf rund sechs Abgeordnete geschätzt wird. Die mit Gauland verbündete Weidel käme auf neun.

Würde die Partei jedoch zehn Prozent (bis zu 80 Abgeordnete) oder sogar mehr erhalten ( jüngste Umfragen sehen sie bei elf Prozent), wären die Machtverhältnisse unübersichtlicher und die Chancen für Petry größer, heißt es intern. Klar ist: Es kommen auf jeden Fall mehrere Abgeordnete in den Bundestag, die mit völkischen Äußerungen aufgefallen sind.

Was geschieht mit dem Rechtsaußen Björn Höcke?

Gegen den Thüringer Landes- und Fraktionschef läuft weiterhin ein Parteiausschlussverfahren, das Petry wegen seiner Dresdner Rede im Bundesvorstand mit initiiert hatte. Doch der Ausschluss - derzeit vor dem Landeschiedsgericht anhängig - könnte sich am Ende in Luft auflösen. Denn wenn die AfD auf ihrem Parteitag im Dezember eine neue Parteispitze wählt, kann theoretisch die neue Führung das Ausschlussverfahren beenden. AfD-Vize Gauland, der fest zu Höcke steht, erklärte jüngst in Berlin: "Höcke ist ein Teil der Seele der Partei."

Gauland, Petry

Gauland, Petry

Foto: Martin Meissner/ AP

Wie geht es mit Frauke Petry weiter?

Sie mag in den Bundestag kommen, aber die Fraktion wird sie wohl kaum anführen. Dies haben sich Gauland und Weidel vorgenommen. "Warum sollten wir Frau Petry vorschlagen? Sie kann ja auch uns vorschlagen", frotzelte Gauland jüngst. Im Dezember könnte Petry zudem den Parteivorsitz verlieren, den sie sich noch mit Jörg Meuthen teilt.

Denn Meuthen hat deutlich gemacht, dass eine weitere Zusammenarbeit mit seiner Gegnerin nicht mehr möglich sei. Er will auf dem Bundesparteitag in Hannover wieder kandidieren - aber nicht mehr mit Petry an der Spitze die Partei führen. Intern wird bereits über eine Nachfolgerin für Petry spekuliert - etwa die Berlinerin Beatrix von Storch.

Und Petry selbst? Scheint nicht weichen zu wollen. Auf die Frage, ob sie im kommenden Jahr noch Parteichefin sein wird, sagte sie kürzlich dem SPIEGEL: "Na, da frage ich ganz salopp zurück - wer soll es denn sonst machen?"

Wie zerstritten ist die AfD-Führung eigentlich?

Ziemlich zerstritten. Petry liegt mit Gauland und Meuthen im Zwist, wobei sich Richtungsfragen mit persönlichen Animositäten vermischen. Im Bundesvorstand - und das ist ungewöhnlich für eine Partei - beharken sich die Gegner auch juristisch. So stellte Vizebundesschatzmeister Bodo Suhren kürzlich Strafanzeige wegen Verleumdung und übler Nachrede gegen das Vorstandsmitglied Armin Paul Hampel. Hintergrund des Zerwürfnisses sind finanzielle Unregelmäßigkeiten in dem von Hampel geführten niedersächsischem Landesverband.

Wird sich die AfD spalten?

Durchaus möglich. Als Indiz wird von Petry-Gegnern die in Bayern von Parteivorstand und Petry-Anhänger Dirk Driesang gegründete "Alternative Mitte" gesehen. Auch in Thüringen hat sich jüngst eine solche Gruppe gebildet - in der Heimat von Rechtsaußen Höcke.

Derzeit kursiert folgendes Spaltszenario in der AfD-Spitze: Sollte Petry nicht den Fraktionsvorsitz im Bundestag bekommen oder gar den Parteivorsitz verlieren, könnte sie sich mit Getreuen im Bundestag von der AfD-Fraktion trennen und eine eigene Gruppe bilden.

Eine solche Gruppe hätte zwar weniger parlamentarische Rechte als eine Fraktion, aber Petry würde als Vorsitzende mehr Aufmerksamkeit und wohl auch mehr Geld erhalten. Sie selbst hat sich zu solchen Spekulationen bislang nicht geäußert.

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