SPIEGEL-Umfrage zur AfD Frust ohne Not

AfD-Anhänger in Erfurt
Foto: Jens Meyer/ APDie Wahlerfolge in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt geben der Alternative für Deutschland weiter Auftrieb. Nachdem die Rechtspopulisten, die Stimmung gegen Flüchtlinge und die Europäische Union machen, in drei Landtage eingezogen sind, klettert die Partei in der jüngsten Umfrage bundesweit auf 13 Prozent.
Erklärungsversuche für den Zulauf gibt es einige. Viele AfD-Anhänger sind enttäuscht von anderen Parteien, sie protestieren gegen die Flüchtlingspolitik, oder sie teilen das diffuse Gefühl, "abgehängt" zu sein, wie es Einwohner der AfD-Hochburg Bitterfeld in einem SPIEGEL-ONLINE-Video beschreiben.
Schaut man sich die Motive und die Zusammensetzung von AfD-Anhängern genauer an, wird darüber hinaus deutlich: Was den eigenen Lebensstandard angeht, hat ein Großteil der AfD-Sympathisanten keinen Grund zum Klagen. Zwar wählten am 13. März viele Arbeitslose die AfD. Trotzdem haben auffallend viele Anhänger der Partei keine Existenzängste.
Das zeigt die Umfrage von TNS Infratest im Auftrag des SPIEGEL (mehr über die Gründe der AfD-Wahlerfolge lesen Sie im SPIEGEL).
In der Befragung beschrieben 79 Prozent der AfD-Anhänger ihre wirtschaftliche Situation als "sehr gut" oder "gut":
Der Vergleich mit Anhängern anderer Parteien zeigt: AfD-Sympathisanten fühlen sich finanziell ebenso sicher wie zum Beispiel jene von CDU/CSU. Nur Sympathisanten von Grünen und FDP sind zufriedener mit ihrer wirtschaftlichen Lage. Weniger stabil hingegen schätzen Anhänger von SPD oder Linken ihre Situation ein.
Der Osten entkoppelt sich
Allein das Gefühl einer Bedrohung auf materieller Ebene erklärt also nicht, warum Menschen AfD wählen. Was anscheinend bei den allermeisten Anhängern zieht, ist die harsche Kritik an den sogenannten etablierten Parteien und der Regierung. Satte 88 Prozent der AfD-Sympathisanten fühlen sich ohnmächtig gegenüber "denen da oben". Ein Wert, der bei keiner anderen Partei-Anhängerschaft derart ausgeprägt ist, und bei dem in Ostdeutschland die Zustimmung stärker ist als im Westen.
Natürlich spielt auch die Flüchtlingskrise eine große Rolle. Gerade einmal ein Prozent der AfD-Anhänger ist "zufrieden" mit Angela Merkels Asyl- und Flüchtlingskurs. Dass die Partei mit flüchtlingsfeindlichen und asylkritischen Positionen mobilisieren kann, liegt auch an der Skepsis vieler Bürger: Die Mehrheit der Deutschen (61 Prozent) hadert mit Merkels Kurs.
Vor allem im Osten ist die Ablehnung riesig. Die Menschen dort scheinen sich regelrecht von der Linie der Bundesregierung zu entkoppeln.
Die AfD konzentriert sich auch auf Menschen, denen die Unionsparteien nicht mehr konservativ genug sind. So lehnt die Bundespartei staatliche Unterstützung für Alleinerziehende ab, die AfD-Politikerin Beatrix von Storch kämpft gegen die gleichgeschlechtliche Ehe.
Während 86 Prozent der Deutschen Vorstellungen einer liberalen und modernen Gesellschaft teilen, sind es bei AfD-Anhängern nur 67 Prozent.
Wer aber hält die AfD wirklich für eine wählbare Alternative - und bei wem hat sie keine Chance? 65 Prozent der Bürger würden die Partei "sicher nicht" wählen, damit bleibt ein Potenzial von 35 Prozent. Im Osten ist die Partei populärer als im Westen, bei Männern ist sie beliebter als bei Frauen, bei Arbeitern geschätzter als bei Selbstständigen.
Den größten Rückhalt hat sie bei Menschen zwischen 29 und 44 Jahren. Sehr junge und ältere Menschen würden die AfD eher nicht wählen.
Wie man die Ausrichtung der Partei bewerten soll, darüber sind sich die Befragten weitgehend uneins. Das ist auch schwierig: Ein Parteiprogramm existiert bisher nur als Entwurf, interne Richtungsstreits sind keine Seltenheit. Wie sich die 61 AfD-Abgeordneten, die demnächst in drei neue Landtage ziehen, einbringen werden, ist offen.
Rund ein Drittel hält die Wähler der AfD überwiegend für rechtsextrem. Die Hälfte der Befragten hält aber nur einen kleinen Teil der AfD-Wähler für rechtsextrem, acht Prozent sogar fast keinen.
Von Experten wird die AfD überwiegend als rechtspopulistisch bezeichnet. Immer wieder sorgen Akteure der AfD mit ausländerfeindlichen Parolen für Aufsehen. Als zwei AfD-Frauen einen Waffeneinsatz gegen Flüchtlinge billigten, gab es Rufe nach einer Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Der Thüringer Landeschef Björn Höcke wurde mehrfach wegen Volksverhetzung angezeigt.
Wer führte die Umfrage durch? Die TNS Infratest Forschung GmbH im Auftrag des SPIEGEL.
Wer wurde befragt? 1026 Wahlberechtigte in Deutschland ab 18 Jahren (repräsentative Zufallsauswahl).
Wie wurde gefragt? In computergestützten Telefoninterviews.
Wann fanden die Interviews statt? Am 15. und 16. März 2016.
Wie groß ist die Fehlertoleranz? Mindestens 1,4 Prozentpunkte (bei einem Wert von fünf Prozent), maximal 3,1 Prozentpunkte (bei einem Wert von 50 Prozent).