Gauland-Nachfolger Chrupalla Von rechts beflügelt

Tino Chrupalla: "Keine drastischen Sprüche"
Foto: Ronny Hartmann / AFPAm Ende konnte Alexander Gauland zufrieden sein. Sein Wunschkandidat Tino Chrupalla hatte es geschafft. Der Sachse wird neben Jörg Meuthen die AfD in den kommenden zwei Jahren führen. Der 44-jährige Fraktionsvize musste dafür allerdings in eine Stichwahl gehen - gegen seinen Konkurrenten aus der Bundestagsfraktion, Gottfried Curio.
Doch der Musiker und Physiker, der per YouTube eine große Fangemeinde in der AfD anspricht, hielt eine für seine Verhältnisse eher schwache Rede. Chrupalla setzte sich schließlich mit knapp 54 Prozent gegen den Vertreter aus Berlin durch, der auf rund 41 Prozent kam. So war die Führungsfrage fürs Erste geklärt. Gauland kann sich nun auf seine Arbeit als Co-Fraktionsvorsitzender im Bundestag konzentrieren, Ehrenvorsitzender der AfD soll der 78-Jährige ohnehin noch in Braunschweig werden.
Chrupalla kann auch anders
Chrupalla hatte vor allem mit einem Novum für sich geworben: Ein "Akademiker" wie Co-Parteichef Meuthen und ein "Nichtakademiker" wie er, ein Vertreter aus dem Westen und einer aus dem Osten, damit könne die Partei ein "historisches Zeichen" setzen.
Der Maler- und Lackierermeister - seine Ausbildung strich er hervor - passt in Gaulands Konzept von der AfD als Partei für die "kleinen Leute" - ein Bild, das der scheidende Chef in Braunschweig einmal mehr bemühte. Chrupalla, der in den Neunzigerjahren zwei Jahre bei der Jungen Union war und der 2017 zur Bundestagswahl den heutigen sächsischen CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer in dessen Wahlkreis schlug, präsentierte sich als gemäßigte Kraft. Die "bürgerliche Mitte", mahnte er, erreiche die AfD "nur mit Vernunft", dafür brauche die AfD "keine drastischen Sprüche", die "oft das Gegenteil bewirken, vor allem bei den Frauen".
Dass Chrupalla rhetorisch auch ganz anders kann, hatte er allerdings in einer Bundestagsdebatte zum Jubiläum des Mauerfalls gezeigt, in der er Kanzlerin Angela Merkel scharf angriff und ihre Tätigkeit in der FDJ der DDR ins Zentrum seiner Rede stellte.
Sympathien im rechten "Flügel"
Chrupallas Wahl zum neuen Gauland war kein Selbstläufer, im ersten Wahlgang kam er gegen Curio und die niedersächsische AfD-Landeschefin Dana Guth nur auf rund 44 Prozent. Sein Erfolg dürfte am Ende auch auf die Unterstützung des nationalistisch-völkischen "Flügel"-Netzwerks um Björn Höcke und Andreas Kalbitz zurückzuführen sein. Obwohl kein Mitglied des "Flügel", hatte Chrupalla im Sommer deren Nähe öffentlich gesucht und genießt dort Sympathien.
Videoanalyse: "Die Partei ist nicht weniger rechts als vorher"
Während des Parteitags in Braunschweig lobte Höcke denn auch vor Journalisten den Sachsen als Stimme des Ostens, als "ein Organisationstalent", der "gute Arbeit" als Fraktionsvize im Bundestag geleistet habe. Der Thüringer Landes- und Fraktionschef, der die AfD außerhalb der Parlamente auch als Bewegungspartei sieht, zeigte sich zufrieden mit Gaulands Nachfolger. Chrupalla habe "Verständnis dafür, dass wir die Straße als Resonanzraum weiter bespielen müssen". Deswegen "sagen wir Ja zu Tino Chrupalla", so Höcke vor Journalisten.
In Braunschweig zeigte sich, dass rechte, irrlichternde Außenseiter außerhalb des "Flügels" mittlerweile abgestraft werden. Als sich Wolfgang Gedeon, baden-württembergischer AfD-Politiker, als Kandidat für den AfD-Vorsitz bewarb, verließen viele der 592 Delegierten demonstrativ den Saal - offenbar war der Auszug abgesprochen. Gegen Gedeon - er sei "eine AfD in der AfD" - läuft ein Ausschlussverfahren wegen des Vorwurfs antisemitischer Aussagen.
"Antifamäßiges Spektakel"
Gedeons Attacken gegen die Spitze wirkten skurril, selbst für AfD-Verhältnisse. Co-Parteichef Meuthen übernehme die "Diktion der Linken", mache damit die AfD "zur Speerspitze gegen rechts". Buh- und Pfui-Rufe folgten, ein Unterstützer Gedeons, der baden-württembergische AfD-Politiker Dubravko Mandic, ging ans Pult und sprach von einem "antifamäßigen Spektakel".
