AfD Rechter Flügel wirft Rechtsaußen Poggenburg raus

Das rechte Lager der AfD verstößt einen seiner wichtigsten Vertreter. André Poggenburg, bekannt für rechtsradikale Sprüche, muss den "Flügel" verlassen - weil er mit den gemäßigten Parteifreunden paktiert haben soll.
André Poggenburg

André Poggenburg

Foto: Philipp von Ditfurth/ picture alliance / Philipp von Ditfurth/dpa

Wenn die Anführer der rechten AfD-Plattform "Flügel" grundlegende Dinge zu besprechen haben, treffen sie sich meistens am selben Ort: Im winzigen Dorf Schnellroda in Sachsen-Anhalt, am Sitz des rechten Antaios-Verlags, dessen Chef Götz Kubitschek ein enger Vertrauter des "Flügel"-Chefs Björn Höcke ist.

Auch am vergangenen Freitagvormittag kamen führende Rechtsausleger der AfD wie Höcke, Brandenburgs Landeschef Andreas Kalbitz oder der Chef der "Patriotischen Plattform" der Afd, Hans-Thomas Tillschneider, wieder einmal in der ostdeutschen Provinz zusammen.

Aber dieses Mal ging es nicht um strategische Weichenstellungen, sondern um eine unangenehme Personalfrage: Die Männer eröffneten einem der ihren, dass er in ihrem Kreis nicht mehr erwünscht sei. André Poggenburg, Landesvorsitzender der AfD Sachsen-Anhalt, wurde von seinen Verbündeten vor die Tür gesetzt.

Es ist ein aufsehenerregender Schritt, nicht nur weil Poggenburg schon seit der Gründung des "Flügel" 2015 zu dessen prägenden Figuren zählt, sondern weil er bereits im Frühjahr als Fraktionschef in Magdeburg entmachtet worden war. Hätte dieser Schritt nicht genügt? Noch ungewöhnlicher sind die Gründe für Poggenburgs Rauswurf aus dem rechten AfD-Klüngel.

Für jede etablierte Partei hätte es längst genug Anlass gegeben, Poggenburg komplett auszuschließen. Der 43-Jährige provoziert seit Jahren mit rechtsradikalen Sprüchen, etwa indem er die NS-Vokabel der "Volksgemeinschaft" beschwört oder Linke als "Wucherungen am Volkskörper" bezeichnet. Auf dem letzten politischen Aschermittwoch seiner Partei lästerte er über die in Deutschland lebenden Türken als "Kümmelhändler", "Kameltreiber" und "vaterlandsloses Gesindel".

Poggenburg hatte mit der Parteimitte geliebäugelt

All dies hätte seine Parteifreunde jedoch nicht groß gestört, schlagen sie selbst ihren vorsichtigeren Ton doch überwiegend aus taktischen Gründen an. Auch als Fraktionschef hatten sie ihn nicht wegen seiner Tabubrüche entmachtet, sondern in erster Linie wegen seines autoritären Führungsstils und des Vorwurfs der Vetternwirtschaft.

Aber die jüngsten Vorwürfe gegen "Pogge", so ein parteiinterner Kosename, sind aus Sicht der AfD-Rechten viel schwerwiegender: Er habe sich mit den Gemäßigten in der Partei verbündet. Die sogenannte "Alternative Mitte" ist zwar eine machtpolitisch schwache, aber zahlenmäßig wachsende Gruppe in der Partei, die vom rechten Lager nervös beobachtet wird.

Auf dem jüngsten Landesparteitag in Sachsen-Anhalt waren nun mehrere "Flügel"-Vertreter wie Tillschneider und Bundesvorstand Frank Pasemann überraschend an der Wiederwahl in den Landesvorstand gescheitert. Die "Flügel"-Leute sind überzeugt, dass Poggenburg sich heimlich mit der "Alternativen Mitte" arrangiert und diesen geholfen hat, ihre eigenen Kandidaten durchzubringen. "Wer sich gegen die eigenen Kampfgefährten stellt", hieß es aus "Flügel"-Kreisen, "muss mit Konsequenzen rechnen."

Eigentlich hatte die Runde in Schnellroda strengstes Stillschweigen über Poggenburgs Ausschluss vereinbart, heißt es, da der Geschasste die Runde reichlich geknickt verlassen hätte. Doch dann preschte Poggenburg plötzlich selbst vor mit einem Statement an die Partei, sodass sich nun viele "Flügel"-Leute nicht mehr an ihr Gelübde gebunden fühlen. Sie wurmt besonders, dass Poggenburg seinen Abgang nachträglich wie eine freiwillige Aktion beschreibt, dabei sei er doch vor die Tür gesetzt worden.

Für Nachfragen ist er nicht erreichbar

Poggenburg bedauert in seinem Brief, über den der "Stern" zuerst berichtete , dass der "Flügel" sich in letzter Zeit sehr verändert habe. "Dabei gibt es gute und weniger gute, abgestimmte und nicht abgestimmte Entscheidungen, und eben auch ganz persönliche Interessen." Dies führe "in letzter Konsequenz" dazu, "dass die Doppelspitze Höcke-Poggenburg des Flügels so leider nicht mehr fortbesteht".

Seit seinem Statement ist Poggenburg abgetaucht, für Fragen nicht mehr erreichbar. Wer seine Führungsrolle im "Flügel" einnehmen wird, ist ungewiss. Viel spricht für den Brandenburger Kalbitz, der sich zuletzt still und beharrlich an die Spitze vorgearbeitet hat. Fraglich ist auch, ob Poggenburg sich weiter um Revanche bemühen wird.

Sein Brief deutet an, wohin die Reise gehen könnte: Er bleibe zwar "Flügel"-Freund, so Poggenburg, aber er appelliert an seine Parteifreunde, "unsere Kräfte auch abseits irgendwelcher Lager und Strömungen" neu zu bündeln. Bald könnte sich also ein alternatives rechtes Lager in der AfD formieren.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren