Machtkampf in der AfD Der Profiteur

Alexander Gauland
Foto: Ralf Hirschberger/ picture alliance / dpaAm Tag danach muss Frauke Petry auf ihrer Facebook-Seite erst einmal eines klarstellen. "Weil uns immer wieder Fragen dazu erreichen: Frau Petry ist NICHT zurückgetreten", heißt es da. Sie werde weiterhin Vorsitzende der AfD bleiben, auch die sächsische Landesliste für die Bundestagswahl führt sie immer noch an. Die Parteichefin will im Herbst ins Parlament nach Berlin. Punkt.
Die Klarstellung ist offenkundig notwendig. Manche Anhänger haben ihre Videobotschaft vom Vortag, in der sie ihren Verzicht auf eine Spitzenkandidatur ankündigte, bereits als ihr politisches Ende interpretiert. Die Kommentarspalte ihres Facebookaccounts quillt über. Sie habe "tapfer für die AfD gekämpft", schreibt einer, ein anderer sucht die Erklärungen für ihren Verzicht im privaten Bereich - sie werde "in nächster Zeit mit ihrer Schwangerschaft zu tun haben".
Viele Einträge klingen wie vorgezogene politische Nachrufe. Petry ist im internen Machtkampf seit Längerem angeschlagen, und nach ihrer überraschenden Ankündigung erst recht. Aber am Ende ist sie noch lange nicht.
Auf dem Bundesparteitag am Samstag und Sonntag in Köln will sie für ihren Antrag kämpfen, mit dem die AfD auf einen "realpolitischen Weg einer bürgerlichen Volkspartei" gebracht werden soll. Das Papier ist eine Kampfansage an einen ihrer stärksten Widersacher: Parteivize Alexander Gauland. Ihn erwähnt sie explizit in ihrem Papier, macht ihn als Vertreter einer "fundamentaloppositionellen Strategie" aus.
Mit Petrys Teilrückzug dürfte Gaulands Macht wachsen. Der 76-Jährige kandidiert für den Bundestag, ist seit Kurzem nicht mehr AfD-Landeschef in Brandenburg, führt dort aber noch die Fraktion. Gauland gefällt sich in der Rolle der konservativen Eminenz bei den Rechtspopulisten. 40 Jahre lang war er in der CDU, er weiß, dass ein Spitzenpolitiker mit öffentlichen Äußerungen haushalten muss, wenn er im internen Kampf überleben will. Mitunter hat Gauland gute Miene zur schlechten Stimmung gemacht - etwa als er im vergangenen Juli nach heftigen internen Querelen tapfer mit Petry auf dem Landesparteitag im brandenburgischen Kremmen posierte.

Petry und Gauland im Juli 2016 in Kremmen
Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/ dpaAuch jetzt, am Tag nach dem Petry-Paukenschlag, gibt sich Gauland moderat. Er wünsche sich, dass Petry im Wahlkampf weiter auftrete, "schließlich steht sie als Bundesvorsitzende in der ersten Reihe", sagt er dem SPIEGEL.
Ihren "Zukunftsantrag" allerdings nennt er "politischen Unsinn", sie solle doch bitte schön einmal seine Fraktion im Landtag besuchen: "Ich mache da keine Fundamentalopposition." Er halte daher ihren Antrag "leerlaufend, aber wenn sie den Verweis auf meinen Namen rausnimmt, kann die Partei dem zustimmen".
Petrys Verzicht zwingt ihre Gegner, aus der Deckung herauszutreten. In der AfD wird in diesen Stunden und Tagen noch mehr telefoniert und gesimst als sonst. Gauland sagt, er selbst stehe weiterhin für ein Spitzenteam zur Bundestagswahl zur Verfügung. Intern kursieren seit Längerem mehrere Dreiermodelle: Eines sieht Gauland neben dem Bundesvorstandsmitglied Alice Weidel als Vertreterin des wirtschaftsliberalen Flügels und Leif-Erik Holm als Landeschef in Mecklenburg-Vorpommern vor. In einem anderen steht anstelle Holms der bayerische AfD-Chef Petr Bystron. Es gibt aber auch noch andere.
Ein Name aber ist immer gesetzt: Gauland. Manchen gilt er gar als heimlicher Parteichef. Er selbst ahnt, dass der Parteitag emotional werden dürfte. "Wenn die Frage eines Spitzenteams unter den Delegierten Streit auslöst, dann machen wir am besten keines", sagt er. Das sieht einer seiner Unterstützer, der sachsen-anhaltische AfD-Landeschef André Poggenburg, anders. Er kann sich ein "Dreier- oder Vierer- oder Fünferteam vorstellen, lassen wir uns überraschen - aber auf jeden Fall sollte Herr Gauland dabei sein."

Gauland und Höcke
Foto: Sebastian Kahnert/ dpaSollte sich der Parteitag zur Teamlösung durchringen, würde Gauland sicher eines der prägenden Gesichter im Wahlkampf werden.
Er ist ein gern gesehener Gast in Talkshows, mit seiner Vorliebe für Tweed-Sakkos wirkt er wie der klassische englische Lord. Dabei ist er in seiner Partei nicht weniger umstritten als für andere Mitglieder wiederum Petry. Für manche ist er Teil des von ihnen verachteten Establishments, er war einst für die CDU im Frankfurter Magistrat, in der hessischen Staatskanzlei und auch im Bundesumweltministerium tätig, später Herausgeber der "Märkischen Allgemeinen".
Andere wiederum, die sich dem Petry-Flügel verbunden fühlen, kritisieren ihn intern wegen seiner Haltung zu Björn Höcke. Mit dem Rechtsausleger aus Thüringen verbindet Gauland eine politische Freundschaft, es ist ein Bündnis, das weit in die rechte, auch in die rechtsextreme Anhängerschaft der AfD ausgreift. Mit Höcke, den er einen "Nationalromantiker" nennt, dessen Aussagen "nichts mit der NS-Zeit zu tun" hätten, trat er auch schon mal vor dem Kyffhäuserdenkmal auf, eine Art Wallfahrtsort der rechten Szene. Gauland kann sehr flexibel sein, wenn es darum geht, die Anhängerschaft bei Laune zu halten.
Auch wenn er Ton und Inhalt von Höckes Dresdner Rede nicht teilte, so stellte er sich hinter den Thüringer Landeschef, als dieser das Holocaustmahnmal ein "Denkmal der Schande" nannte und eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad" forderte. Gaulands schützende Hand über Höcke wirkt manchmal wie Nibelungentreue. Vor Parteimitgliedern im brandenburgischen Rangsdorf sagte er kürzlich, "wenn die Granaten einschlagen, steht man zusammen".
So lehnt denn auch Gauland das Ausschlussverfahren gegen Höcke ab, das Petry und eine Mehrheit im Bundesvorstand anstrengten und das nun beim AfD-Landesschiedsgericht in Thüringen zur Verhandlung ansteht.
Höcke wird in Köln nicht dabei sein, im Maritim-Hotel hat er Hausverbot, aber sein Fall wird die Delegierten wohl beschäftigen. Der Bremer AfD-Landesvorstand verlangt in einem Antrag, das Ausschlussverfahren nicht weiter zu verfolgen. "Wenn der Antrag gestellt wird", sagt Gauland, "werde ich für ihn stimmen."
Es wäre eine weitere Niederlage für Petry.