Auch der Versuch einer kleinen Gruppe von Parteirechten um den baden-württembergischen AfD-Landtagsabgeordneten Stefan Räpple scheiterte damit, die Spendenaffäre von Co-Parteichef Jörg Meuthen zum Thema zu machen. Ihr Antrag, mit dem die Haftungsfrage behandelt werden sollte, wurde schon zu Beginn des Parteitags per Mehrheitsbeschluss nicht auf die Tagesordnung gesetzt. Meuthen wiederum - seit Mitte 2015 Co-Parteichef - beteuerte einmal mehr, er habe nichts "Unanständiges, Unrechtes oder Illegales getan". Gegen die Strafzahlungen des Bundestags in Höhe von 402.900 Euro klagt die Partei derzeit vor Gericht.
Im Kosmos der AfD schadete die Spendenaffäre Meuthen zumindest in Braunschweig nicht: Meuthen setzte sich mit rund 69 Prozent gegen Gedeon und die Bundestagsabgeordnete Nicole Höchst durch. In seiner Bewerbungsrede präsentierte sich Meuthen als gemäßigter Vertreter. Sein Gesicht stelle er nicht für eine Partei zur Verfügung, die in eine "schleichende Tolerierung extremistischer Positionen abzurutschen" drohe, so der Co-Chef, seit Sommer 2015 an der Spitze der AfD. Die Aufgabe für die nächsten zwei Jahre sei es, "regierungsfähig und -willig" zu werden.
Beatrix von Storch braucht zwei Wahlgänge
Der für AfD-Verhältnisse fast schon routinierte Parteitagsverlauf geriet am Abend kurz ins Stocken. Während bei der Wahl der Bundesvizes die Co-Fraktionschefin Alice Weidel ohne Gegenkandidaten mit 76 Prozent zur ersten Stellvertreterin gewählt wurde und der jüngst vom Bundestag als Rechtsausschuss-Vorsitzender abberufene Stephan Brandner - ein "Flügel"-Vertreter - zweiter Vize wurde, zog sich die Wahl des dritten Stellvertreters hin.
Auf der Strecke blieb dabei der bisherige Vize Georg Pazderski. Im Sommer hatte er eine interne Erklärung gegen Höcke unterschrieben. In zwei Wahlgängen konnte sich der Berliner Landeschef nicht gegen den AfD-Bundestagsabgeordneten Stephan Protschka durchsetzen und verzichtete schließlich.
Aber auch AfD-Fraktionsvize Beatrix von Storch, die anschließend für Pazderski ins Rennen ging, brauchte zwei Wahlgänge, um sich am Ende mit knapp 51 Prozent gegen Protschka durchzusetzen. Eben jener Protschka, der jüngst mit einer Spende für einen mittlerweile in Polen abgebauten Gedenkstein für deutsche Freikorpskämpfer für Schlagzeilen gesorgt hatte, an dem sich auch die rechtsextremen "Jungen Nationalisten" beteiligt hatten.
Gauland: "Wir stürmen keine Bastille, wir sind nicht gut in Revolution"
Gauland hatte zu Beginn des Parteitags Teile seiner Rede dem Zustand der AfD gewidmet. "Erwachsen" zu werden heiße nicht, angepasst zu sein, warb er für seinen Kurs. Der Druck durch den Verfassungsschutz - der "Flügel" und die Junge Alternative sind seit dem Frühjahr Verdachtsfälle im Bereich des Rechtsextremismus - sei "gewaltig". Weil das so sei, müsse man "klug" und "standhaft sein und unseren Feinden es so schwer wie möglich machen". Die AfD müsse den Weg einer "patriotischen, demokratischen, bürgerlichen Volkspartei" weitergehen, dazu gebe es "keine Alternative".
Welcher Geist in der AfD weiterhin wabert, machte Gauland indirekt selbst öffentlich. In Braunschweig sprach er von "manchen", die von einer "kleinen sozialrevolutionären Partei" träumten, doch dieser Traum sei "irreal", in Deutschland gebe es dafür keine Tradition. "Wir stürmen keine Bastille, wir sind nicht gut in Revolution", so Gaulands Analyse.
Die AfD, gab Gauland aus, müsse in "demokratischen Wahlen" so stark werden, dass es nicht mehr möglich sein werde, sie von der "Gestaltungsmacht dieses Landes" länger auszuschließen.
Was die CDU angeht, so zeigte sich Gauland - er war einst über vier Jahrzehnte in der Partei - deutlich skeptischer als manch andere in der AfD, die auf ihr Ende hoffen. Deren "Zersetzung" habe gerade erst begonnen, aber es sei "nicht sicher, dass die CDU zerfällt". Es werde, so Gaulands Hoffnung, aber der Tag kommen, "an dem eine geschwächte CDU nur noch eine Option hat - uns".