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Erster Auftritt von AfD-Neuzugang Fest Zum Auftakt erst mal die Moscheen schließen

Der Ex-"Bild"-Journalist Nicolaus Fest soll die AfD seriöser wirken lassen. Auf seiner ersten Pressekonferenz bringt er den Berliner Landeschef jedoch in Bedrängnis.

Georg Pazderski ist sichtlich stolz. Jede Woche verzeichne sein Berliner Verband 25 neue Eintritte, auch im Bund lege seine Partei zu, berichtet der AfD-Landes- und Fraktionschef. Aber heute, sagt er in einem gut gefüllten Nebenraum der Bundespressekonferenz, "geht es nicht um Quantität, sondern um Qualität".

Neben ihm sitzt Nicolaus Fest, eine ganz und gar bürgerliche Erscheinung. Fest, Jahrgang 1962, ist der Sohn des vor zehn Jahren verstorbenen Mitherausgebers der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und Publizisten Joachim Fest. Nicolaus Fest war zuletzt Vizechef der "Bild am Sonntag". Vor zwei Jahren wurde dort sein Arbeitsverhältnis gelöst, zuvor hatte er in einem Kommentar den Islam pauschal als "Integrationshindernis" bezeichnet. Pazderski preist sein Neumitglied: "Nicolaus Fest hat sich nicht angepasst, und das teilt er auch mit der AfD."

Pazderski hat Fest für die AfD gewonnen, er ruft die bislang heimlichen Anhänger der Rechtspopulisten dazu auf, sich wie Fest zu bekennen und mitzumachen, um "die Partei auch mit starkem Rückhalt bei den Eliten zu etablieren". Das soll offenbar auch Fests Rolle sein. Die AfD will vom Namen profitieren, die Fests sind schließlich eine Familie mit Tradition: Der Großvater Johannes Fest, ein Mitglied der katholischen "Zentrum"-Partei, verweigerte sich nach 1933 den Nazis und wurde nach 1945 Mitglied der CDU. Joachim Fest hat ihm mit seinem Erinnerungsband "Ich nicht" ein Denkmal gesetzt. Nicolaus Fests Bruder wiederum ist der Verleger Alexander Fest, lange Jahre Geschäftsführer des weltgewandten und liberalen Rowohlt-Verlags.

Nicolaus Fest sagt, er fühle sich dem "antitotalitären" Erbe seines Großvaters verpflichtet. Mit seinem Bruder Alexander will er nicht über den Beitritt zur AfD gesprochen haben. Freunde aber hätten ihm gesagt: "Viel Glück, das wird ein harter Weg."

Der AfD-Plan, sich mit Fest einen seriösen Anstrich in den sogenannten besseren Kreisen zu geben, klappt jedoch nicht ganz so , wie es sich Pazderski und seine Mitstreiter ausgemalt haben. Bereits am Tag zuvor war durch Recherche von Medien, darunter auch SPIEGEL ONLINE, der Name des Neuzugangs publik worden, der Überraschungseffekt verpuffte damit.

Je länger Fest redet, desto nervöser wird Pazderski

Die eigentliche Herausforderung für den AfD-Landeschef ist aber das neue Mitglied selbst: Je länger Fest redet, desto nervöser wird Pazderski. "Der Geist steht heute rechts, die Verteidigung der individuellen Freiheit auch", solche Bekenntnisse klingen noch vergleichsweise skurril, ebenso wie seine drei Hoffnungen, die Fest mit der AfD verbindet: Dass die Partei in den Bundestag komme, ins Kanzleramt ("mit absoluter Mehrheit") und die SPD "bundesweit unter fünf Prozent" gebracht werde.

Beim Thema Islam aber, das Nicolaus Fest auch auf seinem privaten Blog ausgiebig abhandelt, äußert sich der gelernte Jurist scharf. Der Islam sei "weniger eine Religion als eine totalitäre Bewegung, die mehr dem Nationalsozialismus und Kommunismus ähnelt", sagt er, um daraus die Schlussfolgerung zu ziehen: "Das öffentliche Zeigen und Ausüben dieser Religion muss man verhindern."

In der anschließenden Fragerunde wird Fest von einem Journalisten gefragt, ob er auch Moscheen schließen wolle. Fest redet erst über den Nationalsozialismus, dann sagt er: "Eine totalitäre Ideologie darf keinen Platz haben. Ja, das bedeutet, dass man auch Moscheen schließen muss, genau."

Es ist der Zeitpunkt, an dem der frühere Bundeswehr-Offizier Pazderski sichtlich unruhig wird. Zwar hat die AfD seit diesem Frühjahr in ihrem Programm den Satz stehen, wonach der Islam nicht zu Deutschland gehöre, aber von einem Religionsverbot spricht selbst sie dort nicht.

Und so weist Pazderski darauf hin, dass Muslime, die sich an Gesetz und Recht hielten, ihre Religion ausüben dürften. "So wie ich Fest verstehe", tastet er sich vorsichtig vor, gehe es um Moscheen, die "auffällig geworden sind, in denen sich Salafisten und Terroristen aufhalten, dass man da tätig werden muss, dagegen vorgehen muss, dass die geschlossen werden." Aber Fest beharrt auf seiner Version, und Pazderski will sich so recht auch nicht von seinem Neumitglied distanzieren.

Die Veranstaltung, das wird spätestens jetzt klar, droht für Pazderski aus dem Ruder zu laufen. Sein bürgerlicher Vorzeigeprominenter wirkt wie einer der zahlreichen, weniger bürgerlichen Islamgegner, die es bereits in der AfD gibt. Ein Journalist weist schließlich Fest daraufhin, dass in Deutschland Religionsfreiheit herrsche, er also mit seiner Forderung nach einer Schließung von Moscheen nicht auf dem Boden des Grundgesetzes stehe.

Auch darauf hat Fest eine Antwort: Das Bundesverfassungsgericht und die Landesverfassungsgerichte hätten sich "noch nie mit dieser Frage beschäftigt, es wäre aber mal Zeit". Und er fügt hinzu: "Wir haben es mit einer totalitären Ideologie zu tun, diese Frage ist jahrelang nicht geklärt worden."

Am Ende rettet sich Pazderski mit Aussagen, in seiner Partei herrsche "Meinungspluralismus" und "wir stehen nicht für Denkverbote". Sein Pressesprecher Ronald Gläser zeigt nach der einstündigen Veranstaltung auf sein iPhone und erinnert halb ernst und halb ironisch an den Apple-Werbespruch: "Think different."

Es sind Sätze, die bei der AfD oft zu hören sind - wenn es heikel wird.

Den Unterschied zwischen Islam und Islamismus erklärt dieses endlich-verständlich-Video:

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